"Russland will sicherheitspolitisch relevante Lücken füllen"
Die übergeordnete russische Intention ist nach seiner Auffassung "ein Füllen von sicherheitspolitisch relevanten Lücken". Schütt sagte: "Dabei geht es nicht darum, die Lage mit einem großen Schlag umzubrechen, sondern stetig zum eigenen Vorteil zu verändern und westlichen Einfluss zurückzudrängen. Dazu nutzt Russland unverzüglich und gezielt das entsprechende Vakuum."
Dabei sei das militärische Engagement Russlands nicht auf Nachhaltigkeit im westlichen Sinne angelegt, sondern ziele exakt auf eine in den Ländern wahrgenommene Lücke westlichen Engagements. "Was braucht ihr? Ausrüstung? Wird zeitnah geliefert. Kinetische Unterstützung? Wird ohne besondere Auflagen gewährt. Berater? Werden unbürokratisch entsandt. Da ist keine Rede von vernetztem Ansatz und Staatenbildung im westlichen Sinne, die findet so mit Russland nicht statt", sagte der General. Für Deutschland und seine Partner bleibe aus militärischer Sicht eine "Abstützung in der Region" wichtig, wenn es um Aufgaben wie eine im Falle einer Evakuierung eigener Staatsbürger gehe.
Deutlich gewachsene Bedrohung durch Drohnen
Das Einsatzführungskommando hat für Aufgaben in der Landes- und Bündnisverteidigung im vergangenen Jahr bereits einige Änderungen vollzogen und setzt diese nun auch für die Spezialkräfte und andere Bereiche um. "Der Punkt, dass man vorbereitet sein muss, ist ein valider. Dazu üben und erproben wir auch, wie die Truppe in einem solchen Fall national zu führen ist", sagte Schütt. Zum Aufgabenportfolio gehört - wie bei anderen Streitkräften - nun auch wieder das sogenannte "targeting", bei dem mögliche feindliche Ziele gesammelt und auf eine Bekämpfung hin analysiert werden.
Defizite der Bundeswehr macht Schütt vor allem bei der Bekämpfung unbemannter Systeme aus. "Wir sehen eine deutlich gewachsene Bedrohung durch Drohnen. Dinge, die durch die Luft fliegen, die durchs Wasser fahren oder die sich auf dem Boden bewegen, ferngesteuert mit entsprechenden Wirkungsmitteln ausgestattet. Massenweise. Da gibt es Handlungsbedarf in Bezug auf Anpassung der eigenen Einsatzgrundsätze und in Bezug auf Beschaffung", sagte der General. Und: "Das muss jetzt schnell gehen. Für mich sind die zentralen Felder in dem Zusammenhang Flug- und Drohnenabwehr sowie der Einsatz eigener Drohnen."
Müssen mit "strategischen Überraschungen" rechnen
Kaum möglich sei es, in Zeitlinien zu denken. Zuletzt waren Warnungen lauter geworden, Russland könne schon in den kommenden Jahren bereit für eine Konfrontation mit einem Nato-Land sein. Schütt warnt: "Ich bin definitiv kein Freund davon, in Bezug auf die Bedrohung von selbstgesetzten Zeitlinien auszugehen, von denen man glaubt, dass der Gegner vorher nicht agieren kann. Wir müssen immer mit "strategischen Überraschungen" rechnen. Darauf müssen wir uns strukturell, materiell, personell und verfahrenstechnisch anpassen."
Der Balkan gilt als eine Region, in der die Nato herausgefordert werden könnte. Das Bündnis hat dort eine besondere Verantwortung übernommen, ohne dass Staaten wie das Kosovo oder Bosnien-Herzegowina der Nato angehören. Ein Angriff oder Aufflammen von Kampfhandlungen könnte aber Bindungskräfte des Westens herausfordern.
"Die Lage im Kosovo hat sich im letzten Jahr deutlich zugespitzt. Jetzt gerade ist es wieder ruhiger, aber alle wissen, dass es unter der Oberfläche gärt", sagte Schütt. "Alle wissen, KFOR ist eine Nato-Mission, also ist die Nato gefordert. Die Frage, wie weit es uns gelingt, den westlichen Balkan zu stabilisieren, ist eine ganz zentrale Frage auch in Bezug auf die Glaubwürdigkeit der Nato."