Vor allem die Po-Ebene leidet seit vielen Monaten stark unter Wetterextremen. Im vergangenen Jahr erlebte Norditalien die schlimmste Dürre seit siebzig Jahren mit Milliardenschäden in der Landwirtschaft. Auch im Winter fiel kaum Niederschlag, und so herrschte noch vor wenigen Wochen Alarmstufe rot: Die Pegelstände des Po und wichtiger Wasserspeicher wie Gardasee oder Lago Maggiore lagen noch tiefer als im Jahr zuvor während der Rekorddürre.
Anfang Mai wurde dann die Emilia-Romagna ein erstes Mal von Starkregen betroffen; in Faenza fielen in wenigen Tagen 240 Liter Regen pro Quadratmeter. Die Stadt stand schon damals unter Wasser und ist auch heute wieder einer der am stärksten von den Überschwemmungen betroffenen Orte.
Das Problem des Wasserdefizits bleibt
Wer nun aber glaubt, mit den beiden Starkregen-Ereignissen habe sich wenigstens das Problem des Wasserdefizits erledigt, irrt. Der Klimatologe und Direktor des Wetterportals ItaliaMeteo, Carlo Cacciamani, betont, dass der größte Teil des gefallenen Regens oberflächlich abgeflossen sei: Beim ersten Unwetter von Anfang Mai seien die Böden zu ausgetrocknet und damit zu hart gewesen, um das viele Wasser aufzunehmen, und beim derzeitigen Starkregen seien sie inzwischen zu gesättigt mit Wasser.
Der nasse Mai verschaffe in den direkt betroffenen Gebieten bezüglich des Wasserdefizits zwar durchaus Linderung. „Der Po führt in der Emilia-Romagna nun wieder mehr Wasser - aber damit er seinen normalen Pegel erreicht, müsste es noch wochenlang weiter regnen“, betont Cacciamani
Viele Menschen wurden rechtzeitig evakuiert
Und vor allem müsste auch in der oberen Po-Ebene, im Piemont und in der Lombardei, deutlich mehr Niederschlag fallen. In diesen beiden Regionen, die im letzten Jahr ebenfalls stark von der Dürre betroffen waren, fiel in den letzten Tagen und Wochen deutlich weniger Regen als in der Emilia-Romagna und an der Adria - entsprechend groß ist das Wasserdefizit geblieben.
Einen - wenn auch schwachen - Trost sieht Cacciamani darin, dass die Klimamodelle und auch die kurzfristigen Wetterprognosen immer präziser werden: „Wir konnten die Bewegung des Tiefdruckwirbels über der Po-Ebene und der Adria sehr exakt voraussagen, was es den Behörden ermöglicht hat, die Bevölkerung rechtzeitig zu warnen und wo nötig vorsorglich zu evakuieren“, betont Cacciamani. Dies habe Schlimmeres verhindert. „Aber mit einer Atmosphäre voller Wasser und voller Energie in Kombination mit versiegelten Böden werden wir leider immer wieder solche Tragödien erleben, wie sie gerade jetzt stattfindet.“