Strafzinsen: In Bayreuth erst mal nicht

Von Peter Rauscher
Verlangt Strafzinsen von gut betuchten Sparern: Der Chef der Raiffeisenbank in Gmund am Tegernsee, Josef Paul. Foto: Peter Kneffel/dpa Foto: red

Erstmals müssen Bankkunden in Bayern ihrer Bank Geld dafür bezahlen, dass sie Ihr Erspartes dort verwahren dürfen:  Kunden der Raiffeisenbank Gmund am Tegernsee müssen ab September für Einlagen über 100.000 Euro 0,4 Prozent Strafzins zahlen. Die VR-Bank und die Sparkasse in Bayreuth haben keine derzeitigen Pläne - noch nicht. 

 
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Die Raiffeisenbank Gmund ist ein spezieller Fall. Dort gebe es „eine Klientel, die vom Vermögen etwas üppiger ausgestattet ist. Das kann für eine kleine Bank zum Problem werden“, wenn sie kostenlos Geld hüte, zitiert die Nachrichtenagentur dpa einen Banker. Der Chef der Raiffeisenbank Gmund, Josef Paul, sagte am Donnerstag: „Es geht nur um 139 Kunden, die 40 Millionen Euro auf Giro- oder Tagesgeldkonten parken.“

Nicht für alle Ewigkeit ausschließen

Der Bundesverband Deutscher Banken spricht von einem Einzelfall und sieht darin kein Signal: Normale Sparer müssten „nicht befürchten, für ihre Spargroschen Strafzins zu zahlen“. Wie lange das so bleibt, ist aber ungewiss. "Inwieweit das auch in Zukunft möglich ist, hängt im wesentlichen von der weiteren Zinspolitik der EZB ab",  teilte Markus Schappert, Vorstand der VR-Bank Bayreuth, dem Kurier auf Anfrage mit. Ähnlich klingt es vom Vorstandsvorsitzenden der Sparkasse Bayreuth, Wolfram Münch: "Die Sparkasse Bayreuth plant derzeit keine Erhebung von Negativzinsen auf Privateinlagen, kann dies aber nicht für alle Ewigkeit ausschließen."

Schappert, dessen VR-Bank derzeit noch keine Entgelte für Privateinlagen verlangt, erläutert, warum die Geldinstitute in die Bredouille geraten: "Die europäische Zentralbank hat die Märkte mit billigem Geld überschwemmt und die Zinsen in den negativen Bereich gedrückt. Hierdurch werden Anleger erheblich unter Druck gesetzt. Wir versuchen, unsere Kunden bestmöglich vor den Folgen dieser fatalen Politik zu schützen, indem wir die negativen Einlagenverzinsungen der Zentralbank nicht im klassischen Breitengeschäft weiterreichen."

Filialschließungen, höhere Gebühren und Fusionen

Aufgrund des hohen Wettbewerbsdrucks könnten Banken und Sparkassen den Negativzins von derzeit 0,4 Prozent, den sie für ihre Einlagen bei den Zentralinstituten beziehungsweise bei der EZB  zahlen müssen "nicht ohne weiteres an die Privatkunden weitergeben", sagt Münch. Somit subventionierten die deutschen Kreditinstitute aktuell das Einlagengeschäft ihrer Kunden. Münch: "Wie lange dies für die  Banken und Sparkassen finanziell aushaltbar ist, ist schwer abschätzbar.  Filialschließungen, Gebührenerhöhungen oder gar Fusionen werden unseren Alltag bestimmen, solange der ,Preis des Geldes' durch die Minuszinspolitik der EZB quasi abgeschafft wurde."

"Ich hab schon vier Überfälle erlebt"

Der Gmunder Bankchef Josef Paul sagte, die ersten 100.000 Euro seien auch ab September gebührenfrei. "Die nächsten 100.000 kosten künftig 400 Euro im Jahr.“ Er hüte seit geraumer Zeit 40 Millionen Euro, die von einem Tag auf den anderen abgehoben werden könnten und die er nicht verwerten könne. „Die liegen bei mir auf dem Zentralbankkonto und verursachen 0,4 Prozent Kosten. Ich kann nicht für jede Million 4000 Euro hinlegen.“ Die Kosten gebe er nach dem Verursacherprinzip nun weiter. Das Bargeld einfach in den Tresoren der Raiffeisenbank liegen zu lassen, wäre viel zu gefährlich: „Ich hab’ schon vier Überfälle erlebt, ich möchte nicht noch den fünften!“, sagte der Bankvorstand.

Skatbank-Filiale war der Vorreiter

Der Genossenschaftsverband Bayern erklärte: „Der extreme geldpolitische Kurs der EZB verursacht bei allen Banken erhebliche Kosten.“ Sie allein zu tragen, sei „betriebswirtschaftlich dauerhaft nicht möglich“. Einige deutsche Banken haben deshalb ihre Gebühren für Kontoführung, Kreditkarten oder Überweisungen erhöht. Mit Strafzinsen für Einlagen ab drei Millionen Euro hatte die Thüringer Volks- und Raiffeisenbank Altenburger Land mit ihrer Skatbank-Filiale 2014 Schlagzeilen gemacht. Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbandes, sagte: „Wir erwarten nicht, dass Privatkunden flächendeckend Entgelte für Einlagen bezahlen müssen, dazu ist der Wettbewerb in Deutschland unter Banken und Sparkassen viel zu stark.“

Der Präsident des Bundesverbandes der deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR), Uwe Fröhlich, hatte Ende Juni erklärt: „Die Schwelle, ins Negative zu gehen gegenüber dem Privatkunden, ist sehr, sehr hoch.“ Die Konkurrenz sei hart, und es drohe die Abwanderung von Anlegern zur Konkurrenz. „Die Kunden in Deutschland werden sich das in der Breite nicht gefallen lassen.“

(Mit Material von dpa)

Kommentar zum Thema von Roland Töpfer

Anleger zur Kasse

Noch halten die Dämme, die Privatkunden von Banken und Sparkassen davor schützen, für Geld, das sie anlegen, auch noch Zinsen zahlen zu müssen. Doch die kleine Raiffeisenbank in Gmund am Tegernsee zeigt schon mal, wo die Reise hingehen könnte. 0,4 Prozent „Verwahr-Entgelt“ müssen Kunden zahlen, wenn sie mehr als 100.000 Euro auf dem Giro- oder Tagesgeldkonto bunkern.

Tabubruch

Der Tabubruch der oberbayerischen Bank zeigt: Kleine Banken kommen durch Nullzinsen und teure Regulatorik besonders unter Druck. Das bedeutet: Es wird mehr Fusionen und weniger Banken und Filialen geben. Das sehen wir auch bei den VR-Banken in Oberfranken: Bayreuth fusioniert mit Hof, Kulmbach übernimmt Kronach, Marktredwitz und Berg-Bad Steben rücken zusammen.

Phantasiereiche Beschreibungen

Die Vorteile von Fusionen werden von den Vorständen und Aufsichtsräten phantasiereich beschrieben. Und tatsächlich ist es ja auch im Interesse der Kunden, dass sie eine starke Bank haben. Das ändert aber nichts daran, dass Fusionen zunächst der wirtschaftlichen Absicherung der Bank dienen. Mögliche Nachteile für die Kunden: Längere Wege, Auslagerung von Kompetenz, weniger Wettbewerb, schlechtere Konditionen.

Online-Banken und Fintechs nagen am Kundenstamm der etablierten Banken und Sparkassen, deren Präsenz in der Fläche im digitalisierten Bankgeschäft an Wert verliert. Jetzt müssen die Flächenbanken aufpassen, dass sie ihre Nähe zum Kunden nicht verlieren. Denn das wichtigste Asset einer Bank ist? Richtig: der Kunde.

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