Staatsanwaltschaft wirft Frau den Versuch eines großen Vorsteuerschwindels vor Mal eben fünf Millionen vom Fiskus

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In dem Prozess vor dem Landgericht Hof geht es um Vorsteuerschwindel. Foto: dpa Foto: red

Die Anhänger der „Reichsbürger“-Bewegung sind dafür bekannt, dass sie der Bundesrepublik Deutschland gern die Zahlung von Steuern und Abgaben verweigern, weil sie die Existenz eines solchen Staats bestreiten. Es kann aber auch genau anders herum gehen. Dies zeigt ein Verfahren, dass in dieser Woche vor dem Landgericht Hof begonnen hat.

 
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Es dreht sich darum, dass der Reichsbürger-Idee Nahestehende versucht haben sollen, vom Fiskus unrechtmäßig 5,1 Millionen Euro ausbezahlt zu bekommen.

Auf der Anklagebank der Wirtschaftstrafkammer sitzen die 65-jährige Heidi W. aus dem Landkreis Coburg und der 48-jährige Jörg P. aus München. Heidi W, war es, die der Anklage zufolge am 4. Juli 2012 beim Finanzamt Coburg eine Umsatzsteuervoranmeldung einreichte, mit der sie eine Vorsteuererstattung über besagte 5,1 Millionen Euro begehrte. Grundlage dieses Antrags war ein Vertrag, wonach Heidi W. von Jörg P. verschiedene gewerbliche Schutzrechte angekauft hatte, um sie später zu verwerten. Jörg P. hatte darüber eine Rechnung über den Betrag von 27 Millionen Euro gestellt. Die darauf entfallende Umsatzsteuer wollte sich Heidi P. nun als Vorsteuer erstatten lassen.

Zwei Wochen zuvor hatte die Frau bei ihrer Wohnortgemeinde ein Gewerbe angemeldet, bei dem es um „Ankauf, Verkauf und Verwertung von patenten, Herstellung und Vertrieb von Produkten neuartiger Technologen“ ging. So leicht ist es allerdings auch wieder nicht, sich vom Finanzamt eben einmal fünf Millionen auszahlen zu lassen. Da die Frau zuvor allenfalls als Pferdezüchterin aufgefallen war, veranlasste das Finanzamt Coburg erst einmal eine Sonderprüfung. Dabei habe sich ergeben, dass Heidi W. überhaupt nicht unternehmerisch tätig war. Deshalb stimmte das Finanzamt der Steueranmeldung nicht zu und erteilte Heidi W. nicht einmal eine Steuernummer für umsatzsteuerliche Zwecke.

Erschwindelung der Vorsteuer

Die Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftsdelikte in Hof legte noch eine Schaufel nach: Sie ging davon aus, dass der Zweck des gesamten Manövers die Erschwindelung der Vorsteuer war. Deshalb sitzt Heidi W. nun mit einer Anklage wegen versuchter Steuerhinterziehung auf der Anklagebank in Hof. Jörg P. wird Beihilfe zu diesem Versuch vorgeworfen.

Die Verhandlung findet unter verschärften Sicherheitsvorkehrungen statt, da mehrere Akteure des fehlgeschlagenen Deals der Bewegung der „Reichsbürger“ zugerechnet werden. Darunter ist auch der Ehemann von Heidi W., der in dieser Angelegenheit gesondert verfolgt wurde und einen Strafbefehl erhielt. Dieser wurde rechtskräftig, weil der Strafbefehl dem ganz normalen Bundesbürger zugestellt wurde, als der er sich nicht mehr empfindet.

Besucher müssen Handys abgeben

Im März dieses Jahres stürmten „Reichsbürger“ eine Gerichtsverhandlung in Kaufbeuren und zwangen die Richterin zur Flucht. Dann griff sich die Angeklagte die Strafakte vom Richtertisch und warf sie ihren Freunden zu. Der gesamte Überfall wurde mit Handys gefilmt und ins Internet gestellt. In Hof müssen daher alle Besucher ihr Handy schon vor dem Sitzungssaal abgeben. Ein Extraaufgebot an Polizisten und Justizwachtmeistern sorgt für Sicherheit.

Eine weitere Bereicherung der Szenerie im Gerichtssaal 019 ist der Verteidiger von Heidi W. Dabei handelt es sich um den Berliner Rechtsanwalt Wolfram Nahrath, einstmals der letzte Vorsitzende der rechtsextremen Wiking-Jugend vor deren Verbot. Nahrath ist vor allem durch seine Verteidigungen von Angeklagten aus dem rechtsextremen Spektrum bekannt. So ist er einer der Verteidiger von Ralf Wohlleben im Münchner NSU-Prozess. Nahrath hatte im November 2012 der letzten Demonstration des neonazistischen und inzwischen verbotenen „Freien Netz Süd“ in Wunsiedel ein Grußwort geschickt. In seiner Berliner Kanzlei hatte auch der braune Hasssänger und spätere Lichtenfelser Zivilrichter Maik B. Teile seines Referendariats absolviert.

Hydraulik-Antrieb entwickelt

Der Reichsbürger-Bewegung steht offenkundig auch der Erfinder Richard R. nahe, der in dem Hofer Verfahren eine große Rolle spielt. R. ist, Internet-Veröffentlichungen zufolge, nicht nur die Konstruktion des lang gesuchten Perpetuum Mobile, sondern auch dessen Verbesserung gelungen. So behauptet er, Vorrichtungen konstruiert zu haben, die ein Mehrfaches der Energie produzieren, die man in sie hineinsteckt.

Im Fall des Hofer Verfahrens geht es allerdings um etwas anderes: Richard R., der als Reichsbürger inzwischen mit einem anderen Nachnamen angeredet werden möchte, hat nach eigenen Angaben einen Hydraulik-Antrieb entwickelt, der vor allem bei schweren Fahrzeugen, wie etwa Omnibussen, allen bisherigen Antrieben überlegen sein soll.

Mehrere Zeugen

Die Verteidiger der beiden Angeklagten bemühen sich nun, über verschiedene Zeugen darzustellen, dass es ihren Mandanten nicht um die Vorsteuer-Auszahlung, sondern um die Entwicklung und Vermarktung des neuartigen Antriebs gegangen sei, also doch eine richtige Geschäftstätigkeit stattgefunden habe. Der Erfinder Richard R. kann damit leider nicht dienen: Er nahm in Hof sein Recht auf Zeugnisverweigerung in Anspruch, da er selbst in dieser Angelegenheit verfolgt wird.

Dafür zeigte sich ein andere Zeuge ganz angetan vom Hydro-Bus-Konzept. Der 58-jährige Ingenieur aus dem Schwäbischen, der selbst schon einen „Eierkocher mit Zusatzfunktion“ und ein „neuartiges Pflaster“ ertüftelt hat, konnte sich durchaus vorstellen, dass Richard R. etwas erfunden hat, das einen zweistelligen Millionenbetrag wert sein könnte. Zu verwirklichen seien solche Entwicklungen allerdings nur mit sehr viel Geld und in Zusammenarbeit mit Firmen die etwas davon verstehen.

Skurrile Szenerie

Andere Zeugen äußerten sich viel vorsichtiger. So etwa der technische Geschäftsführer eines großen österreichischen Busunternehmens, dem Richard R. seine Entwicklung angedient hatte. „Es war schon eine sehr skurrile Szenerie“ beschrieb der Zeuge seinen Besuch in der Erfinderwerkstatt in Niederbayern. Letztlich sei aber aus der Zusammenarbeit nichts geworden, weil Richard R. außer Zeichnungen nichts Konkretes vorweisen konnte. Ebenso erging es dem leitenden Ingenieur eines Fahrzeugbauunternehmens in Niederbayern und dem Inhaber einer Buswerkstatt, die als Zeugen gehört wurden auffällig: Von allen wollte Richard R. hauptsächlich Bescheinigungen über eine Zusammenarbeit, die er eventuellen Investoren vorlegen wollte.

Der Prozess wird am 18. November um 8.30 Uhr fortgesetzt. Dann wollen sich auch die Angeklagten zur Sache äußern.

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