Tröstauer Organistin Ein Leben im Zeichen der Musik

Auf die Organistin Ute Jahreiß kann sich Pfarrer Hans-Hermann Münch bei vielen kirchlichen Anlässen in Tröstau stets verlassen. Auch Vereine wissen die Musikerin zu schätzen. Foto: Christian Schilling

Die Tröstauerin Ute Jahreiß spielt seit über 30 Jahren die Kirchenorgel in ihrer Heimatgemeinde. Mit dem Akkordeon ist sie aber auch ehrenamtlich bei vielen Vereinen und Veranstaltungen unterwegs.

 
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Im Leben von Ute Jahreiß dreht sich fast alles um Musik. Seit über 30 Jahren bedient sie in der evangelischen Kirchengemeinde Tröstau in der Christuskirche in Tröstau die Orgel. Und auch auf vielen Feiern von Vereinen ist sie als Musikerin kaum aus der Gemeinde wegzudenken. Dabei nimmt die 55-Jährige ihr Publikum allerdings anders war, denn sie ist blind.

Bereits im Alter von fünf Jahren hat Ute Jahreiß die Liebe zur Musik entdeckt. Damals nahm sie ihr Vater mit in die Kirche und sie war von Anfang an begeistert vom Klang der Orgel. Der damalige Kantor hat sich viel Zeit genommen, um der kleinen Ute die Orgel zu erklären. So viel Zeit, dass ihr Vater Befürchtungen wegen des Aufwands, den der Kantor wegen Ute machte, hatte. „Sie müssen doch zum Mittagessen“, habe ihr Vater gesagt, erinnert sich Ute Jahreiß. Doch der Kirchenmusiker ließ das wohlverdiente Essen auf sich warten, um Ute die Funktionen der Orgel noch genauer zu erklären.

Schule für Blinde

Weiter mit der musikalischen Ausbildung von Ute Jahreiß ging es in der Bayerischen Landesschule für Blinde in München, die sie als Kind besuchte. Dort lernte sie neben Rhythmik auch Klavier und nahm Orgelunterricht. Den vertiefte sie in den Jahren 1993 bis 1995 beim damaligen Wunsiedler Kantor Hermann Bohrer und schärfte ihre Virtuosität an dem Tasteninstrument.

Nur kurze Zeit später sprach sie die damalige Hauptorganistin der evangelischen Kirchengemeinde Tröstau, Erika Nittke, an. Die wünschte sich nämlich eine Vertretung – und die Entlastung übernahm Ute Jahreiß gerne. Dazu legte sie die B-Prüfung für den Organistendienst ab. Im Jahr 2002 bestand sie die theoretische Prüfung, ein Jahr darauf auch den praktischen Teil.

Damit aber noch nicht genug der Ausbildung. Von 2005 bis 2007 besuchte Ute Jahreiß das Bildungszentrum für Blinde und Sehbehinderte (BBS) in Nürnberg. „Im BBS in Nürnberg habe ich die Blindennotenschrift gelernt“, erzählt die 55-Jährige nicht ohne Stolz. In ihrem Streben, sich stets weiterzubilden, erhielt Ute Jahreiß immer die Unterstützung der Eltern. Im ersten Jahr im BBS fuhren die Eltern jeweils montags nach Nürnberg und holten sie freitags wieder ab. Die Woche über verbrachte sie die schulfreie Zeit und die Nächte bei einer Gastfamilie. Im zweiten Jahr ihrer Ausbildung bezog sie eine eigene Wohnung des Blindenbundes.

Keine Hilfe bei Proben

Im Jahr 2018 wurde die damalige Hauptorganistin Erika Nittke dann in den wohlverdienten Ruhestand verabschiedet und Ute Jahreiß übernahm. „Momentan haben wir mit Ute und Sebastian Greim sogar zwei Hauptorganisten“, freut sich Pfarrer Hans-Hermann Münch. Ute Jahreiß spiele die Orgel derzeit hauptsächlich bei Hochzeiten, Taufen und Beerdigungen. Und die so angesprochene ergänzt weitere Veranstaltungen. So gestalte sie musikalisch die Schulschluss- und -anfangsgottesdienste der Kösseine-Schule Tröstau-Nagel, unterstütze die Schüler auch bei den Krippenspielen und sitze einmal pro Monat sowohl in Bad Alexandersbad im Altenheim sowie in Wunsiedel im Haus St. Elisabeth an der Orgel.

Die Auswahl der Lieder zu den jeweiligen Gottesdiensten liefert nach eigener Aussage Pfarrer Münch. Bei den Proben könne er Ute nicht helfen, da er selbst weder Klavier noch Orgel spiele. Aber die meisten der Kirchenlieder beherrscht Ute Jahreiß freilich aus dem Effeff. „Bei unbekannten Liedern wende ich mich an den Wunsiedler Kirchenmusikdirektor Reinhold Schelter“, sagt Jahreiß. Ohne Fleiß kein Preis und so probt die Musikerin meist zweimal in der Woche. „Wenn mehr ansteht, auch drei- oder viermal“, sagt die Musikerin.

Glücksfall für Vereine

Doch Klavier und Orgel sind beileibe nicht die einzigen Instrumente, die Ute Jahreiß beherrscht. Auch an der Trompete, an Wald- und Tenorhorn sowie an der Konzertina ist die Musikerin versiert. Ihr Steckenpferd ist und bleibt aber das Akkordeon. Das Spielen hat sie sich nach eigener Aussage bereits als Kind selbst beigebracht. Ein Glücksfall für die Tröstauer Vereine, denn Ute Jahreiß ist ehrenamtlich auch stets bei den Weihnachtsfeiern des VdK Tröstau mit von der Partie, ebenso bei mancher Feier des FGV Tröstau. Jahrelang unterhielt sie auch bei den Treffen des Behindertenclubs Wunsiedel ihre Zuhörer, der existiert allerdings bereits seit Jahren nicht mehr. Gut erinnert sie sich auch noch an die Teilnahme mit ihrer „Quetschen“ am Arzberger Bergkristall in den 1990er-Jahren. Schließlich fällt Ute Jahreiß noch etwas ein: „Seit 23 Jahren singe ich auch im ATG-Chor unter der Leitung von Elke Hofmann.“

Kein Wunder, dass auch privat die Musik im Mittelpunkt der 55-Jährigen steht: ob Klassik oder Volksmusik, Oldies der 30er-Jahre oder Operetten. Und so lässt sich auch ihr Lebensmotto erklären: „Was keiner wagt“, eine Ballade des Liedermachers Konstantin Wecker nach dem Gedicht des Theologen Lothar Zenetti. Wecker fordert nämlich in dem Lied dazu auf, selbstständig zu denken, neue Wege zu gehen und Offensichtliches zu hinterfragen.

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