Sportredakteur geht in die Luft Probetraining Segelfliegen: Ein Faden gibt die Richtung vor

Von
Aus dem Cockpit bietet sich ein grandioser Blick über die Region Bayreuth. Ein wichtiges Detail auf diesem Foto: der rote Bindfaden (oben rechts). An ihm richten die Piloten ihre Fluglage aus. Foto: red

Bei seinem Jungfernflug genießt Sportredakteur Torsten Ernstberger nicht nur die Aussicht aus 1000 Metern Höhe. Er lernt auch viel über Flugzeuge, Wolken,
Thermik, Bindfäden und Korkenzieher – aber auch, dass sein Magen nur bedingt belastbar ist.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Es ist eng: Neben den Hüften ist nicht viel Platz, und auch nach oben bietet das Cockpit nur wenig Bewegungsmöglichkeiten. Und das in 1000 Metern Höhe. Mein Herz schlägt schnell. Es ist mein erster Segelflug.

Doch dann geht der Blick nach vorne: Das Fichtelgebirge breitet sich vor mir aus, unter mir liegen Bayreuth und Bindlach. Das Industriegebiet, die Autobahn, das Hans-Walter-Wild-Stadion – alles ist klar erkennbar. Eine atemberaubende Aussicht. Ich habe zwar immer noch reichlich Adrenalin im Blut, aber die anfängliche Nervosität wird immer geringer.

„Wir fliegen hier oben übrigens auf Sicht“, sagt Bernd Löser. Nach dieser Ansage des Fluglehrers der Luftsportgemeinschaft (LSG) Bayreuth werde ich doch wieder unruhiger. Denn: Ich sitze im Doppelsitzer vorne, ich habe den Überblick.

„Aber keine Angst, ich habe von hier hinten alles im Griff und kann die Instrumente genauso bedienen wie du vorne“, ergänzt Löser und kann sich ein kleines Lachen nicht verkneifen. Und dann geben mir noch drei Zahlen Sicherheit: Seit 33 Jahren fliegt Löser, absolvierte dabei 1500 Flugstunden und 2000 Starts.

Allerdings kann auch der 47-Jährige nicht verhindern, dass der Flug mit einem großen Knall beginnt. Zunächst wird das etwa 600 Kilogramm schwere Flugzeug an ein Seil gekettet, das mit einer Winde verbunden ist. Jetzt geht alles ganz schnell: Drei Sekunden später ist das Flugzeug auf 70 km/h beschleunigt und steigt steil nach oben. Dann kracht es laut, Löser hat das Zugseil ausgeklinkt.

Eine ungefährliche Sportart

„Das ist wahrscheinlich der gefährlichste Moment beim Segelfliegen“, sagt Löser. „Man muss genau wissen, was zu tun ist, wenn zum Beispiel das Seil reißt.“ Deshalb müssen Flugschüler diese Situation im Simulator üben und bis 70 Starts an der Winde im Doppelsitzer absolvieren, bevor sie alleine in die Luft dürfen.

„Segelfliegen ist ein ungefährlicher Sport. Man darf sich eben nicht in Gefahrensituationen bringen. Dann gibt es nur noch ein Grundrisiko, das man aber ausschalten kann, wenn man die Sicherheitsverfahren kennt.“ So sei es schwieriger, einen Flugschein zu machen als einen Autoführerschein. Schließlich brauche man kein regelmäßiges ADAC-Sicherheitstraining, um am Straßenverkehr teilzunehmen.

Piloten sind Hobby-Meteorologen

Und zum Autofahren benötigt man keine Wetterkenntnisse. Die Segelflug-Piloten dagegen sind alle Hobby-Meteorologen. „Die Sonne ist unser Motor“, erklärt Löser. „Wir sind eigentlich ständig auf der Suche nach Thermik. Also dem Aufwind, der dadurch entsteht, dass Sonneneinstrahlung die Erdoberfläche und die Luft am Boden erwärmt.“

Und der Wegweiser zur Thermik sind Wolken. Schäfchenwolken oder Wolkenfelder, die in großen Höhen die Sonne bedecken, sind schlecht. Blumenkohlartige Wolkenschichtungen versprechen dagegen großen Auftrieb.

Im Spiralflug nach oben

Plötzlich ruckelt das Flugzeug, die rechte Tragfläche geht nach oben. „Jetzt haben wir Thermik gefunden“, sagt Löser und schaut auf das Variometer (Steigmesser). „Drei Meter pro Sekunde, das ist super.“ Er bringt das Flugzeug in Seitenlage und kreist im Aufwind. Wie ein Korkenzieher schraubt sich der Segelflieger in Spiralbewegungen in die Höhe.

„Jetzt lenk’ du mal“, fordert mich Löser auf. Mit den Füßen steuere ich die Seitenruder, synchron dazu mit den Händen am Steuerknüppel das Querruder. Der Blick ist dabei auf ein sehr billiges, aber auch sehr wichtiges Instrument im Flugzeug gerichtet. Einen Bindfaden, der oben auf der Plexiglaskanzel angebracht ist. Er zeigt an, wie die Luft das Flugzeug anströmt. Ziel ist es, möglichst widerstandsarm zu fliegen. Dazu muss der Bindfaden möglichst parallel zur Flugrichtung flattern.

Wie eine 30-minütige Achterbahnfahrt

Das gelingt ganz gut. So gut, dass Löser das Kommando „Vollgas“ gibt. Ich drücke den Steuerknüppel nach vorne, das Flugzeug beschleunigt auf 190 km/h. Die Folge ist allerdings, dass wir an Höhe verlieren. Nun gilt es wieder Aufwind zu finden, das Korkenzieherspiel beginnt von vorne – und in meiner Magengegend macht sich ein mulmiges Gefühl bemerkbar.

Der Flug erinnert an eine Achterbahnfahrt, allerdings eine, die nicht nach zwei Minuten endet, sondern erst nach 30. Hinzu kommt die Hitze im Cockpit. Immer mehr Schweißperlen bilden sich auf der Stirn, mein T-Shirt ist am Rücken schon klatschnass. Frischluft spenden nur die Lüftung und ein kleines Schiebefenster.

Ich bin froh, als ich nach einer sanften Landung auf der Flugplatzwiese wieder festen Boden unter den Füßen habe. Doch schon wenige Minuten später geht mein Blick in den Himmel, ich entdecke Blumenkohlwolken – und spätestens jetzt bin ich mir sicher: Ich muss unbedingt wieder da hoch und dieses Gefühl von absoluter Freiheit noch einmal genießen.

Mehr über das Segelfliegen und die LSG Bayreuth erfahren Sie hier.

Autor