Verein, der Ämterkantine mit Behinderten betrieb, muss aufgeben – Zu viele essen bei der Konkurrenz Ein Sozialprojekt verhungert

Von Manfred Scherer
Ein Auslaufmodell: Ab dem 28. März werden in der Ämterkantine erst einmal keine Essen mehr ausgegeben. Foto: red

Der tägliche Klassiker waren Spaghetti Bolognese für 2,95 Euro. Wer hier günstig speiste, unterstützte zudem einen Integrationsbetrieb für Behinderte: Für die Ämterkantine im Gebäude des Staatlichen Bauamtes ist Ende März vorerst der Ofen aus. Der Verein Starthilfe, Pächter der Kantine, kann die Küche nicht mehr wirtschaftlich betreiben und zieht die Notbremse. Sechs Beschäftigte, fünf von ihnen sind behindert, verlieren ihren Job.

 
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„Es tut weh", sagt Helmut Lutz, als Kassierer eines von drei Vorstandsmitgliedern des Vereins Starthilfe: „In dieses Projekt haben wir viel Herzblut gesteckt." Ende des Jahres 2006 war die Verpachtung der Kantine im Ämtergebäude an der Ecke Wittelsbacherring/Wilhelminenstraße neu ausgeschrieben. Im Februar 2007 bekam der Verein Starthilfe, den Zuschlag. Der Verein hatte sich extra gegründet, um in der Kantine ein Sozialprojekt zu verwirklichen: Sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze für behinderte Menschen zu schaffen. „Unser Konzept hat die Zuständigen beim Bauamt überzeugt", erinnert sich Lutz, „wir waren sehr stolz." Anfänglich bekam der Verein Lohnkostenzuschüsse vom Arbeitsamt, überdies eine Anschubfinanzierung von der Oberfrankenstiftung.

Kunden wechseln zur Konkurrenz

Doch dann versalzten äußere Umstände die Suppe: Bald nach der Übernahme der Kantine erfuhren die Vereinsverantwortlichen, dass das Ämtergebäude saniert werden solle – die energetische Sanierung läuft noch heute. Helmut Lutz: „Wir wussten nicht, dass diese Sanierung so lange dauert." Aus dem Ämtergebäude seien zwei Drittel der Stellen ausgelagert worden, für den Vorstand von Starhilfe einer der möglichen Gründe für den Rückgang der Umsätze.  Die Kantine war zur Mittagszeit immer weniger voll – im Jahr 2011 rutschte der Verein mit dem Kantinenbetrieb ins Minus. Als weiteren Grund vermuten die Starthilfe-Verantwortlichen, dass Kunden entweder alt hergebrachte Essensgewohnheiten geändert haben und kleinere Mittagssnacks bevorzugen. Oder zur Konkurrenz wechselten: In das Betriebsrestaurant im sechsten Stock der Rentenversicherung Nordbayern, das Luftlinie 100 Meter entfernt liegt und beim Mittagessen einen Panoramablick auf die Dächer Bayreuths bietet.

Der Eingang zur Ämterkantine führt seit Jahren durch eine Baustelle.Im Betriebsrestaurant der Rentenversicherung können Bedienstete der umliegenden Behörden und Institutionen – etwa von Justiz oder Polizei – essen und einen dafür notwendigen Chip für die bargeldlose Zahlung beantragen. „Gastesser" zahlen allerdings einen Aufpreis von 50 Cent, wie Claudia Weidig, die Pressesprecherin der Rentenversicherung Nordbayern auf Anfrage erklärte. Zum Aus für die Ämterkantine in der Nachbarschaft sagte Weidig: „Wir beabsichtigen keinesfalls, anderen Kantinen oder Gaststätten Konkurrenz zu machen. Das Betriebsrestaurant dient in erster Linie den eigenen Mitarbeitern." Bei den Gastessern umliegender Behörden ist es allerdings ein offenes Geheimnis, dass sich das Betriebsrestaurant seit Jahren wachsender Beliebtheit erfreut. Gerhard Wittenbeck, der seit über 40 Jahren in der Wachtmeisterei des gegenüber liegenden Landgerichts beschäftigt ist, sagt: „Ich esse seit zwei Jahren in der Kantine der Rentenversicherung, weil es mir dort besser schmeckt." Wittenbeck berichtet, dass sich eine ganze Reihe anderer Justizbediensteter ähnlich verhalte.

"Die Ämterkantine ist preiswert und gut"

Nicht so Renate Kellner, die seit 20 Jahren im Grundbuchamt des Amtsgerichtes Dienst tut: „Die Ämterkantine ist preiswert und gut. Und sie ist praktisch. Die halbe Stunde Mittagspause reicht gerade aus, um über die Straße zu gehen und zu essen." Kellner bestätigt allerdings: „Ich stelle fest, dass immer weniger Leute hingehen." Auch Kellner vermutet im Umbau des Bauamtes einen Grund für den Niedergang. Im Gegensatz zu Wachtmeister Wittenbeck war Renate Kellner bekannt, dass hinter der Ämterkantine ein Sozialprojekt steht. Wittenbeck erfuhr davon erst auf die Anfrage des Kuriers und erklärte: „Wenn ich das gewusst hätte, dann hätte ich zwischen den Kantinen abgewechselt."

Die Rentenversicherung konnte auf Anfrage keine konkreten Zahlen über die ausgegebenen Essen nennen: In den vergangenen Jahren sei die Anzahl der Essensteilnehmer leicht rückläufig gewesen, was vermutlich an der Pensionierung einiger „Stammesser" gelegen habe. In jüngster Zeit verzeichne man wieder etwas mehr Kunden, erklärte Pressesprecherin Claudia Weidig. Aktueller „Renner" in der Küche sei der fränkische Sauerbraten, gefolgt von der Currywurst. Die Kantine der Rentenversicherung ist nicht verpachtet, sondern wird laut Pressesprecherin Weidig in Eigenregie geführt. In der Ämterkantine haben die Bediensteten ihre Kündigungen bekommen. Laut Margita Müller, der zweiten Vorsitzenden des Vereins Starthilfe, haben sie Übernahmeangebote bekommen: in Kulmbach baut die Diakonie eine Großküche. Bis die Baustelle im Bauamt fertig ist und die ausgelagerten Bediensteten zurückkehren, soll es Herbst werden, hat Helmut Lutz von seinen Ansprechpartnern im Amt erfahren. „Bis zum Herbst konnten wir nicht durchhalten."

Ämterkantine soll wieder verpachtet werden

Die energetische Sanierung des staatlichen Bauamtes ist ein Pilotprojekt und soll insgesamt 25 Millionen Euro kosten. Kurt Schnabel, der Chef des Amtes, sagte auf Anfrage, dass die Sanierung bis Mitte des Jahres abgeschlossen und das Gebäude bis Ende des Jahres wieder ganz bezogen werden sein soll. Dann werde das Bauamt die Pacht für die Ämterkantine erneut ausschreiben. Schnabel erklärte, in der Zeit der Sanierung seit dem Jahr 2008 sei die Hälfte der 200 Dienstposten ausgelagert worden, zum Teil in ein Gebäude in der Ludwig-Thoma-Straße und zum Teil in das Gebäude der ehemaligen Forstdirektion in der Wölfelstraße.

Schnabel bedauert den Rückzug des Vereins Starthilfe aus der Kantine so kurz vor der vollständigen Wiederbesetzung des Bauamtes. Dort werden Ende des Jahres mehr Menschen arbeiten als zuvor, denn zusätzlich zu den Rückkehrern des Amtes ziehen auch die Bediensteten der Autobahndirektion dort ein. Vor diesem Hintergrund habe man im Amt die Frage, ob sich eine Kantine im Ämtergebäude noch rentiere, zunächst einmal positiv beantwortet: „Es gibt dann genügend Gründe, es noch einmal mit einer Kantine zu probieren." Schnabel räumt ein, dass es Bedienstete des Bauamtes freisteht, auch in der Kantine der Rentenversicherung zu essen. Der Amtschef beobachtet seit Jahren ein geändertes Essverhalten: Kantinen-Essen sei nicht mehr unbedingt in Mode, manch ein Bediensteter mache mittags einen Spaziergang in die Stadt, nehme dort einen Snack ein: „Mich selbst nehme ich da nicht aus."

Foto: Wittek

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