Verfassungsrichter machen Einschränkungen Kopftuch erlaubt, aber ...

Von Elmar Schatz
Die muslimische Lehrerin Fereshta Ludin steht im Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe. Foto: dpa Foto: red

Lehrerinnen an staatlichen Schulen dürfen aus religiösen Gründen ein Kopftuch tragen. Das hat das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe entschieden - aber zwei Einschränkungen gemacht. War das Kopftuch an oberfränkischen Schulen je ein Thema? Karlsruhe stößt auch eine neue Debatte um das Kruzifix im Klassenzimmer an.

 
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"Soweit auf die Schnelle ersichtlich, gab es bei uns keinerlei Vorkommnisse zum Thema Kopftuch in Grund- und Mittelschulen, Berufsschulen und Förderschulen", teilt der Sprecher der Regierung von Oberfranken, Oliver Hempfling, auf Anfrage mit.

„In all den Jahren, in denen ich im Amt bin, habe ich das Thema Kopftuch bei Lehrerinnen nie auf den Tisch bekommen.", sagt auch Edmund Neubauer, Ministerialbeauftragter für die Gymnasien in Oberfranken.

Das pauschale Kopftuch-Verbot in Nordrhein-Westfalen (NRW) verstößt gegen das Grundrecht auf Glaubens- und Bekenntnisfreiheit, entschied das Bundesverfassungsgericht in seinem am Freitag veröffentlichten Beschluss.

Ein solches Verbot sei nur gerechtfertigt, wenn von dem Kopftuch eine „hinreichend konkrete Gefahr“ für den Schulfrieden oder die staatliche Neutralität ausgeht. (Aktenzeichen: 1 BvR 471/10 und 1 BvR 1181/10)

Die Verfassungsrichter rückten damit von einer Entscheidung aus dem Jahr 2003 ab. Damals hatten sie ein gesetzliches Kopftuchverbot grundsätzlich für zulässig gehalten, forderten gleichzeitig aber eine gesellschaftliche Debatte über das Thema.

Zwei muslimische Frauen klagten

Karlsruhe gab jetzt zwei Musliminnen recht. Eine arbeitet als Sozialpädagogin an einer Gesamtschule und hatte ihr Kopftuch sogar durch eine Baskenmütze mit Strickbund ersetzt. Die zweite Frau ist angestellte Lehrerin und gibt an mehreren Schulen muttersprachlichen Unterricht auf Türkisch.

Beide Frauen hatten wegen ihrer Kopfbedeckung eine Abmahnung erhalten, die zweite schließlich sogar die Kündigung. Ihre Klagen waren vor den Arbeitsgerichten erfolglos.

Die Verfassungsrichter sahen in dem pauschalen Verbot einen schweren Eingriff in die Glaubensfreiheit der Klägerinnen. Sie hätten plausibel dargelegt, dass das Kopftuchverbot ihre persönliche Identität berühre und ihnen sogar den Zugang zu ihrem Beruf verstelle. Damit sei auch der Gleichheitsgrundsatz berührt.

Kein Privileg mehr für Christliches

Die Verfassungsrichter kippten zugleich eine Vorschrift im NRW-Schulgesetz, nach der christliche Werte und Traditionen bevorzugt werden sollen. Das benachteilige andere Religionen und sei daher nichtig.

„Ehrfurcht vor Gott steht als Leitlinie in unseren Schulgesetzen“, sagt Ministerialbeauftragter Neubauer zur bayerischen Rechtslage. In Bayern habe man sich darauf verständigen können, dass im Klassenzimmer ein Kreuz angebracht wird. Allerdings: Wenn auch andere Religionen präsent sind, müsse man das berücksichtigen.

Die CSU pocht auf ein Privileg des Christentums im Freistaat. „Bayern ist und bleibt ein christlich geprägtes Land, daran lassen wir nicht rütteln“, so CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer. Die CSU wolle sich die Entscheidung der Verfassungsrichter genau anschauen und Konsequenzen prüfen. „In jedem Fall werden wir in Bayern alle gesetzlichen Möglichkeiten ausschöpfen, damit das Christentum bei uns in Bayern privilegiert bleibt und weiterhin das prägende Wertefundament für unsere Gesellschaft ist.“

Das bayerische Kultusministerium unter Minister Ludwig Spaenle (CSU) erklärt: „Es ist selbstverständlich, die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts genau zu lesen.“ Der Beschluss beziehe sich aber auf das Schulgesetz von Nordrhein-Westfalen. Das Kopftuch-Verbot in Bayern sei vom bayerischen Verfassungsgerichtshof 2007 als verfassungskonform eingestuft worden.

Im Artikel 59 des Bayerischen Gesetzes über das Erziehungs- und Unterrichtswesen heißt es: „Äußere Symbole und Kleidungsstücke, die eine religiöse oder weltanschauliche Überzeugung ausdrücken, dürfen von Lehrkräften im Unterricht nicht getragen werden, sofern die Symbole oder Kleidungsstücke bei den Schülerinnen und Schülern oder den Eltern auch als Ausdruck einer Haltung verstanden werden können, die mit den verfassungsrechtlichen Grundwerten und Bildungszielen der Verfassung einschließlich den christlich-abendländischen Bildungs- und Kulturwerten nicht vereinbar ist.“

Freie Wähler-Chef Hubert Aiwanger kritisiert: „Der Trend „Kreuze raus aus den Schulen, Kopftücher rein“ setzt sich fort. Das ist bei aller gut gemeinter Toleranz ein Fehler.“ Christliche Werte und Traditionen an Schulen dürften nicht mehr bevorzugt werden, obwohl knapp 50 Millionen Christen in Deutschland wohnten. „Wo werden wir in zehn Jahren stehen?“, fragt Aiwanger.

Die rechts- und religionspolitische Sprecherin der Grünen im bayerischen Landtag, Ulrike Gote, sagt: „Ein Gesetz, das ein Nonnenhabit als legitim wertet, muss auch ein Kopftuch akzeptieren.“

Der Präsident des bayerischen Lehrerverbandes BLLV begrüßt dagegen die Karlsruher Entscheidung. „Als Pädagoge bin ich froh über dieses Urteil, weil es sich am Toleranzgebot orientiert“, sagt Klaus Wenzel. Die gesellschaftliche Realität habe sich in den vergangenen Jahren sehr verändert und es sei die Aufgabe von Gesetzen, sich an diese Realität anzupassen.

Bayern sei beim Kopftuch-Verbot bislang sehr streng verfahren. Jetzt sei es Aufgabe des Landtags, sich mit dem Urteil aus Karlsruhe zu befassen und „sinnvolle und zeitgemäße“ Lösungen zu finden.

Wenzel kann sich beispielsweise vorstellen, dass einzelne Schulen selbst entscheiden können, wie sie in der Kopftuch-Frage verfahren. Dabei spiele es gewiss eine Rolle, ob sich die Schule in München-Hasenbergl oder Nürnberg-Gostenhof oder doch irgendwo im Bayerischen Wald befinde.

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