Stein der Stecknadelbraut Tragischer Tod am schönsten Tag des Lebens

Von Heike Thissen
 Foto: Peter Gisder

BAYREUTH. Dass sich ausgerechnet in diesem Gebäude heute ein Geschäft für Brautmode befindet, kann man fast als Ironie des Schicksals bezeichnen. Denn das Stammhaus der traditionsreichen Familie Schlenck erinnert unter anderem an eine Vorfahrin, die alteingesessene Bayreuther als die „Stecknadelbraut“ kennen. Wie Margarete Katharina Schlenck zu diesem Namen kam, ist eine herzerweichende Geschichte.

 
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Es ist der 25. Juni 1721, als die knapp 19-Jährige sich auf den schönsten Tag ihres Lebens vorbereitet. Markgraf Georg Wilhelm regiert gerade in Bayreuth und konzentriert sich mehr auf sein ausschweifendes Hofleben und auf Seeschlachten auf dem Brandenburger See als aufs Regieren.

Doch Margarete Katharina ist an diesem Morgen mit anderem beschäftigt als mit den Eskapaden ihres Landesherrn. Die Tochter eines Bayreuther Rotgerbers ist früh aufgestanden, um sich für ihren Bräutigam besonders schön zu machen.

Doch während sie ihr Brautkleid anzieht und sich das traditionelle Myrtensträußchen ansteckt, fehlt ihr offenbar eine dritte Hand zum Halten der dafür notwendigen Utensilien. Vielleicht sind aber auch noch letzte Korrekturen an ihrem Kleid nötig, das sie sich mit Sicherheit nicht selbst angefertigt hat, weil ein Aberglaube besagt, dass das Unglück bringen könnte.

Auf jeden Fall klemmt sie sich Stecknadeln zwischen ihre Lippen – und begeht damit einen fatalen Fehler! Denn in der Aufregung rutscht der schönen Margarete Katharina eine der Nadeln erst in den Mund und dann in den Hals. Sie verschluckt sie und stirbt noch am selben Tag an den Folgen.

Als ihre Eltern Johann Adam und Anna Elisabetha den ersten Schock über dieses grausame Schicksal überwunden haben, lassen sie ihrer einzigen Tochter einen Grabstein anfertigen, der die ganze Machtlosigkeit, aber auch die Schicksalsergebenheit der verzweifelten Eltern darstellt.

Keinen Geringeren als den Barock-Bildhauer Elias Räntz, der viele von den heute bekannten Denkmälern in Bayreuth geschaffen hat, betrauen sie mit diesem besonderen Auftrag. Und Räntz, ein Meister seines Fachs, schafft ein Kunstwerk, mit dem Margarete Katharina Schlenck und ihrer tragischen Geschichte ein Denkmal gesetzt wird, das die Jahrhunderte überdauert: Beinahe in Lebensgröße ist die junge Braut in ihrem prächtigen Kleid dargestellt. Sie deutet mit ihrer linken Hand auf ein Kreuz, mit ihrer rechten auf ihren Bauch unter dem straffen Mieder – dorthin, wo zum Zeitpunkt ihres Todes die Nadel steckt.

Der Grabstein stand viele Jahrhunderte auf dem Bayreuther Stadtfriedhof an der Mauer. Um ihn und die Geschichte, die er erzählt, auch für die kommenden Generationen zu bewahren, wurde er inzwischen in die Aussegnungshalle gebracht. Doch als Andenken an die junge Frau bleibt auch das Haus in der Kulmbacher Straße 6, das die Nachfahren ihrer Familie 1861 kauften, um dort die Familientradition der Gerberei viele Jahrzehnte fortzuführen.

Die meisten der jungen Frauen, die dort heute ihr Kleid für den schönsten Tag des Lebens kaufen, wissen nichts von der Stecknadelbraut und ihrem Schicksal. Und das ist vielleicht auch gut so.

Das Haus, in dem die Nachfahren der Familie von Margarete Katharina Schlenck ihre Gerberei betrieben, steht in der Kulmbacher Straße 6.