Berlin/Straßburg - Der Widerstand gegen die Zeitumstellung wächst: Immer weniger Menschen in Deutschland halten sie noch für sinnvoll. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit.
Die Zeitumstellung ist in Deutschland so unbeliebt wie seit Jahren nicht, wie eine neue Umfrage zeigt. Am Dienstag nimmt sich das EU-Parlament des Themas an. Und das ist nur ein Schritt auf dem langen Weg zur Abschaffung.
Berlin/Straßburg - Der Widerstand gegen die Zeitumstellung wächst: Immer weniger Menschen in Deutschland halten sie noch für sinnvoll. Das ist das Ergebnis einer repräsentativen Forsa-Umfrage im Auftrag der DAK-Gesundheit.
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Danach liegt der Anteil der Befürworter bei 18 Prozent - und damit auf dem tiefsten Wert seit Jahren. Seit 2013 ist der Zustimmungswert von ehemals 29 Prozent um 11 Prozentpunkte gefallen. Mehr als drei Viertel der Befragten (2013: 69 Prozent, 2019: 78 Prozent) sind der Meinung, die Zeitumstellung sollte abgeschafft werden. In einer EU-weiten Befragung sprachen sich im Sommer 2018 rund 84 Prozent für ein Ende der Zeitumstellung aus.
Im EU-Parlament könnte die Abschaffung der Zeitumstellung am Dienstag eine weitere Hürde nehmen. Am kommenden Sonntag dann werden nachts die Uhren von zwei auf drei Uhr vorgestellt: Ab dann gilt in allen Ländern Europas wieder die Sommerzeit. Auch die Europäische Union diskutiert die Abschaffung der Zeitumstellung in den kommenden Jahren.
Ein Viertel der Befragten gibt an, schon einmal Probleme im Zuge der Zeitumstellung gehabt zu haben. Dabei fühlten sich die meisten von ihnen (71 Prozent) schlapp und müde. An zweiter Stelle kommen mit 63 Prozent Einschlafprobleme und Schlafstörungen, unter denen Frauen besonders häufig leiden: 70 Prozent der weiblichen Befragten geben das an, im Vergleich zu 53 Prozent der Männer. 36 Prozent konnten sich durch den Dreh an der Uhr schlechter konzentrieren, ein Drittel (32 Prozent) fühlte sich gereizt. Zehn Prozent gaben an, unter depressiven Verstimmungen gelitten zu haben.
Die EU-Kommission löste mit einem Vorschlag für veränderte Schulbeginnzeiten im Falle der Abschaffung der Zeitumstellung schon jetzt einige Aufregung aus. "Das ist ein völlig unsinniger Vorschlag. Er ist im Alltag überhaupt nicht praktikabel", sagte der Präsident des Deutschen Lehrerverbands, Heinz-Peter Meidinger, den Zeitungen der Funke-Gruppe. "Für berufstätige Eltern würde es schwer, weil Schulbeginn und Berufsbeginn zeitlich nicht mehr zusammen passen würden. Das stürzt die Familienlogistik am Morgen ins Chaos."
Die EU-Kommission hatte im vergangenen Jahr vorgeschlagen, die halbjährliche Zeitumstellung abzuschaffen. EU-Staaten sollten selbst entscheiden können, ob sie dauerhaft Sommer- oder Winterzeit haben wollen. Die Brüsseler Behörde gehe davon aus, dass Fußgänger und Radfahrer im Straßenverkehr während dunkler Morgen- beziehungsweise Abendstunden stärker gefährdet seien, schrieb EU-Verkehrskommissarin Violeta Bulc nun in einer Antwort auf eine Anfrage eines EU-Parlamentariers, die der Deutschen Presse-Agentur vorlag.
Auf nationaler Ebene seien verschiedene Maßnahmen denkbar, um das Risiko im Straßenverkehr während dunkler Stunden zu reduzieren, schrieb Bulc weiter. Dazu zähle die Anpassung der Anfangs- und Endzeiten der Schulaktivitäten. Kinder könnten außerdem dazu angehalten werden, mehr Lichtreflektoren zu nutzen.
An diesem Dienstag stimmen sich die Abgeordneten des EU-Parlaments auf eine gemeinsame Linie für die anstehenden Verhandlungen mit den Mitgliedstaaten ab. Damit die Suche nach einem Kompromiss beginnen kann, müssen sich aber auch die EU-Verkehrsminister noch auf einen Standpunkt einigen. Zuletzt hatten sie ein Ende der Zeitumstellung bereits im Jahr 2019 - wie von der EU-Kommission vorgeschlagen - abgelehnt und mehr Zeit gefordert.
Im zuständigen Verkehrsausschuss des EU-Parlaments ist man ebenfalls für einen weniger ambitionierten Zeitplan und fordert die Abschaffung des halbjährlichen Drehens an der Uhr ab dem Jahr 2021. Daneben schlägt der Ausschuss einen "Koordinierungsmechanismus" vor, in dem Vertreter von Kommission und Mitgliedstaaten sitzen sollen. Er soll einen Flickenteppich verschiedener Regelungen vermeiden.
Wie sich das gesamte Parlament positioniert, bleibt abzuwarten. In einigen Ländern gibt es Vorbehalte gegen die Abschaffung der Zeitumstellung. Dennoch scheint grünes Licht aus Straßburg wahrscheinlich. Mit einer endgültigen Einigung zwischen Parlament und Mitgliedstaaten wird dann nicht vor Herbst 2019 gerechnet.
Die Debatte um ein mögliches Ende der Zeitumstellung hatte im vergangenen Sommer die EU-Kommission angestoßen. Sie schlug ein Ende des Hin und Hers schon für 2019 vor - und reagierte damit auch auf eine EU-weite Umfrage mit enormer Beteiligung. Darin sprachen sich 84 Prozent der 4,6 Millionen Teilnehmer für die Abschaffung der Zeitumstellung aus. Allein rund 3 Millionen der Befragten kamen aus Deutschland.