Warum eine Verdoppelung der Rauschgiftdelikte noch kein Grund zur Panik ist Schulen haben kein Drogenproblem

Von Manfred Scherer
Foto: Friso Gentsch dpa/Archiv Foto: red

Es war eine erschreckende Nachricht: Die Anzahl der Drogenvergehen an Oberfrankens Schulen hat sich verdoppelt. Auf den zweiten Blick jedoch ergibt sich, dass keine Schule ein größeres Drogenproblem hat oder gar Umschlagplatz für Rauschgift ist.

 
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Laut Jürgen Stadter, dem Sprecher des Polizeipräsidiums Oberfranken, sind die Drogenfälle an Oberfrankens Schulen vom Jahr 2015 zum Jahr 2016 von 29 Fällen auf 58 Fälle angestiegen. Stadter: „Obwohl das Thema ein wichtiges ist, brechen wir wegen dieser Zahlen nicht in Panik aus.“ 58 Fälle oberfrankenweit – das sei „relativ wenig“.

Diese Einschätzung Stadters ist korrekt, wenn man den Zahlen Bezugsgrößen gegenüberstellt. 2015 wurden in Oberfranken 3417 Drogendelikte registriert, im Jahr 2016 waren es 4330, eine „starke Steigerung“. Eine andere Bezugsgröße: Im Jahr 2016 gingen rund 133 000 Schüler in die Schulen Oberfrankens. Rechnet man die rund 33 000 Grundschüler heraus, die aufgrund ihres Alters kaum für Drogendelikte infrage kommen dürften, verteilen sich die 58 registrierten Delikte auf rund 100 000 Schüler.

"Keine belastbaren Erkenntnisse"

Ende des Themas? Nein. Stadter sagt: „Auch wenn wir keine belastbaren Erkenntnisse haben, dass irgendeine Schule ein Drogenumschlagplatz ist, nehmen wir jeden Fall ernst.“ Bei der Kripo Bayreuth etwa gibt es einen speziell ausgebildeten Beamten, der in Schulen Drogenpräventionsveranstaltungen macht: Jürgen Bergmann hat erst sein Amt neu angetreten und ist in schöner Regelmäßigkeit unterwegs. Bei allen Polizeiinspektionen arbeiten Jugendkontaktbeamte. Beispielsweise Benjamin Puchtler, der sieben Jugendkontaktbeamte bei der Inspektion Kulmbach koordiniert. Puchtler bestätigt Stadters Einschätzung für Kulmbach und sagt: „An Kulmbachs Schulen gibt es sicher kein Drogenproblem. Die Zahlen der relevanten Drogendelikte liegen im einstelligen Bereich.“

Ähnlich die Erkenntnisse bei der Polizeiinspektion Bayreuth-Stadt. Dort hatten die Jugendkontaktbeamten im Schuljahr 2016/2017 mit drei Fällen von Drogendelikten an Schulen zu tun. Harald Stadter, Sprecher der Polizeiinspektion: „Es sind Einzelfälle. Es geht nur um Marihuana.“ Wird in einer Schule ein Fall bekannt, machen die Jugendkontaktbeamten speziell in der betroffenen Klasse einen gezielten „Aufklärungsunterricht“.

Die Einschätzung der Polizei wird von den Schulen bestätigt. Elmar Hofmann, der stellvertretende Schulleiter des Bayreuther Graf-Münster-Gymnasiums (GMG) sagt, Drogendelikte von Schülern an der Schule seien nicht bekannt, von einem „Umschlagplatz“ für Rauschgift sei der GMG-Schulhof weit entfernt, wenngleich man nicht blauäugig sein dürfe: „Was Schüler außerhalb der Schule tun, wissen wir nicht.“ Das GMG fährt laut Hofmann ein intensives Präventions- und Aufklärungsprogramm in Sachen Drogen, wie alle Schulen.

Überwiegend geht es ums Kiffen

Hofmanns Kollege Rudolf Mense vom Gymnasium Pegnitz sagt auf Anfrage: „Bei uns gibt es kein Drogenproblem. Wenn bei uns gedealt würde, bekämen wir das mit.“ Das gilt beispielsweise auch für die Carl-von-Linde-Realschule in Kulmbach. Schulleiterin Monika Hild: „Unser Schulhof ist kein Umschlagplatz für Drogen.“ Hild zufolge gebe es Einzelfälle und sicherlich eine „Dunkelziffer“. Die Einschätzung der Schulleiter wird gestützt vom Schulamt. Marina Lindner, die Leiterin der Staatlichen Schulämter im Landkreis und in der Stadt Bayreuth: „Ja, es gibt Einzelfälle.“ Von einem großen Problem oder einer eklatant steigenden Tendenz könne man nicht sprechen. Von den rund 2500 Schülern an den Mittelschulen in Stadt und Landkreis Bayreuth waren laut Schulamt im Jahr 2017 sechs Schüler wegen eines Drogendelikts betroffen. In der überwiegenden Zahl der Fälle ging es dabei ums Kiffen. Christian Hübsch, der Leiter des Bayreuther Jugendamtes, sagt: „Es gibt keine Schule in Bayreuth, die ein Drogennest ist.“

Laut Polizeisprecher Jürgen Stadter waren 36 der oberfrankenweit registrierten 58 Fälle Marihuanadelikte. Stadter sagt trotz seiner allgemein positiven Einschätzung, man dürfe mit der Präventionsarbeit in Schulen keinesfalls nachlassen.

Warum, mag dieses Beispiel zeigen: Vergangene Woche ordnete das Bayreuther Jugendschöffengericht an, dass ein wegen Drogen- und Alkoholmissbrauchs körperlich und geistig ziemlich kaputter 19-Jähriger sich zu einer Untersuchung bei einem Psychiater einfinden muss. Der junge Mann hatte schon als Schüler angefangen, Drogen zu konsumieren.

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