Stadtverwaltung reagiert Bayreuth: Albina Hamidi wird zunächst nicht abgeschoben

Von Frank Schmälzle

Die 19 Jahre alte Albina Hamidi lebt seit vier Jahren in Bayreuth. Jetzt drohte ihr die Abschiebung nach Belgrad, vier Monate vor ihrem Hauptschulabschluss.Am Nachmittag reagierte die Stadtverwaltung und teilte mit: Albina Hamidi wird zunächst nicht abgeschoben. Am Nachmittag gab es dennoch eine Demonstration in der Innenstadt gegen die Abschiebung.

 
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Die kurze Mitteilung kommt am Nachmittag aus der Pressestelle im Rathaus: "Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe hat das zuständige Referat heute angewiesen, die für kommenden Mittwoch vorgesehene Abschiebung der 19-jährigen Albanerin Albina H. nach Serbien auszusetzen. Zwischenzeitlich liegt in dieser Sache auch eine Petition an den Bayerischen Landtag vor. Für SPD-Stadträtin Tina Krause ist der zweite Satz der Mitteilung aus dem Rathaus nicht minder wichtig: Der Bayreuther Flüchtlingshilfeverein "Bunt statt Braun" hat am späten Vormittag eine Landtagspetition für Albina Hamidi eingereicht. Und die beiden Bayreuther Landtagsabgeordneten Ulrike Gote (Die Grünen) und Christoph Rabenstein (SPD) griffen sie sofort auf. Das hat offenbar gewirkt.

Tina Krause stellt Fragen: Warum musste es überhaupt erst soweit kommen? Seit zehn Monaten liegt die Akte von Albina Hamidi im Ausländeramt der Stadt vor, sagt sie. "Seit zehn Monaten passiert nichts. Und jetzt, ein paar Wochen vor ihrem Schulabschluss, kramt irgendjemand die Akte hervor und soll Albina abgeschoben werden." Das hätte die Verwaltung nicht tun müssen, sagt die Stadträtin. "Die Verwaltung hat Ermessensspielraum. Sie hätte Albina eine Duldung bis zu ihrem Schulabschluss geben können." Das, meint Krause, wäre ein Beweis dafür gewesen, dass es die Stadt mit einer neuen Willkommenskultur wirklich ernst meint.

Am Nachmittag demonstrierten rund 100 Menschen, vorwiegend jung, darunter viele Schüler und Unterstützer des Vereins "Bunt statt Braun", gegen die Abschiebung. Auch Oberbürgermeisterin Brigitte Merk-Erbe war dabei. Auf die Frage, ob das Ausländeramt sich denn richtig verhalten habe, antwortete sie, dass das Amt keinen Ermessungsspielraum gehabt habe, nachdem ein Asylantrag schon einmal abegelehnt worden sei. Nach der Landtagspetition sei die Situation aber verändert, so dass auch noch mal neu entschieden werden konnte. Das Verfahren wird jedoch einige Monate dauern. Das heißt aber, dass Albina auf jeden Fall ihren Schulabschluss in Bayreuth machen kann.

Die Vorsitzende von "Bunt statt Braun" Christel Stein sagte bei der anschließenden Verleihung des Sozialpreises der Stadt Bayreuth um 17 Uhr an den Verein: "Wenn die Mitarbeiter des Ausländeramtes bald noch mehr Entscheidungsbefugnisse bekommen, mache ich mir große Sorgen um unsere Geflüchteten." Sie fordert die Stadträte auf, den Mitarbeitern des Ausländeramtes nochmals eindringlich den einstimmig gefassten Stadtratsbeschluss vor Augen zu halten, dass Ermessensspielräume zugunsten der Flüchtlinge genutzt werden sollen.

Die vergangenen Tage waren für die Familie Hamidi schwer,  man sieht es ihnen an. Am Montagmorgen noch macht sich Albinas Vater, Agim Hanmidi, große Sorgen. "Albina ist unsere große Stütze", sagt der 38-Jährige. Vor vier Jahren hatte er seine Kinder aus dem albanischen Teil Serbiens nach Deutschland geholt. Weil sie dort auf der Straße leben mussten, sagt er. Er selbst hat eine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung, einen sicheren Arbeitsplatz. Außer Kindergeld bezieht Agim Hamidi keine Sozialleistungen. Nur seine Kinder, sagt er, die haben gar nichts. Keine vorübergehende und schon gar keine dauerhafte Aufenthaltsgenehmigung.

Am vergangenen Donnerstag fand Agim Hamidi den Brief seines Rechtsanwaltes, als er von der Arbeit nach Hause kam. Albina soll abgeschoben werden. Seitdem war für den Vater, seine große Tochter Albina und die vier weiteren Kinder nichts mehr wie es war. Seitdem hatten sie Angst. Seine Tochter spricht kein Wort Serbisch. Sie hat niemanden, an den sie sich in Belgrad hätte wenden können. Das Dorf im Dreiländereck zwischen Mazedonien, Serbien und dem Kosovo, aus dem die der albanischen Minderheit angehörende Familie stammt, war schwer zerstört. Ihr ehemaliges Haus ist unbewohnbar. Albina leidet an Epilepsie, muss Medikamente nehmen.

Agim Hamidi machte sich Sorgen um seine Tochter. Und auch um all seinen anderen Kinder. Albina hält  den Haushalt in Schuss, kümmert sich um ihre vier Geschwister, während der Vater arbeitet. "Ich weiß nicht, was werden soll", sagt der 38-Jährige. "Wir haben in den vergangenen Nächten kaum geschlafen." Was er sich wünschen würde? Dass die Stadt Bayreuth ihren Ermessensspielraum in Asylfragen nutzt. Und Albina wenigstens so lange in Bayreuth belässt, bis sie ihren Schulabschluss hat. Am besten natürlich noch länger. Zumindest ist die Abschiebung jetzt ausgesetzt.

Ganz allein stehen die Hamidis nicht da. Der Bayreuther Landtagsabgeordnete Christoph Rabenstein (SPD) hat angekündigt, den Fall Hamidi in den Landtag einzubringen. Und er hat die Behörden aufgefordert, die Abschiebung mindestens so lange auszusetzen. Auf Facebook haben Unterstützer der Familie eine Onlinepetition gestartet, mit der sie ein Bleiberecht für Albina fordern, bis sie ihren Schulabschluss erreicht hat. Zur Stunde hat diese Petition bereits mehr als 1200 Unterstützer gefunden.

Zur Stunde (16 Uhr) demonstrieren die Unterstützer der Familie Hamidi vor dem Rathaus gegen die Abschiebung von Albina:

Eine Stunde später wird die Stadt den Bayreuther Flüchtlingsverein "Bunt statt braun" für sein Engagement mit dem Sozialpreis auszeichnen. Bunt statt braun-Vorsitzende Christel Stein hat angekündigt, ihre Dankesrede zu einer kritischen Auseinandersetzung mit der Ausländerpolitik der Stadt zu nutzen. Das Ausländeramt der Stadt war in der Vergangenheit mehrfach für seine restriktive Haltung kritisiert worden.

Hintergrund:

Irgendwann hat es Prof. Bernd Müller-Jacquier gereicht. Immer wieder hatte der damalige Professor für Interkulturelle Germanistik an der Universität Bayreuth Ärger mit dem Ausländeramt der Stadt. Studenten und Gastwissenschaftler sahen sich vom Amt schikaniert, in die Rolle des "dummen Ausländers" gedrängt. Im Jahr 2013 ging es Müller-Jacquier wissenschaftlich an, verglich die Arbeitsweisen des Bayreuther Ausländeramtes mit denen aus 13 anderen deutschen Universitätsstädten. Die Ergebnisse der Müller-Jacquier-Studie:

1. Ausländer fühlen sich kriminalisiert, weil ihnen das Amt Lügen oder Verschleierungen unterstelle.

2. Mitarbeiter des Bayreuther Amtes erklärten laut der Studie andere Behörden für nicht kompetent.

3. Die Art, wie die Mitarbeiter des Amtes kommunizieren, empfanden Ausländer als „Macht ausübend, latent aggressiv-schikanös“.

4. Sie fühlen sich über ihre Rechte und über Sachlagen nicht oder nicht ausreichend informiert.

Seitdem diese Studie vorliegt, ist in Bayreuth viel davon die Rede, eine neue Willkommenskultur zu etablieren. Zuletzt hatte die Stadt von sich aus die Initiative ergriffen, sie wird nun Standort einer Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber an der Herzogmühle.

 Dieser Artikel wird im Laufe des Tages fortgeschrieben.

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