Wer als "arm" gilt, ist laut Mikrozensus nach Haushaltstypen und verfügbarem Nettoeinkommen gestaffelt. Dabei gilt generell: Jede Person, die mit ihrem verfügbaren Einkommen unter 60 Prozent des mittleren Einkommens liegt, wird als einkommensarm eingestuft. Ein Single-Haushalt ohne Kinder erreicht die Armutsschwelle demnach etwa bei weniger als 1186 Euro verfügbarem Einkommen im Monat. Eine Alleinerziehende mit einem Kind unter 14 Jahren gilt entsprechend der Staffelung als arm, wenn sie weniger als 1542 Euro monatlich zur Verfügung hat.
Kritik an Kindergrundsicherung
Die Ergebnisse zur Kinderarmut lösten insbesondere bei Sozialverbänden Entsetzen aus. Sie seien eine "Schande für so ein reiches Land", erklärte etwa die Präsidentin des Sozialverbands VdK, Verena Bentele. Sie forderte die Bundesregierung auf, bei der geplanten Kindergrundsicherung nachzubessern. "Mit der Kindergrundsicherung, wie sie im Moment geplant ist, können wir die Kinderarmut in Deutschland nicht bekämpfen."
Ähnlich äußerte sich Verbandschef Schneider. Auf die Frage, ob das Projekt von Familienministerin Lisa Paus in seiner jetzigen Form geeignet sei, die Kinderarmut substanziell zu bekämpfen, antwortet der Verbandschef mit einem klaren "Nein". Es brauche nicht nur eine digitale Auszahlung von Mitteln, sondern schlichtweg mehr Geld, mahnte Schneider an. Die Kindergrundsicherung müsse im Vergleich zu den Bürgergeldsätzen "um 40 Prozent höher liegen".
Mit der Kindergrundsicherung will die Bundesregierung ab 2025 bisherige Leistungen wie das Kindergeld, Leistungen aus dem Bürgergeld für Kinder oder den Kinderzuschlag bündeln. Mehr anspruchsberechtigte Familien sollen so das erhalten, was ihnen zusteht. Ob Familien dadurch künftig automatisch mehr Geld als bisher haben werden, wie es Verbandschef Schneider verlangt, ist bislang unklar.
Die Hauptkritik an dem Projekt sind befürchtete Doppelstrukturen. Diese Gefahr sieht unter anderem auch der Normenkontrollrat (NKR), der Zeitaufwand und Kosten untersucht, die durch neue Gesetze entstehen. Am Dienstag stellte er ein neues Gutachten vor, in dem ein vereinfachtes System zur Auszahlung von Sozialleistungen angeregt wird - unter anderem durch mehr Pauschalen. In dem vom Beratungsunternehmen Deloitte erstellten Gutachten heißt es unter anderem, die Leistungen der Kindergrundsicherung müssten "konsequent gebündelt" sein. Dies sei bei dem Vorhaben noch nicht der Fall, unter anderem weil "angrenzende Leistungen wie Bürgergeld und Wohngeld nicht ausreichend adressiert und Behördenkontakte nicht reduziert, sondern erhöht wurden".
Auf diese Kritik geht die Familienministerin auf dpa-Nachfrage nicht ein. Vergangenen Dezember hatte ein Sprecher des Ministeriums versichert: "Klar ist, es soll hier kein Bürokratie-Monster aufgebaut werden, sondern es soll Bürokratie abgebaut werden. Das ist das Ziel der Kindergrundsicherung und daran arbeiten wir." Klar ist aber auch: Die Arbeit ist noch lange nicht abgeschlossen.