Genauso mangele es auf internationalen Strecken, vor allem in die östlichen Nachbarländer Polen und Tschechien, aber auch nach Dänemark, an elektrifizierten Grenzübergängen, betonte Henke. Die Bahnunternehmen stelle das vor logistische und finanzielle Herausforderungen. "Elektrifizierung ist kein Selbstzweck. Sie bietet den Eisenbahnen einen preiswerteren Antriebsmodus und einen, der berechenbarer ist", sagte der VDV-Fachmann.
Der schleppende Ausbau wird in den kommenden Jahren auch deshalb zum Problem, weil die Bahn viel befahrene Schienenkorridore grundsanieren will. So soll sich die Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit im Netz wieder erhöhen. Während der Sanierungsarbeiten werden die jeweiligen Strecken zum Teil über Monate vollständig gesperrt. Viele der Umleitungsstrecken seien aber gar nicht elektrifiziert, sagte Henke. Das bedeute für die Unternehmen zusätzliche Kosten, weil neben den längeren Wegen auch unterschiedliche Antriebsarten berücksichtigt werden müssten.
Zu viele bürokratische Hürden
Mit Blick auf die schleppende Elektrifizierung haben die Verbände mehrere Hindernisse identifiziert. Zum einen seien die bürokratischen Hürden für den Ausbau zu hoch, sagten Henke und Flege. Zwar werde inzwischen deutlich schneller genehmigt und gebaut. Dennoch brauche es für jedes Oberleitungsprojekt eine Kosten-Nutzen-Rechnung, also einen Beleg dafür, dass sich das Vorhaben am Ende wirtschaftlich lohnt. "Allein dafür gehen zwei bis drei Jahre verloren", sagte Flege.
Ein weiteres Problem sei die Finanzierung: Geld für entsprechende Projekte fließe zu langsam, zu wenig und kaum planbar. Allianz pro Schiene und VDV fordern deshalb einen Fonds, aus dem auch Oberleitungsprojekte finanziert werden können. Für ein Fonds-Modell hatte sich kürzlich auch Bundesverkehrsminister Volker Wissing ausgesprochen. Unter privater Beteiligung könnten daraus sowohl Straßen- als auch Schienenprojekte finanziert werden. Über Details werde derzeit verhandelt, sagte Flege.
Potenziell klimaneutrale Antriebe wie etwa Wasserstoff seien hingegen nur bedingt eine Alternative für den Fahrdraht-Ausbau. Zwar hätten Wasserstoffzüge im Nah- und Regionalverkehr eine hohe Reichweite. Doch sei dafür auch eine Tankinfrastruktur notwendig, die teuer sei und insbesondere bei internationalen Strecken nicht zur Verfügung stehe. "Wir brauchen die Oberleitungen auf jeden Fall", betonte Henke.