Warum die Bambergerin den Schriftsteller-Brief nicht unterschreibt Tanja Kinkel: Offener Brief zum Amazon-Protest

Deutschlands Schriftsteller machen mobil. Zumindest viele von ihnen, über tausend mittlerweile: Sie fordern in einem offenen Brief an den Buch-Großhändler Amazon faire Geschäftsbedingungen. Die Bestsellerautorin Tanja Kinkel aus Bamberg („Die Puppenspieler“) hat nicht unterschrieben. Und erklärt hier, warum nicht.

 
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Mit diesem Thema bin ich aktuell nicht wirklich glücklich. Nicht, weil ich ein Problem habe mit der Sache. Ich möchte mich eigentlich mit vielen der geschätzten Kollegen gerne solidarisch erklären, kann es aber nicht aus voller Überzeugung tun. Warum?

Ich habe es mir seit Jahren abgewöhnt, zu glauben, die Welt durch solche Statements positiv beeinflussen zu können, obwohl ich natürlich gerade für den PEN bei der Wahrung der freien Meinung eine Menge Appelle an die Solidarität mit wirklich Verfolgten unterschreibe. Meine Priorität liegt da jedoch, ohne wenn und aber, bei den Einzelfällen politisch Verfolgter; wie ich hoffe und wofür ich kämpfen würde, vielleicht hilft es ja.

Bei dem Verhalten von Unternehmen in der freien Marktwirtschaft habe ich aber andere Prioritäten. Da möchte ich beispielsweise lieber gegen das Verhalten von Unternehmen wie Shell zu protestieren, gegen das, was etwa in Nigeria geschieht, gegen Nestle und ähnlich übermächtige Unternehmen und deren Engagement in Asien und Afrika, welche die arme Bevölkerung in diesen Ländern hemmungslos ausbeuten, meist sogar ihr Leben durch die Arbeitsbedingungen in Gefahr bringen. Oft genug geschieht ja noch Schlimmeres aus Profitdenken für ärmste Bevölkerungskreise, die wirkliche Solidarität verdient hätten, da ihr Leben davon abhängt.

Im konkreten Fall Amazon neige ich nun dazu, zu sagen: es gibt in Deutschland genügend Möglichkeiten, mit gleicher Geschwindigkeit und zum gleichen Preis Bücher zu kaufen, ohne auf Amazon zurückgreifen zu müssen. Wäre da nicht, wie in vielen vergleichbaren Dingen auch, ein Appell an die Käufer der richtige Weg, den örtlichen Handel zu stärken, wenn man dessen Verhalten für richtig hält? Amazon wird, wie alle vom Kapital gesteuerten Unternehmen, erst umdenken, wenn Käufer ihr Kaufverhalten ändern, nicht Betroffene Solidarität einfordern, die mehr oder weniger davon profitieren. Und wer hat je von einem Verlag gehört, der wegen des Drucks entschieden hat, Amazon nicht mehr zu beliefern, sondern nur noch die Unternehmen, welche sich aus eigener Sicht fair verhalten? Würden alle Verlage solidarisch sein, gäbe es das Problem nicht.

Übrigens glaube ich auch nicht, daß selbst, wenn Amazon vom Angesicht der Erde verschwindet, alle Kollegen auf allen Vertriebswegen gleiche Chancen haben. Ein Verlag fördert den einen Autor bei den Handelsketten mehr als den anderen, ein anderer, kleinerer Verlag kann sich jedwede (Werbe-)Unterstützung seiner Autoren überhaupt nicht leisten, unabhängig von der Qualität des Geschriebenen; das war und ist leider immer so.

Wenn ich Kollegen begegne, die konkrete Unterstützung brauchen, dann helfe ich gerne, wie in all den Fällen, wo es mir möglich ist, etwas zu erreichen, und das beweise ich tagtäglich: siehe Brot und Bücher (www.brotundbuecher.de), wo es um wirklich schrecklich gestellte Menschen geht die Hilfe für sich benötigen.

In die „freie“ Marktwirtschaft einzugreifen, das kann ohnehin niemand, das wäre auch immer ein Kampf gegen Windmühlen und kostet Kraft, die anderweitig besser aufgewendet wird, zu eigenem und zum Nutzen derer, die es verdient haben, aber sich leider Erfolg nicht erarbeiten können. Deswegen hat eine solche Unterschrift für mich auch etwas mit Glaubwürdigkeit zu tun, und meine möchte ich nicht in Frage stellen, wenn ich nicht voll hinter der Sache stehen kann.

Ich erhebe dabei nicht den Anspruch, dass meine Ansicht zu diesem Thema die allein richtige in diesen Dingen ist, aber es ist meine, und ich schreibe das alles auch nur so ausführlich, damit Sie Verständnis für meine Entscheidung haben, nicht zu unterzeichnen.

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