Nach dem Tod des ersten Stiers durch den im grünen Glitzeranzug gekleideten Star-Matador Morante de la Puebla (39), der mit seinem Degen fünf Versuche benötigte, lief ein Flitzer aus Protest in die Arena. "Corridas never again", war auf seiner nackten Brust in schwarzen Lettern zu lesen. Unter Schimpfkanonaden der Fans wurde der junge Mann aber sehr schnell von Ordnern wieder hinausgezerrt.
Die Rückkehr der Toreros auf die Insel war vom Verfassungsgericht vor einigen Monaten ermöglicht worden. Ende 2018 kippten die Richter in Madrid in Teilen ein balearisches Gesetz aus dem Jahr 2017, das die linke Regionalregierung durchgebracht hatte und das unter anderem die Verletzung oder Tötung der Stiere untersagte.
Dieses Verbot wurde wieder aufgehoben. Die Begründung der Richter: Da der Stierkampf 2013 zum nationalen Kulturgut erklärt worden sei, könne nur der Zentralstaat über solche Verbote entscheiden. Die Regionen dürfen demnach nicht eigenmächtig solche Beschlüsse fassen. Der Tod des Stiers am Ende des Kampfes sei unabänderlicher Bestandteil des Spektakels, so die Richter. "Ich lebe 26 Jahre auf Mallorca und weiß, dass wir in Madrid protestieren müssten, das Verfassungsgericht ist schuld", wurde ein deutscher Protestler namens Gernot Hackl von der Zeitung "Ultima Hora" zitiert.
Einige der Beschlüsse von 2017 gelten auf Mallorca aber weiterhin. Zum Beispiel durften Minderjährige am Freitag nicht in die Arena. Es galt auch ein Alkoholverbot. Und die Stiere müssen vor ihrem Einsatz per Blutprobe auf Doping- und Beruhigungsmittel untersucht werden. Die Polizei werde über die Einhaltung dieser und anderer Vorschriften wachen, teilte die Stadtverwaltung am Donnerstag mit.
Unter den Zuschauern, die am Freitag den Auftritt der vier Star-Toreros um Morante de la Puebla und Julián López Escobar, genannt "El Juli", auf keinen Fall verpassen wollten, waren auch viele in Spanien bekannte Politiker der konservativen Volkspartei (PP). Wie zum Beispiel der Parlamentsabgeordnete Adolfo Suárez Illana, ein Sohn des früheren Ministerpräsidenten Adolfo Suárez González.
Die PP des damaligen Ministerpräsidenten Mariano Rajoy war es auch gewesen, die die Richter in dieser Sache angerufen und gefordert hatte, dass das Tötungsverbot wieder aufgehoben wird.
Mit Mallorca fiel eine der letzten stierkampffreien Bastionen Spaniens. Schon 2016 hatte die Justiz ein in Katalonien seit 2010 geltendes Stierkampfverbot gekippt. Die Kanaren sind die einzige Region, in der noch eine Art Stierkampfverbot gilt. Auf den Atlantikinseln gibt es aber auch keine Tradition des Spektakels, kein Interesse. Die letzte Corrida fand dort 1984 statt.
Der Stierkampf ist in Spanien ein großes Geschäft. Allein die mehr als tausend Zuchtbetriebe mit rund 70.000 Mitarbeitern erwirtschaften jährlich rund 1,5 Milliarden Euro. Das Spektakel ist aber im ganzen Land zunehmend umstritten. Vor allem unter den Jüngeren verliert er immer mehr an Attraktivität.
Nach einer Umfrage des Onlinemagazins "El Español" von Januar sind inzwischen rund 56 Prozent der Spanier gegen das aus dem Mittelalter stammende Brauchtum. Voriges Jahr forderten bei einer Demo in Madrid 40.000 ein landesweites Verbot. Die Zuschauerzahlen sind stark rückläufig, 2018 ging die Zahl der Stierkämpfe im Vergleich zum Rekordjahr 2007 um rund 60 Prozent auf 369 zurück. Viele Arenen wurden deshalb in den vergangenen Jahren geschlossen oder wurden, wie in Barcelona, zu Einkaufszentren umfunktioniert.
Die Verfechter der "Tauromaquia" denken aber nicht daran, das Handtuch zu werfen. Einige fordern sogar, den Stierkampf in Spanien zum Schulfach zu machen. "So kann man dem großen Problem des Generationenwechsels begegnen", sagte vor einiger Zeit der angesehene Universitätsprofessor und Jurist Javier López-Galiacho.