Speichersdorf Das unbewiesene Messer am Hals

Manfred Scherer
Einen unbewiesenen Fall der Bedrohung bekam Strafrichter Holger Gebhardt auf den Tisch. Foto: Archiv/Manfred Scherer

Eine Randale in Speichersdorf bringt einen 27-Jährigen vor Gericht. Es geht um ein Messer am Hals einer Frau. Im Prozess findet der Angeklagte einen unerwarteten Verteidiger.

 
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Bayreuth/Speichersdorf - Der 27-jährige Angeklagte ist von weit her gekommen: Ein Kriegsflüchtling aus Homs in Syrien. Berufslos ist er, eine Bleibe hat er. In Speichersdorf.

An der Wohnadresse des Mannes gab es am 11. September abends einen Polizeieinsatz. Eine Frau behauptete, der 27-jährige habe sie beleidigt und bedroht, indem er ihr ein Messer an den Hals gehalten habe.

Die Polizei nahm das auf, der Vorgang kam zur Staatsanwaltschaft. Der zuständige Staatsanwalt beantragte im Dezember bei Strafrichter Holger Gebhardt den Erlass eines Strafbefehls gegen den 27-Jährigen.

Doch Richter Gebhardt lehnte den Erlass ab und setzte eine Hauptverhandlung an. Der Syrer, der ohne Verteidiger kam und leidlich deutsch spricht, erklärte, er habe niemanden beleidigt und auch die Frau nicht bedroht, schon gar nicht mit einem Messer. Vielmehr sei er von einer Person als „Hund“ beleidigt worden, die er namentlich nicht kenne.

Den Ausführungen des Angeklagten war zu entnehmen, dass die angeblich bedrohte Frau und er sich näher kannten, es in dieser Beziehung ein stetes Hin und Her gab. Sie hatte einen Schlüssel für die Wohnung des Angeklagten.

In der Folge wurde klarer, warum der Richter den Strafbefehl nicht erlassen hatte: Die Frau, die bedroht worden sein will, erschien nicht zur Vernehmung bei der Polizei. Und auch zum Prozess wollte sie nicht als Zeugin erscheinen, rief kurz vorher an und nannte Corona als Grund.

Doch der Richter hatte noch einen „Tatzeugen“ in der Hinterhand: Den 40-jährigen Cousin des angeblichen Opfers. Er war am 11. September bei dem Vorfall dabei – und hatte der Vorladung zur Polizei ebenfalls nicht Folge geleistet.

Zum Strafprozess aber erschien er und sagte: „Da war nix mit einem Messer am Hals.“ Er berichtete: „Wir alle haben gesoffen.“ Im Verlauf einer Streiterei habe der Angeklagte ein Küchenmesser genommen und es auf den Boden geworfen, mehr nicht.

Und über seine Cousine sagte der Zeuge: Die Frau baue immer wieder „Sch...“ Aus den Alkoholwerten, die die Polizei damals vor Ort erhob, ergibt sich: Das angebliche Opfer hatte zwei Promille, ihr Cousin 1,7.

Richter Gebhardt ließ sich eine leise Kritik anmerken: Der zuständige Staatsanwalt habe aus der Sachlage einen Antrag auf Strafbefehl „gebastelt“, den er nicht unterschreiben wollte. Eine Sachlage, bei der nach der Aussage des Cousins eine Verurteilung sehr fraglich sei.

Mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft stellte Gebhardt das Verfahren im Hinblick auf eine andere Verurteilung der Angeklagten, die erst im November erfolgt war, ein.

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