„Tannhäuser“-Dirigent Axel Kober über seine Heimat Kronach, seine Beziehung zu Bayreuth – und zu „Tannhäuser“ Bayreuths erster Oberfranke

Von Florian Zinnecker
 Foto: red

Ein Samstagmorgen auf dem Grünen Hügel. Draußen vor dem Festspielhaus stehen Reisebusse und warten auf ihre mitgebrachten Touristen. Im Interviewzimmer des Festspielhauses wartet schon Axel Kober – um sich befragen zu lassen zu etwas, das für ihn zugleich alltäglich ist und außergewöhnlich: Bayreuth.

 
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Herr Kober, Sie sind Kronacher, das ist nicht weit weg von hier. Erinnern Sie sich, wann Sie zum ersten Mal von Bayreuth – den Festspielen, nicht der Stadt – gehört haben?

Axel Kober: An ein erstes Erlebnis erinnere ich mich nicht, ich bin mit dem Wissen um die Bayreuther Festspiele aufgewachsen. Meine Eltern sind keine Musiker, aber sehr musikinteressiert; natürlich waren die Festspiele zu Hause regelmäßig Thema. Später habe ich dann viele Sommer hier verbracht, mit 15 oder 16 habe ich Geigenunterricht an der Musikschule bekommen, bei Nicolaus Richter, der das ja immer noch macht...

… und der gerade in diesem Jahr sehr stolz auf Sie ist...

Kober: ...dann habe ich im Jugendsinfonieorchester gespielt, war zwei Jahre lang Konzertmeister – in dieser Zeit ist natürlich eine sehr intensive Verbindung zu Bayreuth entstanden. Später war ich Stipendiat der Richard-Wagner-Stipendienstiftung, war immer wieder auch zu Proben hier oben.

Über welche Zeit sprechen wir da?

Kober: Mitte der 80er bis Anfang der 90er Jahre. Die erste Aufführung, die ich hier gesehen habe, waren die „Meistersinger“ in der Inszenierung von Wolfgang Wagner; außerdem „Tristan“ mit Siegfried Jerusalem, den Kupfer-“Ring“ – und ich erinnere mich an eine Probe im Steigenberger-Restaurant, mit James Levine am Pult, Placido Domingo als Parsifal und Deborah Polaski als Kundry. Das waren damals schon sehr intensive Erfahrungen...

...und mit der Zeit hat die Musik einen immer stärkeren Sog entwickelt und sie nicht mehr losgelassen? So wie viele Menschen, die als Jugendliche damit in Berührung kamen?

Kober: Diese Musik entfaltet wirklich einen unglaublichen Sog, sie packt jeden, der sich emotional darauf einlässt. Und diese Motivik – das ist ja das Tolle, man muss das alles ja nicht unbedingt analysiert und verstanden haben. Die Musik funktioniert unbewusst. Aber „nicht mehr losgelassen...“, ich weiß nicht – also, diese Musik macht ganz unbestreitbar süchtig, aber das passiert mir mit anderer Musik auch.

Sie haben gerade über Ihre musikalischen Anfänge gesprochen – wann ahnten Sie, dass daraus Ihr Beruf wird?

Kober: Das meiste in meinem musikalischen Leben hat sich einfach ergeben, weil ich’s gemacht habe. Ich habe viel Zeit mit Musik verbracht, habe in drei, vier verschiedenen Orchestern gespielt, und meine Eltern mussten mich immer herumfahren – das ist ja klar, wenn man hier im Oberfränkischen in Steinwiesen bei Kronach wohnt. Irgendwann habe ich mich dann gefragt: Will ich das wirklich als Beruf machen, oder glaube ich das nur, weil ich gerade so drin bin? Nach der 11. Klasse habe ich dann einen Schnitt gemacht, bin nach Amerika auf eine internationale Schule gegangen – und dachte, wenn ich in einer neuen Umgebung Musik wieder zu meinem Mittelpunkt mache, auch dann, wenn die Automatismen abgestellt sind, dann will ich es auch als Beruf machen. Das hat so stattgefunden.

Viele Ihrer Kollegen waren vor ihrem Debüt im Bayreuther Orchestergraben schon musikalischer Assistent auf dem Grünen Hügel. Sie auch?

Kober: Nein. Es hat sich nicht ergeben, aber ich habe mich auch nie darum bemüht. Ich musste ja auch nicht Assistent werden, um Bayreuth kennen zu lernen. Und jetzt im Nachhinein finde ich’s auch sehr schön, mit einem bestimmten Abstand hier wieder herzukommen und nicht jeden Sommer hier gewesen zu sein, sondern eine gewisse künstlerische Entwicklung gemacht zu haben. Das habe ich auch in diesem Jahr immer wieder gedacht: Mensch, eigentlich gut, dass es so herum kam.

Kennen Sie sich noch aus in der Stadt?

Kober: Da ist eine große Vertrautheit, natürlich kenne ich mich hier aus. Das ist schön, und ich fühle mich wohl hier, aber es ist auch kein Heimvorteil.

Sie haben in dieser Saison den „Tannhäuser“ dirigiert, als dritter Dirigent dieser Produktion. Wie unterscheidet sich eine solche Übernahme von einer Neueinstudierung?

Kober: Vor allem in der Zusammenarbeit mit dem Regisseur. Es ist doch ein anderes Arbeiten, wenn man von Anfang an mit dem Konzept vertraut ist und auch Einfluss nehmen kann. Das heißt nicht, dass ich deshalb jede Inszenierung mag, die ich dirigiere, nur weil ich von Anfang an dabei war.

Kannten Sie Sebastian Baumgarten vorher?

Kober: Ja, ich kenne ihn von einer gemeinsamen Arbeit an „Les Troyens“ in Mannheim, das war eine sehr schöne Arbeit insgesamt, deshalb habe ich mich auch auf die Proben sehr gefreut, auf die Arbeit an den Charakteren. Das Gesamtkonzept steht ja, die Gesamtästhetik ist festgelegt. Für mich ist aber sowieso die Feinarbeit das Interessanteste an so einer Produktion. Über die Gesamtästhetik wird so viel geredet und geschrieben, auch in der Öffentlichkeit.

Kommt Ihnen bei all dem Gerede über die Gesamtästhetik das Musikalische zu kurz?

Kober: In der öffentlichen Wahrnehmung, in der Berichterstattung: Ja. Wenn eine Produktion nur durch ein Regiekonzept Aufmerksamkeit erreicht, dann ist es ganz natürlich, dass Regisseure allein aus diesem Grund immer wieder neue Sichtweisen suchen – was leider nicht heißt, dass sie immer eine neue Sichtweise gefunden haben müssen. So lange diese Konzepte in so unglaublichem Maß besprochen werden, so lange wird auch das Bestreben da sein, das zu tun. Und wenn dann am Ende einer seitenlangen Besprechung ein Absatz kommt, der lautet: „gesungen hat“, dann die Namen in Klammern, dazu zwei Adjektive, die bemüht originell klingen, dann finde ich das nahezu skandalös. Da findet entschieden zu wenig künstlerische Auseinandersetzung statt. Das Publikum ist da komischerweise anders, das merkt man am Applaus und an den Reaktionen sehr deutlich.

Woran liegt das? Sind die Bilder einfach stärker als die Musik?

Kober: Im ersten Moment scheint das so zu sein, weil die Bilder den Zuschauer vordergründig ansprechen. Aber es geht um den Gesamteindruck, Musik und Szene müssen zusammengehen. Deshalb gehe ich doch in die Oper und lege nicht nur zu Hause eine CD ein. Ein Urteil über die Musik bedingt allerdings eine wesentlich intensivere Auseinandersetzung damit. Wenn ich in eine Vorstellung gehe und eine Inszenierung sehe, dann kann ich relativ schnell sagen, was mir gefällt und was nicht – die Bilder springen mich ja an. Wenn ich aber dezidiert beschreiben wollte, wie sich der „Tannhäuser“ von Axel Kober in den vergangenen zehn Jahren verändert hat – dann müsste ich wirklich in die Materie einsteigen, müsste mich ausführlich damit befassen. Das trauen sich nur die wenigsten, die, die wirklich fundiertes Wissen haben, um sich nicht angreifbar zu machen. Ein „Das gefällt mir nicht“ kann man dagegen schnell und ohne allzu großes Risiko schreiben.

Das Gespräch führte Florian Zinnecker