Stadt Bayreuth ächzt unter Soziallasten Kosten für Jugendhilfe steigen rasant

Von Martin Ferber und Elmar Schatz
Immer mehr Geld müssen Kommunen für Kinder- und Jugendhilfe ausgeben. Foto: dpa Foto: red

In der Stadt Bayreuth steigen die Kosten für Jugendhilfe rasant, teilt Rathaussprecher Joachim Oppold mit; insgesamt machen die Sozialausgaben den Kommunen schwer zu schaffen, geht aus einer Bertelsmann-Studie hervor.

 
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Die Sozialkosten der Kommunen in Deutschland sind nach der Bertelsmann-Studie in den vergangenen zehn Jahren um mehr als 50 Prozent gestiegen, in der Stadt Bayreuth sogar um 66 Prozent.

Die Jugendhilfeleistungen stiegen in Bayreuth von 8,91 Millionen Euro im Jahr 2005 auf 22,49 Millionen Euro in diesem Jahr (Haushaltsansatz), teilt Rathaussprecher Joachim Oppold auf Anfrage mit. Der zweite Kostenblock, die Summe der sozialen Leistungen, stieg in Bayreuth von 16,41 Millionen Euro im Jahr 2005 auf aktuell 19,56 Millionen Euro.

Alles in allem machten die beiden Kostenblöcke für das Haushaltsjahr 2015 knapp 42,1 Millionen Euro aus, das seien 18,75 Prozent des Gesamthaushaltsvolumens, erklärt Oppold. Im Haushaltsjahr 2005 seien es noch 25,3 Millionen Euro gewesen. Dies bedeute bis ins aktuelle Jahr eine Steigerung um rund 66 Prozent.

Zu den Sozialhilfeleistungen gehören Hartz IV, Sozialhilfe örtlicher und überörtlicher Träger sowie Grundsicherung. Zu den Jugendhilfeleistungen etwa die Leistungen an Kindergärten und Jugendberatungsstellen sowie Zuschüsse an Wohlfahrtsverbände.

Sozialausgaben der Kommunen: 78 Milliarden Euro

Der Studie der Bertelsmann-Stiftung zufolge summierten sich die Sozialausgaben der Kommunen bundesweit im vergangenen Jahr 2014 auf rund 78 Milliarden Euro - 2004 lagen sie noch bei 51 Milliarden Euro. Vielen Kommunen bleibe dadurch kaum noch Handlungsspielraum, heißt es in der Studie.

Dabei ist die Belastung der Kommunalhaushalte durch Sozialleistungen sehr unterschiedlich: Am geringsten ist sie in Baden-Württemberg mit durchschnittlich 31 Prozent, am höchsten in Nordrhein-Westfalen mit 43 Prozent.

In Bayern hat der Landkreis Haßberge mit einem Anteil von 18 Prozent die niedrigsten Sozialausgaben, in Baden-Württemberg der Hohenlohe-Kreis mit 22 Prozent. Dagegen machen die Sozialleistungen in Duisburg (Nordrhein-Westfalen), Wiesbaden (Hessen), Eisenach (Thüringen) und Flensburg (Schleswig-Holstein) mehr als die Hälfte des städtischen Haushalts aus, Rekordhalter ist Flensburg mit einem Anteil von 58 Prozent. Die höchsten Ausgaben in Bayern hat die Stadt Nürnberg (48 Prozent).

Die Höhe der Sozialausgaben ist von verschiedenen Einflussfaktoren abhängig, nicht nur von der Wirtschaftskraft und der Sozialstruktur der jeweiligen Region, sondern auch von unterschiedlichen Zuständigkeiten und Verwaltungsstrukturen, landesrechtlichen Standards und lokalpolitischen Entscheidungen.

Wohnkosten der Hartz-IV-Bezieher: 14 Milliarden Euro

Die einzige Ausgabe, die bundeseinheitlich geregelt und von den Kommunen nicht beeinflusst werden kann, sind die Wohnkosten der Hartz-IV-Bezieher. Vor allem die wirtschaftsschwachen Städte in strukturschwachen Regionen mit hoher Langzeitarbeitslosigkeit und geringen Steuereinnahmen ächzen unter den hohen Ausgaben für die Wohnkosten, die sich bundesweit auf rund 14 Milliarden Euro belaufen.

Während sie in Bayern und Baden-Württemberg lediglich drei Prozent der kommunalen Etats binden, sind es in Sachsen-Anhalt und Mecklenburg-Vorpommern jeweils elf Prozent. Prozentual muss Magdeburg mit 13,2 Prozent fast zehn Mal so viel ausgeben wie der Hohenlohe Kreis (1,4 Prozent), noch weniger sind es im Landkreis Eichstätt mit 0,6 Prozent.

Bund soll die Kommunen entlasten

An diesem Punkt könnte nach Ansicht der Bertelsmann-Stiftung eine Reform ansetzen. Eine Übernahme der Wohnkosten für Hartz-IV-Empfänger ist der entscheidende Hebel für den Bund, den armen Kommunen gezielt zu helfen, sagt René Geißler, Finanzexperte der Bertelsmann-Stiftung und einer der Autoren der Studie.

Dieser Weg stünde nicht nur im Einklang mit dem Grundgesetz, sondern käme gezielt den wirtschaftsschwachen Kommunen in den strukturschwachen Regionen zugute. So würden in Nordrhein-Westfalen bei einer Übernahme der Wohnkosten durch den Bund drei Viertel der jährlichen Defizite in den Kommunalhaushalten getilgt.

"Die notleidenden Kommunen brauchen eine Perspektive, wie sie aus dem Teufelskreis schlechter Infrastruktur, geringer Einnahmen, hoher Sozialausgaben und Investitionsstau herauskommen", sagt Kirsten Witte, die Kommunalexpertin der Bertelsmann-Stiftung.

Die Grünen im Bundestag forderten die große Koalition auf, die im Koalitionsvertrag vereinbarten zusätzlichen fünf Milliarden Euro für die Kommunen nicht erst ab 2018, sondern unverzüglich zur Verfügung zu stellen. Die Lösung der kommunalen Finanzprobleme liege maßgeblich in der Hand des Bundes, sagte die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Britta Haßelmann. "Der einzige Weg ist eine deutlich stärkere Beteiligung des Bundes an den Sozialausgaben der Kommunen."

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