Warum eine "kleine" Straftat schwer wiegende Folgen hat Eine Betrügerin verrechnet sich

Von Manfred Scherer
Ihr kriminelle vergangenheit wurde einer 30-jährigen Bayreutherin zum Verhängnis: Für eine vergleichsweise "kleine" Straftat muss sie ins Gefägnis. Foto: Britta Pedersen dpa-Archiv Foto: red

Kleiner Fall, schwerwiegende Folgen: Wegen eines Betrugs – es geht um einen Wert von 230 Euro – muss eine 30-jährige Bayreutherin vermutlich über drei Jahre ins Gefängnis. Wie’s kommt? Die Frau wurde von ihrer von Drogensucht verursachten kriminellen Vergangenheit eingeholt.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Im Mai 2016 glaubte die 30-Jährige, sie könne ein paar Euro verdienen: In der Garage ihrer Schwiegermutter kam eine Schallplattensammlung zum Vorschein, die sie via Internet zum Verkauf anbot. Die Beschreibung „400 LP’s Black Music, guter Zustand“ weckte das Interesse eines Plattensammlers aus Mönchengladbach. Der Mann überwies 230 Euro und bekam zwei Pakete, in denen jedoch nur 154 Platten waren. Weil die Verkäuferin auf seinen Protest nicht reagierte, erstattete der Mann Anzeige. Beim Zivilrichter in Bayreuth erwirkte er die Rückzahlung seiner Kosten.

Der Verteidiger spricht von Leichtsinn

Im Betrugsprozess bei Strafrichter Torsten Meyer sagte die 30-Jährige, dass sie die Platten gezählt habe, aber bei 180 mit dem Zählen aufgehört habe: „Der Rest waren mindestens noch 100 Platten.“ Der Amtsrichter gab der Angeklagten Mathenachhilfe: „Dann wären es 280 Platten gewesen und das hätte mit der vereinbarten Anzahl von 400 auch nicht gepasst.“ Verteidiger Johannes Driendl versuchte den Fall herunterzuspielen: „Sie hat mit dem Zählen aufgehört, sie war leichtsinnig.“ Verteidiger und Angeklagte beteuerten, dass dem Plattensammler aus Mönchengladbach der Schaden zurück gezahlt werde – dann müsse man die Strafwürdigkeit des Falls nicht mehr so hoch hängen.

Sie hat einen Raub auf dem Kerbholz

Später, gegen Ende des Prozesses sollte Amtsrichter Meyer in einem Nebensatz sagen, dass der Fall an sich geeignet gewesen sei, gegen die Rückzahlung des Schadens eingestellt zu werden. Falls die Angeklagte tatsächlich darauf gehofft haben sollte – hat sie sich auch hierbei gewaltig verrechnet. Sie hat nämlich zwei Vorstrafen, beide zur Bewährung ausgesetzt.

Das heißt: Schon die zweite Bewährung war eher ein Gnadenakt, denn oft landen Straftäter schon beim Bruch der ersten Bewährung hinter Gitter.

Sie machte die Rechnung ohne das Opfer

Die erste offene Bewährung betrifft ein Verbrechen aus dem Jahr 2011. Es offenbart, dass die Angeklagte durch Drogen in eine Abwärtsspirale geraten war, seit sie 15 war. Ersten kleineren Delikten folgte am 3. September 2011 der Überfall auf eine 85-jährige Frau in Altenplos. Mit einem mit Chloroform getränkten Taschentuch versuchte die Angeklagte damals die Seniorin zu betäuben, um das Haus des Opfers in der Hauptstraße nach Geld und Wertsachen durchsuchen zu können. Weil das Chloroform nicht wirkte und die fitte Seniorin sich erfolgreich wehrte, ging der Raub schief. Ende Februar 2012 wurde sie zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Die zweite offene Bewährung von zehn Monaten resultierte aus einer Verurteilung vom April 2014 für Strafvereitelung und eine Falschaussage vor Gericht.

Geldübergabe im Gerichtssaal

Verzweifelt versuchten die Angeklagte und ihr Verteidiger das Unheil abzuwenden: Das Opfer, der Schallplattensammler aus Mönchengladbach, musste sechs Stunden per Bahn anreisen und seine Aussage machen. Noch im Gerichtssaal nahm er die Entschuldigung der 30-Jährigen an und steckte die 230 Euro ein, die Rechtsanwalt Driendl in Form von zerknitterten Scheinen aus seiner Jacketttasche hervorholte. Die Angeklagte gab zu Protokoll, dass sie auf die Rückgabe der 154 Platten verzichtet. Im Gegenzug sind die Gerichts- und Mahnkosten des Sammlers abgegolten.

Auch der Bewährungshelfer sprang der Angeklagten bei: Sie habe sich gut geführt, aber leider durch ihre Entlassung beim Zigarettenhersteller BAT einen beruflichen Rückschlag erlitten. Erneute Drogenprobleme seien die Folge gewesen. Nun sei sein Schützling gerade clean, also drogenfrei, und könne es vielleicht schaffen – aber nur in Freiheit.

Es half nichts. Amtsrichter Meyer stellte klar: „Bei zwei offenen Bewährung ist noch eine Bewährung nicht mehr möglich.“ Vier Monate Freiheitsstrafe verhängte Meyer für den Betrug. Die Angeklagte sagte: „Ich verlier wieder alles.“ Sie muss damit rechnen, dass ihre offenen Bewährungen widerrufen werden.

Bilder