Verfassungsgerichtshof verhandelt am Dienstag über umstrittene 10-H-Regelung Windkraft in Bayern auf der Kippe

Von Peter Engelbrecht
Am Dienstag verhandelt der Bayerische Verfassungsgerichtshof über die umstrittene Abstandsregelung für Windräder. Foto: Archiv/dpa Foto: red

Der Bayerischen Verfassungsgerichtshof in München verhandelt am Dienstag öffentlich über die umstrittene 10-H-Regelung für Windkraftanlagen in Bayern. Demnach müssen ab dem Stichtag 4. Februar 2014 Windräder zehnmal so weit von Wohngebieten entfernt sein wie sie hoch sind - das  sind normalerweise zwei Kilometer. Durch die Regelung von Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU), beschlossen von der CSU-Mehrheit im Landtag, kam der Ausbau der Windkraft zum Erliegen.  Wie es nun weitergeht, ist unklar.  

 
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Die Landtagsopposition aus SPD, Grünen und Freien Wählern sowie die Initiative "Pro Windkraft" hatten eine Popularklage erhoben. Sie waren der Auffassung, dass die 10-H-Regelung die Bayerische Verfassung verletzt. Die Kläger machen insbesondere geltend, der bayerische Gesetzgeber, also der Landtag, habe seine Kompetenz überdehnt. Nach dem heutigen Stand der Technik erreichten gängige Windkraftanlagen eine Gesamthöhe von etwa 200 Meter. Bei einem Mindestabstand der 10-fachen Höhe, also zwei Kilometer, reduziere sich die für Windkraftanlagen zur Verfügung stehende Fläche auf 0,05 Prozent der Gesamtfläche Bayerns. Berücksichtige man, dass diese abstrakt zur Verfügung stehende Fläche nicht immer ausreichend windhöffig sei oder öffentliche Belange einer Windkraftanlage entgegenstünden, verbleibe nur noch rund 0,01 Prozent der Landesfläche. Diese "nahezu vollständige Entprivilegierung von Windkraftanlagen" verstoße gegen das Rechtsstaatsprinzip. Verfassungsrechtliche Bedenken bestünden auch, soweit Widerspruchs- und Kooperationsrechte der Nachbargemeinden geregelt seien.

Seehofer gegen "Verspargelung"

Die CSU-Landtagsfraktion und die Staatsregierung treten dieser Argumentation entgegen. Die angegriffenen Bestimmungen bewirkten keine vollständige Entprivilegierung, sondern eine abstandsbezogene Einschränkung. Für die Windenergienutzung in Bayern verbleibe auch weiterhin ausreichend Raum. Seehofer setzt mit der Vorgabe auf die "Bewahrung unserer bayerischen Heimat vor einer kompletten Verspargelung". Windkraftgegner, die eben dies lange Zeit befürchteten, feiern den Ministerpräsidenten deshalb für seinen Anti-Windkraft-Kurs. 

Wie eines Sprecherin des Verfassungsgerichtshofes mitteilte, wird es heute kein Urteil geben. Es soll "zeitnah" verkündet werden. Das Interesse an der Verhandlung sei sehr groß. 

Zu wenig Platz für Rotoren

Für Harald Mild brachte die 10-H-Regelung ab dem Stichtag 4. Februar 2014 den Neu- und Zubau von Windkraftanlagen in Oberfranken zum Erliegen. Er ist Projektmanager der Friedrich Wilhelm Raiffeisen Energiegenossenschaft mit Sitz in Creußen. Die Genossenschaft betreibt insgesamt drei Bürgerwindräder: Jeweils eines in Lindenhardt bei Creußen, in Seubersdorf im Landkreis Lichtenfels und in Thurnau. "Wir haben eine dichte Besiedelung, für den Bau von Windkraftanlagen bleibt seit der neuen Regelung zu wenig Platz", sagte Mild. Die aktuell gebauten Rotoren wie die beiden bei Neuhof (Stadt Creußen) seien vor dem Stichtag genehmigt worden, hätten daher Bestandsschutz. Hätte es die 10-H-Regelung schon länger gegeben, wäre ein Großteil des Windparks bei Lindenhardt  nicht genehmigungsfähig gewesen, zeigte sich Mild überzeugt. Die Anlagen in Leups/Buchau, Thurnau und Seubersdorf seien ebenfalls nicht machbar gewesen. Der Mindestabstand zur Wohnbebauung musste vor der 10-H-Regelung 1000 Meter betragen, zur Misch- und Gewerbegebieten 800 Meter. Mild hält das vom Lärmschutz her für ausreichend, für den Schutz vor Schattenwurf gebe es zusätzliche Vorschriften.  "Ich hoffe, dass die 10-H-Regelung nicht haltbar ist", sagte er. Windkraft sei die effektivste und wirtschaftlichste Form der Stromerzeugung aus erneuerbaren Quellen.

Keine neuen Bauanträge mehr

Der Regierung von Oberfranken sind ab 2015 keine Neuanträge mehr zur Errichtung von Windkraftanlagen vorgelegt worden, teilte Pressesprecher Oliver Hempfling mit. Allerdings hätten vier Gemeinden von ihrer rechtlichen Möglichkeit Gebrauch gemacht, von der 10-H-Regelung durch eine Bauleitplanung abzuweichen. Die Bauleitplanverfahren seien  noch nicht abgeschlossen. Mit Stand vom 31. Januar 2015 waren in Oberfranken 161 Windräder in Betrieb, hatte das Bayerische Umweltministerium Mitte 2015 auf eine Landtagsanfrage der Grünen mitgeteilt.

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