Die geplatzten Illusionen sind auch ein Lehrbeispiel für die Zustände im Sportverbandswesen: Haggerty und seine Parteigänger hatten den unrealistischen Deal wie im Fifa-Sumpf durchgeboxt. Kleine Nationen wurden mit dem erwarteten Dollarregen umworben, über die fehlenden Garantien für den 25-Jahres-Vertrag senkte sich Schweigen. Wie Kosmos und sein Frontmann Piqué die drei Milliarden Dollar im nächsten Vierteljahrhundert aufbringen wollten, war unklar. Hauptsache war: Die Summe stand im Raum, weckte Begehrlichkeiten.
Immer wieder wurde am Modus herumgewerkelt
„Bei den meisten Leuten in der ITF-Spitze war der Verstand komplett ausgeschaltet“, sagt ein Funktionär des französischen Tennisverbandes FFT, der wie der DTB zu den führenden Gegenparteien gehörte. Selbst auf den genialen Vermarkter im Tennisbetrieb, den rumänischen Milliardär Ion Tiriac, wollte ehedem niemand hören, als der große Geldregen am Horizont aufschien: „Das Ganze ist ein tot geborenes Kind“, sagte Tiriac, „so wird der Daviscup kaputtgemacht.“
Immer wieder wurde am Modus herumgewerkelt, vor allem, weil es im ersten Jahr (2019) zu einem Zuschauerfiasko bei der Endrunde in Madrid gekommen war. Nur an den Spielen der Spanier herrschte Interesse. Daraufhin wurde eine Zwischenrunde an mehreren Standorten installiert, die 2022 auch am Hamburger Rothenbaum stattfand. Auch dort blieb es bei Partien ohne deutsche Beteiligung leer auf den Tribünen, nicht zuletzt wegen überteuerter Ticketpreise.
Die Sportler brauchen die Fans
Viele in der Tenniswelt trauerten dem Verfahren der K.-o-Entscheidungsrunden nach – mit Heim- und Auswärtsspielen. „Fans müssen ihre Spieler regelmäßig daheim sehen können“, sagt Frankreichs Tennislegende Yannick Noah, „wir dürfen die Seele dieses großen Wettbewerbs nicht noch einmal zerstören.“
Nun muss in einer Landschaft der zersplitterten Interessen eine praktikable Terminierung geschaffen werden. Das gilt insbesondere für das Endspiel des kommenden Daviscup, das aktuell hinter der ATP-Weltmeisterschaft schlecht platziert ist. Könnte es am Ende sogar ein gemeinsames großes Finale von Männern und Frauen geben, in einer turnierartigen Woche?
Unerwartete Perspektive
Die Daviscup-Katastrophe, dieses krachende Fiasko nach nur gut vier Jahren Partnerschaft mit einem hochstapelnden Verbündeten, eröffnet einem deutschen Funktionär nun eine unerwartete Perspektive. DTB-Präsident Dietloff von Arnim, der mit seiner Kandidatur für das ITF-Präsidentenamt zunächst eher als respektabler Zählkandidat wahrgenommen wurde, könnte bei der Generalversammlung im September gute Chancen gegen Pleitier Haggerty haben.
Nach dem Davis-Cup-Debakel
Reaktion
DTB-Chef Dietloff von Arnim (61) reist zu den Australian Open, zum ersten Grand Slam der Saison. Der Düsseldorfer wird dort seine Kandidatur für das Präsidentenamt des Weltverbands forcieren. Von der Nachricht vom Davis-Cup-Scheitern zeigte sich von Arnim schockiert, obwohl er im Rennen um den Chefposten vom Debakel des Amtsinhabers Dave Haggerty (USA) profitieren könnte. „Das ist eine traurige Nachricht für das Tennis“, sagte von Arnim unserer Zeitung.
Planung
Auch für den DTB selbst ist dies eine Hiobsbotschaft, denn wie aktuell die Auftaktpartie der Saison 2023 in Trier gegen die Schweiz gegenfinanziert werden kann, ist offen. „Ich weiß noch nicht mal, ob da irgendjemand eine Kamera hinstellt und das Match überträgt“, sagte von Arnim. Er kritisiert auch den Zeitpunkt der ITF-Bekanntmachungen: „Alle nationalen Verbände haben jetzt Riesenprobleme.“ Niemand wisse, wie es im nächsten Jahr weitergehen oder wo ein potenzielles Endturnier stattfinden könnte.