Vor 29 Jahre kam die Tschernobyl-Wolke über Oberfranken Region: Radioaktivität noch immer messbar

Von Udo Fürst
Das Fleisch von Wildschweinen ist in Oberfranken bedenkenlos genießbar, sagen Fachleute. Die radioaktive Belastung sei relativ gering. Foto: Ossinger Foto: red

Heute vor genau 29 Jahren überquerte eine radioaktive Wolke Süddeutschland. Der Fallout aus dem Unglücksreaktor von Tschernobyl verschonte auch Oberfranken nicht. Allerdings ging hier deutlich weniger Radioaktivität nieder als in Südbayern. Trotzdem ist die radioaktive Belastung noch immer messbar, sind Röhrenpilze noch immer stark belastet.

 
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Von der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl im Jahr 1986 sind auch heute noch Waldgebiete in Süddeutschland betroffen, wie das Münchener Umland, der Bayerische Wald, die Alpen und Teile des Fichtelgebirges. In diesen Regionen hatte es kurz nach dem Unglück geregnet, wodurch besonders viel Strahlung in den Boden gelangte. An der hohen Belastung dieser Gebiete wird sich nach Meinung von Fachleuten auch in den kommenden Jahren kaum etwas ändern, denn das radioaktive Cäsium-137 (Cs-137) ist erst nach rund 30 Jahren zur Hälfte zerfallen. Wie stark Pilze radioaktiv belastet sind, hängt außerdem von der jeweiligen Pilzart und der Bodenbeschaffenheit ab. Während Cs-137 auf landwirtschaftlichen Nutzflächen kaum eine Rolle spielt, weil es dort fest an die Bodenpartikel gebunden wird, ist es in Waldböden für die Wurzeln frei verfügbar. Röhrenpilze wie Maronen oder Birkenröhrlinge können noch deutlich erhöhte Grenzwerte aufweisen.

Sehr hoch radioaktiv belastet sind viele Wildschweine. Der zulässige Grenzwert von 600 Becquerel pro Kilogramm (Bq/kg) wird in Bayern teilweise um mehr als das Zehnfache überschritten. Das geht aus der Antwort des bayerischen Umweltministeriums auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen hervor. In den zwölf Landkreisen, die 1986 am stärksten von der Tschernobyl-Wolke getroffen worden waren, lagen insgesamt 1332 Proben über dem Grenzwert. Wildbret mit einer Belastung von über 600 Becquerel pro Kilo darf nicht in den Handel gelangen, die Jäger bekommen dafür einen Schadensausgleich. Nach den Daten der amtlichen Lebensmittelüberwachung wird der Grenzwert zum Teil sehr weit überschritten. So wurden in Cham 2013 bei einem erlegten Tier 9840 Becquerel pro Kilogramm gemessen, in Regen waren es bei einem Schwein 9836.

Fleisch nicht belastet

An solche Werte kommen die in Oberfranken untersuchten Tiere nicht heran. Hier lagen die Zahlen im vergangenen Jahr bei Wildschweinen zwischen 0,705 (Kulmbach) und 144 Becquerel (Coburg) pro Kilo Fleisch. Durchschnittswert im Landkreis Bayreuth: 35 Bq/kg. Die Behördenmitarbeiter haben kein radioaktiv belastetes Fleisch im Handel oder in Gaststätten gefunden. „Da ist mir noch nie was zu Ohren gekommen. Wir haben kein Problem damit“, sagt der Geschäftsführer des Bezirks Oberfranken des Bayerischen Hotel- und Gaststättenverbandes, Günther Elfert. Deutlich belastet sind nach wie vor die Waldpilze auch in Oberfranken. Vor allem der Maronenröhrling weist mit bis zu 424 Bq/kg überdurchschnittlich hohe Werte auf. „Das ist aber noch unter dem Grenzwert. Wenn man nicht jeden Tag Pilze isst, ist das völlig bedenkenlos“, weiß Ulrich Kratzel von der Abteilung Strahlenschutz des Bayerischen Landesamtes für Umweltschutz. Alle anderen Waldpilze könnten bedenkenlos gegessen werden. Die Kulmbacher Behörde misst und katalogisiert die Messwerte für Nordbayern (Oberfranken, Mittelfranken, Unterfranken und Oberpfalz).

Amt gibt Entwarnung

Entwarnung gibt das Bundesamt für Strahlenschutz in Salzgitter bei landwirtschaftlich erzeugten Produkten. „Die Werte für Kartoffeln, Gemüse, Milch, Fleisch oder Getreide liegen deutlich unter den Grenzwerten für Jod und Cäsium“, sagt Pressesprecherin Anja Lutz. Landwirtschaftliche Kulturen, die erst nach dem Reaktorunfall ausgesät oder angepflanzt wurden, seien bereits im Sommer 1986 nur noch mit wenigen Becquerel Radiocäsium kontaminiert gewesen. Auch heute liege der Gehalt von Cäsium-137 in landwirtschaftlichen Produkten aus dem Inland in dieser Höhe und darunter. Das bestätigt Josef Eckl, emeritierter Professor an der Hochschule Weihenstephan. Der Reaktorunfall vor 29 Jahren habe zur Folge, dass Cäsium 137-Nuklide sich noch in den organischen Auflagen und im humushaltigen Oberboden befänden. „Dadurch besteht vor allem für Pilze und Wildschweine, die in diesem Bodenbereich Nahrung aufnehmen, ein erhöhtes Belastungsrisiko.“ Unbedenklich seien dagegen die mehrfach umgegrabenen landwirtschaftlich-gärtnerischen Böden, denn tonhaltige Äcker und Böden gäben weniger Cäsium an Pflanzenwurzeln ab.

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