Vom Sparkassenmann zum Unternehmer

Von Roland Töpfer
„Wir haben viele kleine Wunder erlebt“: Stephan Gesell, Geschäftsführer und Gesellschafter von zwei Kurzentren und einem Gesundheitshotel in Weißenstadt und Waren (Müritz). Foto: Roland Töpfer Foto: red

Eigentlich war alles etwas anders geplant: Stephan Gesell, Sparkassen-Betriebswirt und engagierter Kommunalpolitiker, wäre ganz gerne Bürgermeister von Weißenstadt geworden. Doch daraus wurde nichts. Und das kam so.

 
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Wir schreiben das Jahr 2002. Die Region ist im Rückwärtsgang. Strukturwandel, Jobabbau, Textil und Porzellan kriseln. „Wir müssen unser Schicksal selber in die Hand nehmen“, sagt Gesell und macht sich auf, das große Potenzial des Fichtelgebirges im Gesundheitstourismus besser zu erschließen.

Der CSU-Fraktionssprecher und damalige zweite Bürgermeister geht auf Investorensuche, knüpft enge Kontakte zur Künig GmbH in Kufstein, mittlerweile Betreiber von neun österreichischen Kurzentren.

Der brennt

Die Österreicher helfen, wollen aber nicht selbst ran. „Der muss das selber machen. Der brennt“, sagen sie über Gesell. 2004 kündigt Gesell seinen Sparkassen-Job, gibt das Amt des zweiten Bürgermeisters auf, macht 2005 einen Crash-Kurs in Österreich für Baumanagement und Hotellerie und baut direkt am Weißenstädter See zusammen mit rund 45 Gesellschaftern, davon 80 Prozent aus Weißenstadt, für 18 Millionen Euro ein Kurzentrum.

Es folgen ein Kurzentrum in Waren (Müritz/Mecklenburgische Seenplatte) und zuletzt das Gesundheitshotel und Thermalbad Siebenquell in Weißenstadt. Aus dem Sparkassenangestellten ist ein Unternehmer geworden.

Gesell ist Geschäftsführer und Gesellschafter der drei Häuser. Über seine Gesell GmbH (Projektabwicklung, Baumanagement, Betriebsführung) hält er jeweils rund 15 Prozent der Anteile. Der Rest ist breiter gestreut. Beim Siebenquell sind es rund 130 Anteilseigner.

Gute Gästezahlen

Aller Anfang ist schwer, das gilt auch für das neue Haus. Aus den geplanten Baukosten von 62,5 Millionen wurden schließlich 65 Millionen Euro. Im laufenden Jahr, nach 2017 das zweite volle Betriebsjahr, will Gesell die schwarze Null nur noch knapp verfehlen. 2019 soll es einen operativen Gewinn geben.

Was den Anlauf neuer Häuser betrifft, hat Gesell mittlerweile viele Erfahrungen sammeln können. „Die ersten zwei, drei Jahre sind immer schwierig.“ Die Gästezahlen im Siebenquell sind gut. Nach 59.000 Übernachtungen im letzten Jahr sollen es 2018 über 62.000 werden. Dazu kommen rund 250.000 Tagesgäste im angegliederten Thermalbad, das zusätzlich noch von rund 50.000 Hotelgästen genutzt wird.

Die Hotel-Auslastung liegt bei deutlich über 70 Prozent. Die Dreier-Gruppe kommt auf insgesamt 23,5 Millionen Euro Umsatz, beschäftigt gut 300 Mitarbeiter plus 40 von externen Dienstleistern.

Keine Kannibalisierung

Mit Siebenquell hat Weißenstadt nun zwei große Häuser. Eine Kannibalisierung hat aber nicht stattgefunden, sagt Gesell und verweist auf das Rekordjahr 2017 mit 64.000 Übernachtungen im Kurzentrum, was einer Zimmerbelegung von 94 Prozent entspricht. Diese Marke soll auch 2018 gehalten werden.

Gesell ist in Weißenstadt geboren, macht in Wunsiedel seine Mittlere Reife, geht zur Sparkasse. Auch sein Vater und seine Mutter arbeiteten bei der Sparkasse. Und seine Frau, mit der er drei Kinder hat, hat der 45-Jährige in der Sparkasse kennengelernt.

„Die Banklehre war aber nie mein Traumberuf.“ Eigentlich hätte er gerne „etwas Naturbezogenes“ gemacht, wie Teichwirt, Landschaftsgärtner oder Förster. Die Großeltern hatten eine kleine Landwirtschaft. Mit Kühen, Schweinen, auf der Wiese und auf dem Feld ist Gesell aufgewachsen.

Natur als Ausgleich

Ein bisschen davon ist ihm geblieben. „Ich habe viele Weiher“, sagt er. „Am Wochenende ist das mein Ausgleich.“ Die Welt der Natur und die Welt der Zahlen – Gesell mag sie beide. „Ein Gefühl für Zahlen habe ich sehr wohl, auch eine Leidenschaft dafür.“ Das geht auch gar nicht anders, wenn man bei drei Gesundheitshotels in der Verantwortung steht.

Aufgewachsen ist er in einem christlich geprägten Elternhaus. „Das gibt einfach Gottvertrauen.“ Wenn er so zurückdenkt an die letzten Jahre mit den vielen wichtigen Entscheidungen und hohen Investitionen, dann kommt er auch zu dem Schluss: „Wir haben viele kleine Wunder erlebt.“ Sein Glaube hat ihm immer geholfen. „Da zieh‘ ich wahnsinnig viel Kraft.“

Die braucht er auch. Gesell ist sehr viel unterwegs, viel in den Betrieben vor Ort. „Ich hab‘ keinen festen Arbeitsplatz.“ Die beiden Kurzentren laufen gut, werfen Gewinne ab. Das Siebenquell soll bald profitabel sein. Und dann? Noch ein neues Projekt? „Pläne und Ideen gibt’s“, sagt er. „Der Weg kann noch weitergehen.“

Kein Risiko-Junkie

Gesell könnte sich ein drittes Haus in Weißenstadt vorstellen, das den Themenkreis Ruhe, Stille, Sinnsuche, Spiritualität abdeckt. „Das wird ein Riesen-Zukunftsmarkt.“ Nein, ein Risiko-Junkie sei er nicht, sagt er. „Mir macht’s einfach Spaß, etwas zu bewegen.“

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