SPD-Vorstellung in Bayreuth

Von Elmar Schatz
Der Landesvorsitzende der bayerischen SPD, Florian Pronold, spricht in München während einer Pressekonferenz. Pronold will seinen Posten abgeben und hat Generalsekretärin Kohnen als seine Nachfolgerin vorgeschlagen. Inzwischen gibt es mehrere weitere Bewerbungen. Foto: Sven Hoppe/dpa Foto: red

Am Anfang scheint alles klar: Der scheidende bayerische SPD-Chef Florian Pronold wünscht sich seine Generalsekretärin Natascha Kohnen als Nachfolgerin. Doch dann melden noch fünf Männer ihren Anspruch auf das Amt an. Das Sextett präsentierte sich am Montagabend in Bayreuth im Arvena-Hotel bei einer Vorstellungskonferenz; denn die Sozialdemokraten haben ein Mitglieder-Votum über den Parteivorsitz angesetzt. Der erkrankte Pronold kam nicht nach Bayreuth.

 
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„Ich bin nur ein kleiner Lehrer, aber nicht der allerdümmste“, sagt Uli Aschenbrenner (48), der „Kandidat aus dem Nichts“ für den Vorsitz der Bayern-SPD, wie eine Zeitung schrieb. Der verheiratete Berufsschullehrer erzählt sein Leben. Als lediges Kind in Straubing geboren, wächst er in einem kleinen niederbayerischen Dorf auf, wird von den Großeltern, Nachbarn und Tanten erzogen. Seine Mutter ist mit 19 Jahren schwanger geworden.

„Ich habe den Waldkindergarten besucht“, lächelt er, „da sind wir morgens rein in den Wald und irgendwann abends zurückgekommen.“ Eine schöne Kindheit sei das gewesen. Erlebt hat er auch weniger schöne Sachen, etwa wenn er eine Jeans mit dem Zettel vom Sozialamt bezahlen und dabei die demütigenden, missbilligenden Blicke der Leute aushalten musste. Den Quali hat er zunächst gemacht, dann Schlosser gelernt. „Ich bin stolz, dass ich mein Geld mit meinen Händen verdienen kann“, sagt er.

Als Bester in Niederbayern und Drittbester in ganz Bayern hat er die Spengler-Prüfung abgeschlossen. „Da geht noch etwas“, denkt er sich – und absolviert die Berufsaufbauschule und die Berufsoberschule, um dann in München an der Technischen Universität studieren zu können. Als Zivi beim Malteser Hilfsdienst hat er seine Frau kennengelernt; sie bekommen Zwillinge, vier Wochen bevor bevor er sein Studium beginnt.

"Wir müssen die Interessen der Leute, die uns wählen sollen, auch vertreten"

Eine schwierige Zeit mit Vaterpflichten daheim und Studieren in einem kleinen Zimmerchen in München. „Aber das ist rumgegangen.“ 20 Jahre arbeitet er nun als Berufsschullehrer, „verdient vernünftiges Geld, hat seine Frau, vier vernünftige Kinder – alles passt“. Zur SPD kommt er, als ein „schwarzer“Kollege zu ihm sagt: „Bei der SPD wird ein Platz frei, das wär‘ was für Dich.“ Zuerst  denkt er sich: „So ein Krampf“, dann aber: „Warum nicht?“ Nun möchte er bayerischer SPD-Vorsitzender werden, mit der These: „Wir müssen die Interessen der Leute, die uns wählen sollen, auch vertreten.“

Auch die anderen Kandidaten stellen sich vor, erzählen aber weniger von sich selbst. Die Münchner Landtagsabgeordnete und Kommunalpolitikerin Natascha Kohnen (49) hat zwei erwachsene Kinder und ist Biologin. Sie sagt, mehr als 1200 Neumitglieder, die Hälfte davon 18 bis 30 Jahre alt, habe die bayerische SPD aufgenommen, seit Martin Schulz Kanzlerkandidat ist.

„In diesem Jahr haben wir die Riesenchance, den Kanzler zu stellen.“ Kohnen wünscht sich, dass 70-Jährige nicht mehr aufs Amt gehen müssen, um ihre Rente aufstocken zu lassen und Arme im Alter nicht darauf angewiesen sind, auf entwürdigende Weise Pfandflaschen zu sammeln. Gerechtigkeit ist ihr Credo. Sie beklagt, es sei eine „Generation der Angst, die da aufwächst“. Die in eine „Generation der Zuversicht“ verwandelt werden müsse.

"Wir brauchen einen Neustart"

Florian von Brunn (48) hat sich schon vor Aschenbrenner und Kohnen vorstellen dürfen, das Los hat über die Reihenfolge entschieden. Von Brunn ist Landtagsabgeordneter, verheiratet und hat eine 17-jährige Tochter und einen 13-jährigen Sohn. Die Familie wohnt in Sendling. Ihn stört das mangelnde Selbstbewusstsein der Bayern-SPD. „Wir brauchen einen Neustart.“ 60 Jahre regiert die CSU in Bayern, doch für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen habe sie nicht gesorgt. „Wir müssen die Chance nutzen, die uns die Energiewende bietet und die Seehofer mit seiner Windkraft-Blockade kaputt gemacht hat“, erklärt er.

Gregor Tschung (51) stammt aus Köln, war Chefredakteur einer Zeitung und ist seit September vergangenen Jahres  Sprecher der Münchner Tafel. Er ist verheiratet und hat zwei Töchter. Er will alles tun, um „Seehofer in den wohlverdienten Ruhestand zu schicken“. Er sagt: „Söder & Co taugen nicht einmal als Statisten für die Wagner-Festspiele.“

Jeder Zehnte in Bayern lebe in Armut, in Oberfranken sogar jeder Siebte. „Lasst uns doch für das bedingungslose Grundeinkommen streiten.“ Er schließt: „Wenn im tiefsten Niederbayern ein Schwuler Landrat wird, dann darf auch ein katholischer, gebürtiger Kölner Vorsitzender der bayerischen SPD werden.“

Klaus Barthel (61) ist Bundestagsabgeordneter, Gewerkschaftssekretär und Bundesvorsitzender der Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen (AfA). Er sagt in Anspielung auf Karl-Theodor zu Guttenberg: „Die CSU muss sich jetzt einen Leiharbeiter aus den USA holen, der ihr Außenpolitik beibringt.“ Er sieht ein Wohlstandsgefälle innerhalb Bayerns: Das Durchschnittseinkommen liege in Oberbayern bei 62000 Euro und in Oberfranken bei nur 38000 Euro im Jahr.

"Ich glaube nicht, dass wir bei Söder am Kabinettstisch sitzen wollen"

Markus Käser (41) aus Pfaffenhofen strebt ebenfalls an die Spitze der Bayern-SPD. Als Windrad-Verfechter hat er einen Bürgerentscheid gewonnen, erklärt er. „Es hat Morddrohungen gegeben und gekreuzte Metzgermesser vor der Haustüre.“ Er sagt: „Der Schulz-Hype übertüncht, dass nicht alles bestens ist bei der Bayern-SPD.“ Die acht Millionen Wählerinnen und Wähler in Bayern leben nicht alle in Großstädten. „Gewinnt die SPD auf dem Land nicht, wird Schulz auch nicht Kanzler. Scharf lehnt er eine Bayern-Groko ab: „Ich glaube nicht, dass wir bei Söder am Kabinettstisch sitzen wollen.“

In der Fragerunde nach der Kandidaten-Vorstellung ist die Rückkehr zum G9, dem neunjährigen Gymnasium, ein Thema. Florian von Brunn mahnt, andere Schulformen nicht zu vergessen. Barthel fragt, woher die G8-Idee gekommen sei, und antwortet, der Gedanke dahinter sei, den Menschen maximal und optimal zu verwerten.

Der Ruf nach Abschaffung der Rente mit 67 wird laut. Barthel sagt: „Die Debatte wird zynisch geführt von Professoren, die leicht länger arbeiten können gegenüber jenen, die nicht mehr können.“ Wie hältst Du es mit der Flüchtlingspolitik? Kohnen sagt, es fehle nach wie vor ein Einwanderungsgesetz. Und zum Beispiel ein Freihandelsabkommen mit Afrika.

Ihr Sohn hat ein Freiwilliges Soziales Jahr in Ghana abgeleistet und dort erfahren, die Zölle auf Kakao seien so hoch, „dass die Leute gehen, weil sie nichts mehr verdienen“. Käser kann sich in der Diskussionsrunde eine Spitze gegen Kohnen nicht verkneifen: Wenn man schon acht Jahre am Ruder war, kann man sich nicht hinstellen und sagen: Wir machen jetzt einen Neuanfang.“

 

Hintergrund: Abstimmung Landesvorsitz

Bei dem Mitgliedervotum stimmen 59.000 Mitglieder der bayerischen SPD über den künftigen Landesvorsitz ab. Sieben Vorstellungsrunden gibt es, in jedem Bezirk eine. Eine Frau und fünf Männer kandidieren. Die Briefwahl beginnt am 3. April mit dem Versenden der Wahlunterlagen und dauert bis zum 11. Mai (Einsendeschluss). Die Stimmen werden am 12. Mai ausgezählt. Alle, die bis zum 3. April in die Bayern-SPD eintreten, dürfen noch mitwählen. Vereint eine Kandidatin oder ein Kandidat eine absolute Mehrheit der Stimmen in der Mitgliederbefragung auf sich, verzichten die Unterlegenen auf eine Kandidatur auf dem Parteitag.

Alle sechs BewerberInnen gaben schriftlich eine entsprechende Verzichtserklärung ab. Der Verzicht gilt auch für den Fall, dass keiner die absolute Mehrheit der Stimmen im Mitgliedervotum erreicht. Zur Wahl auf dem Parteitag in Schweinfurt am 20./21. Mai stellen sich dann die zwei KandidatInnen auf Platz Eins und Zwei der Mitgliederbefragung. Der Parteitag ist an das Mitgliedervotum nicht gebunden, kann sich der starken Willensbekundung aber wohl kaum entziehen.

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