Nun sitzen sie alle abends bei einem Bier in Oberailsfeld zusammen und sind erfreut und stolz wie die kleinen Kinder. Karl Thon ist der Einladung gefolgt und sitzt mitten unter seinen Erben. "Eine Riesen-Ehre", sagt der aus Eschenbach stammende Wiesent und berichtet sogleich, wie es damals war bei seiner Ausbildung: "Wenn so ein Wetter war wie jetzt gerade, da kannte der Karl kein Pardon. Er sagte: Raus mit euch, ihr Fregger, geklettert wird!"
Als 13-Jähriger kam Karl Thon über die Naturfreunde zum Klettern. Damals war das völlig anders als heute: Hanfstricke statt moderner Kletterseile, Sicherungshaken, die selbstgeschmiedet waren. Schon als Jugendlicher fuhr Thon mit dem Fahrrad in die Alpen, die gesamte Kletterausrüstung aufgepackt. Er kletterte dort bald berühmte Klassiker.
Er tauscht das Motorrad gegen Bohrmaschine
In Franken begann Thon mit Erschließungen von Kletterfelsen. Wer zum Beispiel heute an einer der beliebtesten Kletterwände, dem Treunitzer Klettergarten direkt an der B 22 zwischen Hollfeld und Scheßlitz, klettert, den wird die Historie dieser Wand interessieren. Karl Thon war 1973 als Beamter der Bamberger Polizei mit einer alten 250er DKW auf Motorradstreife im Wiesenttal unterwegs: "Ich hab den Fels von der Straße aus gesehen. Und an einem Wochenende drauf habe ich den ersten Haken gesetzt." Die allererste Klettertour am Treunitzer Klettergarten nannte Thon "Erster Streich".
Thon selbst ist in 70 Kletterjahren zweimal gestürzt, jeweils, weil ein Haken ausgebrochen ist. Einmal hat er sich dabei einen Fersenknochen gebrochen. Nichts im Vergleich zu jenem Tag, als ein Freund und Kletterpartner vor seinen Augen tödlich abstürzte. Vielleicht ist das einer der Gründe, warum Karl Thon, der als Polizist zuletzt Chef der Polizeiinspektion Bamberg war, die DKW längst getauscht hat - gegen eine Bohrmaschine. Klein, leicht, mit starken Akkus. Ein Spezialmodell namens "Milwaukee" aus den USA.
Das Gerät ist bestens geeignet zum Einrichten und zum Sanieren von Klettertouren. An den Kletterfelsen in den Fränkischen Schweiz, vorwiegend in den Bamberger Gebieten, steckt ein Teil von Karl Thons Vermächtnis: In Form von etwa 2000 modernen Bohrhaken. Und auch damit, so sagt es sein Schüler Peter Wiesent, hat Thon das Klettern sicherer gemacht. Der zweite Teil des Vermächtnisses steckt in Menschen. In den Bergführern, die er ausgebildet hat und die wiederum junge Kollegen ausbilden.
Keiner glaubt, dass Thon mit 85 Schluss macht
Walter Schmid erinnert sich an den Lehrsatz des Meisters: "Klettern lernt man durch Klettern." Doch nicht ganz Meister Joda, denn der hätte gesagt: "Klettern durch Klettern man lernt."
An seinem 80. Geburtstag hat Thon mit einem Freund die Watzmann-Ostwand bestiegen - und die Berghütte oben ausgebucht war, haben die beiden die Überschreitung des Gipfelgrats angehängt und sind am selben Tag wieder abgestiegen. Klettern will der Bamberger mindestens noch bis zum 85. Lebensjahr. Von seinen Erben glaubt das keiner. Aber nicht, dass er das nicht schafft, sondern, dass er wirklich aufhören kann.