Therapeutinnen malen mit Flüchtlingen Das malen Flüchtlingskinder

Von Katharina Wojczenko

Jeden Samstagmorgen kommen Ergotherapeutin Silvia Ende und ihre Kolleginnen in die Gemeinschaftsunterkunft in der Wilhelm-Busch-Straße. Was sie in der Küche mit den Flüchtlingskindern machen, ist mehr als ein Malkurs.

 
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Heute haben sie die Geschichte vom Kleinen Prinzen mitgebracht. Ein paar der Kinder haben den Film in Kino gesehen und Silvia Ende gesagt: Das wollen wir malen. „Gibt es in Tschetschenien Füchse?“, fragt Ende sie. „In Syrien? In Aserbaidschan?“ Die meisten Kinder können Ende schon antworten.

Die Ergotherapeutin hat Kunst studiert und eine traumatherapeutische Weiterbildung. Als die ersten Flüchtlingskinder in ihre Praxis kamen, wollte sie mehr tun. Seit Sommer organisiert sie die Kinderkunstwerkstatt in der Flüchtlingsunterkunft.

Wochenlang nur dunkles Chaos und Fetzen

Manche Kinder kommen seit Monaten. Ende hat gesehen, wie sich ihre Bilder verändern. Wie sie immer hellere Farben nehmen. Es hat Wochen gedauert, bis sie das aufs Papier bringen konnte, was wie ein normales Kinderbild ausschaut. Die ersten Bilder sind meist dunkel. Ein Junge malt gerade ein solches, deckt mit breite Pinselstrichen alles zu. Dunkles Chaos. Ein anderer zerfetzte wochenlang alles Gemalte in Schnipsel.

Ebenso Wochen hat es gedauert, bis Ergotherapeutin Ende rote Farbe mitbrachte. Weil sie gemerkt hatte, dass einige Kinder kein Rot sehen konnten. „Sie lernen langsam, dass es auch etwas anderes bedeuten kann.“ Etwas anderes als die offenen Körper und Gedärme, die ein Junge malte. Nach Monaten fing er auf einmal zu sprechen an. „Niemand wusste, dass er Deutsch konnte.“

Die Mädchen ratschen, die Jungs rappen

Ein Mädchen mit rosa Anorak und Wollmütze ist zum ersten Mal da. Es sagt kein Wort, malt an seinem Regenbogen und beobachtet schüchtern, was die anderen tun. Ein Junge rührt mit Motorgeräuschen und kreisender Bewegung mit dem Pinsel auf einer Farbpalette. Ein paar Mädchen haben sich auf die Serienproduktion von bunten Linien verständigt. Und bereden in fast fehlerfreiem Deutsch, was sie später machen wollen. Ein Junge stürmt mit erhobenen Armen zu herein, in der Hand ein Bild und ruft: „Polizei!“. Und dann fängt er an zu rappen. "Nagelneuer Benzer, Arme aus dem Fenster, baller mit der MK 4-8..." Einen Youtube-Hit.

Wenn es zu wild wird, sagt Silvia Ende laut und bestimmt „Stop“. Zum Beispiel als der große Junge, der vor Kraft kaum gehen kann, einen kleineren in den Schwitzkasten nimmt. Der große Junge wird später mit ernster Miene den Müll raustragen.

"Sie sind unsere künftige Gesellschaft"

Die Kinder haben hier nicht nur Spaß und lernen, wie man einen Pinsel auswäscht und Farben mischt.  „Sie sind unsere künftige Gesellschaft", sagt Ende. "Wir bringen ihnen bei, wie man miteinander in Deutschland umgeht.“ Dass man hier keine Kinder schlage und den Müll aufräume. „Es geht um mehr als malen und die Seele heilen", sagt Ende.

Die meisten Eltern kennt sie nicht. Manche sind nicht in der Lage, sich um ihre Kinder zu kümmern, sind depressiv oder tot. Nur Zayna Osmanova ist da. Ihre Tochter Diana (zehn) übersetzt für sie. Wenn ihre drei Ältesten zum Malen gehen, will ihr Jüngster mit. „Sonst weint er daheim.“ Und deshalb steht Osmanova da, den kleinen Bub am Rockzipfel. „Er ist erst zwei, ich kann ihn nicht allein hier lassen.“ Die Mutter freut sich, dass es den Malkurs gibt. „Danach sind die Kinder so fröhlich.“

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