Spenden aus der Region Thiersheimer hilft Kriegsopfern

Ganze Menschenmassen wollen das Land verlassen. Foto: Denis Beck

Die Solidarität für die Menschen aus der Ukraine ist gewaltig. Unternehmer Denis Beck organisiert ein Hilfsprojekt. Er ist dafür bis in die Ukraine gefahren. Auf dem Rückweg hat er zwei Frauen und ein Kinde gerettet.

 
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„Der Stau, wenn man aus der Ukraine rausfahren will, ist 30 bis 40 Kilometer lang“, berichtet Denis Beck, Inhaber der Firma „Geasus“ in Thiersheim. Er hat mehrere Hilfstransporte organisiert (wir berichteten). Bei zwei Transporten war er selbst dabei. Seine bewegenden Erfahrungen hat der Katastrophenschutzbeauftragte am Freitag der Frankenpost geschildert.

Der erste Hilfstransport sollte laut dem Unternehmer ursprünglich verschiedene Sachspenden wie Medikamente, Lebensmittel und Kleidung in die ukrainische Stadt Lemberg bringen. Zusätzlich rettete Denis Beck jedoch auch zwei ukrainische Frauen und einen achtjährigen Jungen. Wegen Becks Einsatzes stand seine Firma „Geasus“ knapp zwei Wochen lang still.

Fahrt in die Ukraine

„Am Freitag, den 4. März sind wir um 20 Uhr zum ersten Mal hier in Thiersheim losgefahren. Hinter Hof haben wir uns auf einem Rastplatz mit den Lastwagenfahrern der Firma Scherdel getroffen.“ Schon der Hinweg war für Denis Beck und die anderen Fahrer des Hilfstransports abenteuerlich: „Der polnisch-ukrainische Grenzübergang, zu dem wir wollten, liegt nicht an der Zentralautobahn. Er ist deswegen weniger besucht. Allerdings mussten wir aus diesem Grund in Polen über Straßen fahren, die nicht einmal ein Bauer hier als Feldweg bezeichnen würde. Die Schlaglöcher waren so tief wie ein halber Reifen.“ Mit zwei großen Lastwagen, einem kleineren Laster und zwei Sprintern wollte der Hilfstrupp am darauffolgenden Samstag um 11 Uhr am Grenzübergang zwischen Polen und der Ukraine sein. Die Ankunft verzögerte sich laut Denis Beck um einige Stunden. „Durch die Verspätung war unser Konvoi schon fort. Wir mussten nach Ankunft an der Grenze noch bis 18 Uhr warten, um in die Ukraine zu kommen.“ Was den Hilfstrupp anschließend erwartete, war sogar für den mit Katastrophen vertrauten Denis Beck erschreckend:

Hinter der Grenze stauen sich die Autos

„Hinter der Grenze sahen wir auf der gegnerischen Fahrbahn einen 20 bis 30 Kilometer langen Stau in Richtung Polen. Während der Fahrt habe ich mit dem Handy ein 18-minütiges Video davon gemacht. Es ist erschreckend, wie viele Menschen über die Grenze wollen. Man sieht nur Fahrzeuge an den Seiten stehen; Menschen mit Taschen und Koffern, die darauf warten, in ein Fahrzeug einzusteigen, oder zu Fuß zur Grenze laufen.“ Sie nutzen jede Möglichkeit, um zu flüchten: „Es ist überwältigend wenn man sieht, dass ganz normale Ladesprinter, ohne Sitzplätze, hinten mit kleinen Kindern vollgepackt werden und an der Grenze stehen. Die Eltern geben ihre Kinder einfach ab – in der Hoffnung, dass sie schneller über die Grenze kommen, weil sie selber im Stau stehen. Diese Flut aus Flüchtlingen ist für die Grenzbeamten kaum zu bewältigen.“ In der Ukraine selbst war der Unternehmer auf alles gefasst. Doch abgesehen von den vielen Checkpoints der ukrainischen Armee, wirkt es in diesem Teil des Landes noch friedlich, so Beck. „Von den Russen hat man nichts gemerkt. Nur manchmal waren Zivilisten mit Händen über dem Kopf am Boden gelegen. Das Militär dachte anscheinend, dass sie Saboteure sind.“

Gegen 19 Uhr konnten Denis Beck und die anderen Helfer ihre fünf Fahrzeuge in Lemberg entladen. Allerdings hatten sie laut Beck keine Chance, noch am selben Tag zurück zu fahren. „Wir haben in einem Krankenhaus, dessen Umbau wegen des Kriegs gestoppt wurde, übernachtet.“

Er beschreibt die Nacht folgendermaßen: „Wir haben teilweise auf dem Boden, auf Isomatten, geschlafen. Ich lag auf einer Krankenliege. Vor Ort gab es glücklicherweise einen Hausmeister und andere Leute, die sich sehr rührend um uns gekümmert haben.“ Die Fahrzeuge seien währenddessen auf einem kameraüberwachten Parkplatz gestanden.

Am Rückweg rettet Denis Beck zwei Frauen und ein Kind

Am darauffolgenden Sonntagmorgen, um 7.30 Uhr machte sich die Hilfsgruppe wieder auf den Rückweg. „Dank einer Sondergenehmigung durften wir als Hilfstransport schneller rein und raus. Ohne dieses offizielle ukrainische Dokument wäre es schwieriger gewesen. Manche warten fünf Tage im Stau. Das muss man erst einmal überleben – ohne Essen und Trinken“, schildert Beck. Für ihn war es von vornherein klar, dass er am Rückweg zwei Frauen und ein Kind aus Kiew mitnehmen werde. „Eine Frau habe ich in Lemberg eingesammelt, die andere Frau und ihren Sohn kurz vor der Grenze. Jede Frau hatte einen kleinen Handgepäckskoffer mit dem Nötigsten dabei.“ Von der Müdigkeit und vom allgemeinen Erscheinungsbild her habe man gesehen, dass sie länger auf der Flucht gewesen sind.

Während der 17-stündigen Rückfahrt hat die Mutter erzählt, wie schlimm der Krieg für sie und ihre Familie ist: „Sie musste den Vater ihres Kindes zurücklassen, weil er kämpfen muss. Der Großvater weigert sich, das Land zu verlassen, obwohl er raus kommen würde“, berichtet der Unternehmer.

Auf ihrer Flucht haben beide Frauen und das Kind viele traumatisierende Erfahrungen gemacht: „Alte Frauen wurden mit Gewalt in Züge reingedrückt. Sie konnten in den Abteilen kaum stehen, geschweige denn sitzen. Auf der Flucht sind sie vielen schwer verletzten Menschen begegnet; sie haben Checkpoints – ganze Sandsackburgen – gesehen; Männer mit großen Waffen“, berichtet Denis Beck. Gewisse Momente in der Unterhaltung seien sehr emotional gewesen.

Über 17 Stunden Autofahrt

Trotz der bestürzenden Erlebnisse bleibt der Initiator der Aktion „Unternehmerhilfe für Ukrainer“ stark: „Durch mein Ehrenamt bei der Feuerwehr bin ich abgeschreckt. Ich lasse die Sachen nicht mehr so stark an mich ran.“ Trotzdem betont der Unternehmer, dass er ein großes Herz und Mitgefühl habe. Das zeigen auch seine Anstrengungen, die er für die Ukrainerinnen und das Kind in Kauf nimmt:

Die eine Frau hat der Unternehmer am Rückweg in einer polnischen Stadt abgesetzt, wo ihr Freund auf sie gewartet hat. „Die andere Frau und ihren achtjährigen Sohn habe ich mit zu mir nach Thiersheim genommen. Dort konnten die beiden sich beruhigen. Sie waren schließlich eine Woche lang unterwegs.“

Die Rückfahrt war für Denis Beck sehr kräftezehrend: „Wenn man zwei Mal 17 Stunden fährt, funktioniert man nur noch wie ein Automat.“

Mutter und Kind wollen nach Bordeaux

Am Folgetag, dem Montag, kam er um drei Uhr morgens Zuhause an. Eine Stunde später, um vier Uhr, ging es laut Beck für den Hilfstransport der Firma „Scherdel“ schon wieder los.

Beck erklärt, was man bei so einer Aktion beachten muss: „Wenn man so was macht, braucht man die richtigen Kontakte und einen Plan. Leute an der Grenze abholen oder Unterbringung bereit stellen kann jeder. Reinfahren sollte man allerdings nur, wenn man eine Begleitung, einen Dolmetscher und Koordinatoren vor Ort hat. Alles andere wäre fahrlässig.“

Da die geflüchtete Frau und ihr Kind Kontakte in der französischen Stadt Bordeaux haben, wollten die beiden natürlich weiter, so Beck. „Nach zwei Tagen Erholung habe ich sie zum Bahnhof ,Meuse TGV’ gefahren. Sie wollten, dass ich sie fahre, um sicher dort anzukommen.“ Der Bahnhof liegt im Osten Frankreichs, anderthalb Stunden von Luxemburg entfernt. „Bei der Verabschiedung habe ich ihnen den Engel geschenkt, den mir der Thiersheimer Bürgermeister Werner Frohmader vor der Fahrt in die Ukraine übergeben hat. Sie brauchen mehr Glück als ich.“ Nach der Ankunft in Bourdeaux habe die Mutter ihm geschrieben. Die beiden sind immer noch in Kontakt.

Danksagung

Um eine Hilfsaktion in so großem Ausmaß überhaupt zu ermöglichen, braucht es viele Helfer. Denis Beck und Bürgermeister Werner Frohmader wollen sich deshalb bei allen Beteiligten aus der Region bedanken. Extra erwähnen will Denis Beck folgende Firmen: Packwell, Scherdel, Norpack, Rapa , Roth, Purus Plastics, ProComp, Allround Team Marktleuthen, den Landwirtschaftsbetrieb Härtel, Bioladen „Kraut und Rüben“, Cube und bei der Marien Apotheke Marktredwitz. Auch ohne die Unterstützung des TSV Thiersheim, dem Bauhof Thiersheim, die Feuerwehren, die „Pizzeria da Laura“ und die ganzen privaten Helfer wäre die Aktion nicht möglich gewesen.

„Trotz unserer ganzen Vergangenheit finde ich es unfassbar dass man heute im 21. Jahrhundert so einen Krieg anzetteln kann. Deswegen ist es wichtig, dass wir als Europäer zusammenhalten“, sagt der Bürgermeister. Er ist auch über die große Hilfsbereitschaft erstaunt: „Neben uns in Thiersheim, kommen landkreisweit und darüber hinaus verschiedene Menschen, die unser Hilfsprojekt unterstützen. Es ist wirklich eine Hilfe des ganzen Landkreises.“

Um sich bei allen Beteiligten zu bedanken, ist auch ein Helferfest geplant. Das erwähnt Bürgermeister Frohmarder beiläufig.

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