Überlebenstrainer Peter Wörner im Interview "Nicht mal die Hälfte überlebt"

 Foto: red

Dauerhafter Stromausfall - die Sicherungssysteme fallen aus. Ein Alptraum. Aber wie stünden unsere Chancen im Katastrophenfall wirklich? Survival-Experte Peter Wörner ist skeptisch.

 
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Herr Wörner, sind wir für den Ernstfall vorbereitet?
Wörner: Nicht mal ansatzweise. Der Staat hat in den 90er Jahren in dieser Richtung ziemlich alles abgebaut. Es fehlt nicht nur an Infrastruktur, sondern auch an Wissen. Wenn ein Katastrophenzustand – sagen wir, eine Pandemie – mehrere Monate anhält, kommt nicht mal die Hälfte der Bevölkerung durch. Möglicherweise nicht mal ein Drittel.

Sie sind ziemlich pessimistisch.
Wörner: Was das angeht - schon. Die meisten von uns wüssten doch gar nicht, wo sie etwas zu essen herbekommen sollten, wenn die Supermärkte mal leer wären. Oder wie man Straßenkarten liest. Wie man im Freien übernachtet. Die meisten Städter haben ja nicht mal einen outdoortauglichen Schuh!

Okay, spielen wir es mal durch: In Deutschland ist eine tödliche Seuche ausgebrochen, sie breitet sich rasend schnell aus. Ich will fliehen. Was nehme ich mit?
Peter Wörner: Optimal wäre, wenn Sie schon einen Fluchtrucksack vorbereitet hätten. Mit einem Schlafsack, Wasserflaschen, etwas Nahrung und einem Wasserfilter. Nützlich wäre außerdem Werkzeug – ein Messer, eine Säge. Der Rucksack sollte aber nicht mehr als zehn Kilo wiegen, damit Sie auch weite Strecken damit laufen können.

Peter Wörner, 46, ist Ex-Falschirmjäger und ausgebildeter Einzelkämpfer. Seit sechs Jahren unterrichtet er in Seminaren Überlebenstechniken für den Katastrophenfall. "Die Nachfrage steigt stetig", sagt er. Mehr Infos: abenteuer-ueberleben.com.

 

 

Wo sollte ich Schutz suchen?
Wörner: Das hängt von der Situation ab. Nach einem Atomunfall müssen Sie davon ausgehen, dass die Umgebung verstrahlt ist. Dann sollten Sie fürs Erste in einem Haus bleiben. In anderen Situationen - zum Beispiel bei einer Seuche - kann es aber sinnvoll sein, die Stadt zu verlassen. Oder, wenn mit Plünderungen und Gewaltausbrüchen zu rechnen ist.

... dann flüchte ich in die Wildnis?
Wörner: Viele denken so - in den Wald, in die Berge. Aber das könnte fatal sein. Denn dasselbe versuchen Tausende andere auch. Und viele von denen sind schneller. Die Hütte, die Sie sich ausgesucht haben, ist womöglich schon besetzt. Was tun Sie dann? In solchen Situationen kann es schnell gefährlich werden.

Wozu raten Sie?
Wörner: Einen sicheren, möglichst exklusiven Ort aufsuchen – vielleicht Verwandte auf dem Land. Im Zweifelsfall ist es aber doch am besten, erstmal dort zu bleiben, wo man ist. Sich einzurichten. Dazu gehört, dass ausreichend Vorräte vorhanden sind, vor allem Wasser und Nahrung. Außerdem sollte die eigene Wohnung gegen Eindringlinge abgesichert werden.

Was heißt das?
Wörner: In meinen Urban-Survival-Seminaren bringe ich den Leuten unter anderem bei, Stacheldraht richtig zu verwenden. Damit lässt sich ein Balkon gegen Eindringlinge abschotten - aber auch das Treppenhaus. Das ist wichtig.

Was sollte jemand in meiner Wohnung suchen?
Wörner: Lebensmittel. Wasser. Medikamente. Werkzeug. Alles, was man gegen Essen und so weiter tauschen kann. Aus diesem Grund lebe ich nicht mehr in einem Ballungsraum. Ich möchte nicht erleben, wie sich Nachbarn wegen einer Dose Ravioli den Kopf einschlagen. Früher oder später, fürchte ich, wird es aber dazu kommen.

Warum sind Sie so sicher?
Wörner: Unsere Zivilisation ist fragil. Wir sind extrem abhängig von der öffentlichen Infrastruktur: Von der ständigen Verfügbarkeit von Strom, Wasser, Lebensmitteln, Medikamenten, Gas und Öl. Wir sind abhängig vom Staat, der die Ordnung aufrechterhält und von einem Wirtschaftssystem, das diese Ordnung stützt. Aber all das ist extrem empfindlich. Es kann jederzeit zu einem flächendeckenden Stromausfall kommen. Eine Seuche kann ausbrechen, irgendwo auf der Welt, und binnen Stunden zur globalen Pandemie werden. Es kann wieder zu Kriegen kommen, auch in Europa. Oder das Wirtschaftssystem bricht zusammen. Wir wiegen uns in einer trügerischen Sicherheit. Die Frage ist nicht, ob es zur Katastrophe kommt – sondern wann.

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Waren die Menschen denn früher besser auf Katastrophen vorbereitet?
Wörner: Ich glaube schon. Meine Eltern und Großeltern haben noch Vorräte angelegt. Die hätten wochen-, vielleicht sogar monatelang ausgehalten. Da müssen wir wieder hin. Wir müssen Lebensmittel und Wasser bevorraten. Das wird ja auch von der Regierung gefordert …

… macht aber keiner.
Wörner: Weil niemand sich vorstellen kann, dass es mal zum Ernstfall kommt. Dass die Supermarktregale leerbleiben, die Autobahnen blockiert sind und die öffentlichen Einrichtungen zusammenbrechen. Die wenigsten halten so etwas auch nur entfernt für möglich. Vor ein paar Jahren habe ich in einer Straße gewohnt, in der es jede Menge junge Familien gab. Da habe ich vorgeschlagen, dass wir für alle einen Ersthilfe-Kurs durchführen, speziell mit Blick auf Kinder. Was glauben Sie, wie viele Leute mitmachen wollten?

… ein Drittel?
Wörner: Null. Keiner. Die haben mir gesagt: Wenn was ist, kommt doch in zehn, 15 Minuten ein Rettungswagen. Da brauchen wir doch keinen Kurs. Und dies wird sich noch bitter rächen.

Das Gespräch führte Christophe Braun.

(Erstveröffentlicht 2015)

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