Es geht im Moment vielleicht weniger um das, was Tuchel täglich auf dem Trainingsplatz macht, sondern vielmehr um das, was er sagt. Als er nach der 0:3-Niederlage gegen Leipzig im Supercup am vergangenen Samstag in die Mikrofone knurrte, dass die Leistung „unerklärlich“ sei, beging er den Kapitalfehler eines Trainers. Denn öffentlich Ratlosigkeit einzugestehen, kann der Anfang vom Ende sein.
Gut, Tuchel stand kurz nach dem Schlusspfiff wohl noch zu sehr unter dem Eindruck des missratenen Spiels, etwas später in der Pressekonferenz war er nicht weniger konsterniert, vermied es aber, noch einmal zu sagen, dass er nicht wisse, woran es gelegen habe. „Die Kritik war berechtigt“, gab er mit etwas Abstand am Donnerstag zu. „Ich dachte, wir sind schon einen Schritt weiter“, aber „wir haben noch nicht den richtigen Schlüssel gefunden, um das Schloss zu knacken.“
Kein Trainer hat bei den Transfers so viel Mitspracherecht wie Tuchel
Der FC Bayern des Sommers 2023 ist sicher schon eine Tuchel-Mannschaft, aber nicht so, wie er sich das vorgestellt hat. Als erster Trainer ist er ganz offiziell in die Transferpolitik dieses Sommers eingebunden, hinterlegte nicht nur Wünsche wie sonst bei Bayern üblich, sondern gehört zum siebenköpfigen Ausschuss Sport, der sich mit Kaderplanung beschäftigt. So viel Mitspracherecht hatte ein Trainer noch nie beim FC Bayern und vermutlich wird so viel Mitspracherecht auch nie wieder einer haben.
Allerdings scheint es in diesem Gremien unterschiedliche Präferenzen gegeben zu haben oder nicht immer zu geben. Man habe, monierte Tuchel am Rande der Asientour vor ein paar Wochen, „keine holding six“, keinen Mittelfeldspieler also, der sich als Absicherung versteht und defensiv agiert, anders als Joshua Kimmich, Konrad Laimer oder auch Leon Goretzka, die allesamt offensiv denken.
Tuchel muss aus den Stars und Sternchen eine Mannschaft bilden
Uli Hoeneß, der nach den Turbulenzen am Ende der vergangenen Saison wieder näher – oder besser: noch näher – an seine Bayern herangerückt ist und ebenfalls der Transfer-Taskforce angehört, sieht das anders. Die Frage nach einer Sechs stelle sich für ihn gar nicht, erklärte er. „Weil Laimer ein Transfer ist, an dem wir sehr viel Spaß haben werden.“ Tuchel ist von dem Österreicher zwar überzeugt, wird ihn wohl gegen Bremen von Anfang an bringen, aber ob er ihn geholt hätte, ist fraglich. Den Transfer von Laimer hatte noch Ex-Coach Julian Nagelsmann eingefädelt.
Tuchel weiß, dass es mit neuem Personal alleine nicht getan ist. Es geht auch darum, aus all den Stars und Sternchens, aus den Chefs und Chefchens ein Team mit einer klaren Hierarchie zu bilden. Und beim FC Bayern geht es in diesem Moment auch noch darum, die misslungene Schlussphase der vergangenen Saison aus den Köpfen zu bekommen. Aus denen der Spieler und des Trainers.