Suchtberatung kritisiert Sportwetten

Von Norbert Heimbeck
Gunhild Scheidler von der Suchtberatung kritisiert Sportwetten. Foto: Ronald Wittek Foto: red

Es ist der ganz besondere Kick: So mancher Fußballexperte „weiß“ bereits am Freitag, wie die Samstagsspiele ausgehen werden. Und füllt einen Wettschein aus. Mit ein wenig Glück gewinnt man tatsächlich ein paar Euros, aber die meisten Tipper zahlen dauf. Wer mit Sportwetten Geld verdienen will, riskiert viel.

 
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Der gesamte Glücksspielmarkt in Deutschland macht mehr als 33 Milliarden Euro Umsatz im Jahr. Dazu gehören neben den Sportwetten die Geldspielautomaten in Kneipen, das staatliche Lotto-System, Rubbellose und mehrere tausend Spielhallen. Die Suchtberatung der Diakonie Bayreuth schlägt jetzt wegen der Sportwetten Alarm: „Im Jahr 2013 waren nur 1,2 Prozent der Glücksspieler, die ich beraten habe, wegen Sportwetten bei uns. 2016 Jahr liegt der Anteil bis jetzt bei 15 Prozent. Da ist eine enorme Steigerung zu verzeichnen,“ sagt Gunhild Scheidler. In konkreten Zahlen heißt das, dass in den ersten acht Monaten dieses Jahres neun Bayreuther zu Scheidler kamen, weil ihre Leidenschaft fürs Zocken gefährliche Züge angenommen hat.

Das klingt nach keiner großen Zahl. Doch gehen die Suchtberaterinnen von einer enormen Dunkelziffer aus, da längst nicht alle Suchtgefährdeten therapeutische Hilfe suchen. Die Tatsache, dass immer mehr Menschen regelrecht süchtig nach Glücksspielen sind, ist nicht auf Bayreuth beschränkt. Alleine für Bayern wird die Zahl der sogenannten pathologischen – also krankhaften – Spieler auf etwa 37 000 geschätzt. Weitere 34 000 zeigen ein zumindest „problematisches“ Spielverhalten. Gunhild Scheidler: „Glücksspielsucht ist inzwischen als Krankheit anerkannt.“ Es gebe die Möglichkeit zur stationären Behandlung in einer Fachklinik. Oder zur ambulanten Therapie etwa bei den Mitarbeiterinnen der Diakonie Bayreuth: „Wir helfen Betroffenen im Alltag, geben Tipps zur Regelung der Schulden und zeigen Alternativen zum Spiel.“

Warum spielt man mit dem Glück?

Die Motive fürs Glücksspiel seien vielfältig: Mancher sucht einfach nur die Herausforderung gegen den Zufall, mancher sucht aber auch im Spiel einen Ausweg aus „schwierigen Gefühlen“. Problematisch wird es, wenn die Zockerei eine Eigendynamik entwickelt, sagt die Therapeutin: „Mancher sagt sich, ich habe jetzt soviel Geld reingesteckt, jetzt muss ich mal wieder was rausholen. Doch langfristig gewinnt der Spieler niemals.“ Das führe häufig dazu, dass immer höhere Beträge eingesetzt werden, bis dem Spieler schließlich die Schulden über den Kopf wachsen. Darunter leiden nicht nur die Spieler, sondern auch deren Angehörige.

In Bayreuth gebe es seit zwei Jahren eine Anlaufstelle des Wettanbieters Tipico, ein zweites Unternehmen in der Bahnhofstraße werbe zwar, habe aber die Geschäftsstelle noch nicht eröffnet. Neben den stationären Wettanbietern gebe es auch zahlreiche Online-Angebote, „die noch viel stärker genutzt werden,“ sagt Scheidler. Tatsächlich spielen Internetwetten in der Bayreuther Suchtberatung die größte Rolle.

Aktuell sind Sportwetten in die Kritik der Suchtberaterin geraten: „Dieses System liegt in einer rechtlichen Grauzone. Trotzdem gibt es immer mehr Menschen, die ihm verfallen,“ warnt Scheidler.

Lange Zeit wurden Sportwetten nur vom staatlichen Lotto-/Toto-Block angeboten. Private Anbieter klagten dagegen, und der Europäische Gerichtshof (EUGH) entschied vor gut zehn Jahren, dass auch sie zugelassen werden müssten. 20 Lizenzen sollten daraufhin vergeben werden, was den Anbietern, die dabei nicht berücksichtigt wurden, wiederum Anlass zur Klage gab. Also wurde auch diese Entscheidung gekippt, „und seitdem ist es in der Schwebe, wer tatsächlich Sportwetten anbieten darf,“ klagt die Therapeutin. Allerdings gehe der Staat nicht gegen die privaten Anbieter vor.

Info: Die Bayreuther Fachstelle Glücksspielsucht bietet jeden Dienstag von 8 bis 9 Uhr eine offener Sprechstunde ohne vorherige Terminvereinbarung an. Gunhild Scheidler ist unter der Telefonnummer 09 21/78 51 77 30 zu erreichen.

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