So kriegt das Adipositas-Zentrum Fett weg

Von Peter Rauscher
Der Operateur: Oberarzt Jamal El Chafchak arbeitet für das Adipositas-Zentrum in Bayreuth. Foto: Peter Rauscher Foto: red

Sie ist 28 Jahre alt, sprüht nur so vor Lebensfreude und wog bis vor kurzem noch 143 Kilogramm. Frauke (Name von der Redaktion geändert) aus Bayreuth leidet an Adipositas, krankhafter Fettleibigkeit. Im Kampf gegen die vielen Kilos hofft sie auf Hilfe des neuen Adipositas-Zentrums am Klinikum Bayreuth.

 
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Schon als Kind habe sie zu viel gewogen, als Jugendliche habe sie unkontrolliert gegessen, war ein Sportmuffel, erzählt Frauke dem Kurier. Dann, nach der Geburt ihrer beiden Kinder und der Erkrankung ihres Vaters, hat sich etwas geändert in ihrem Kopf. „Das starke Übergewicht wird mich krank machen. Meine Kinder sollen aber lange was von ihrer Mutter haben“, sagt sie. Frauke probiert Weight Watchers und Eiweißdiäten – ohne Erfolg. Sie sucht medizinische Hilfe, liest im vergangenen Sommer im Kurier vom neuen Adipositas-Zentrum am Klinikum und nimmt Kontakt auf.

1,2 Millionen Fettleibige

Dr. Jamal El-Chafchak ist Oberarzt an der Allgemein- und Viszeralchirurgie am Klinikum. Fälle wie den von Frauke kennt er viele. „1,2 Millionen Menschen in Deutschland sind extrem fettleibig“ , sagt er. Adipositas gehe mit Essstörungen einher, entstehe aber nicht einfach, weil jemand viel esse, sondern sei eine von der Weltgesundheitsorganisation anerkannte chronische Krankheit.

Die Gesundheitsrisiken

Mit großen Gefahren für die Betroffenen: Die Risiken für Diabetes, Bluthochdruck, Fettleber, Gallensteine, Herzinfarkt, Gicht, Arthrose in Knie- und Hüftgelenken und bestimmte Krebsarten stiegen deutlich. Die bekannten Diäten hätten oft nur einen Jojo-Effekt und machten nur noch dicker. Das Bayreuther Adipositas-Zentrum, das im Sommer eingerichtet wurde, will mit einem zweistufigen Verfahren helfen: Erster Schritt ist die konservative Behandlung, wenn das nicht reicht folgt im zweiten Schritt eine Operation.

Ernährung, Bewegung, Psychologie

Ab einem Body-Mass-Index (BMI) von 40 – oder bei vorliegender Nebenerkrankung ab 35 – kann sich jeder an das Adipositas-Zentrum wenden. Frauke ist nach Gesprächen mit El Chafchak und Cindy Glod, Fachkoordinatorin im Adipositas-Zentrum, in Phase eins eingestiegen: Sie war beim Ernährungsberater, treibt jetzt zweimal die Woche eine Stunde Sport in der klinikeigenen Gruppe in der Hohen Warte, im Fitnessstudio oder im Schwimmbad und hat rasch einen Termin beim Psychologen bekommen. Der muss klären, ob eine Sucht oder Persönlichkeitsstörung vorliegt.

Glod sagt: „Viele adipöse Menschen wollen etwas gegen ihr Übergewicht tun und wissen nicht recht wie. Bei uns gibt es eine Anlaufstelle, die alle Maßnahmen anbietet, koordiniert und sich um die Menschen kümmert, auch bei der Nachsorge.“ Rund 60 Patienten durchliefen derzeit das Programm, bald würden es mehr als 80 sein.

Neues Körpergefühl

„Ich merke, es bewegt sich was“, sagt Frauke. Dank ihres neuen Ernährungstagebuches hat sie erst begriffen, wie viel sie isst. „Wie oft griff ich früher gedankenlos in die Gummibärchen, jetzt gibt es nur noch fünf Stück. Und keine Schokolade mehr.“ Durch das Schwimmen habe sie ein ganz neues Körpergefühl entwickelt.

In drei Monaten wird sie entscheiden, ob ihr der erzielte Abnehmerfolg reicht oder ob sie die Operation wählt. Normalerweise dauert diese Phase sechs Monate, bei Frauke wurde die Frist wegen eines besonders hohen BMI verkürzt. Leicht wird sie sich die Entscheidung nicht machen. „Eine OP mit Vollnarkose ist ja auch nicht ganz ohne Risiko.“

Minimal seien diese Risiken, sagt El Chafchak, der den Eingriff nach eigenen Angaben in der renommierten Hamburger Schön-Klinik bereits Dutzende Male durchgeführt hat. Voraussetzung für eine Operation ist, dass Phase eins durchlaufen wurde, dass keine Sucht oder Persönlichkeitsstörung vorliegt und dass der BMI größer als 40 ist (bei Vorliegen einer Folgeerkrankung ab 35). Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn ein 40-Jähriger mit 1,80 Metern Größe 130 Kilogramm wiegt.

Schlauchmagen oder Magenbypass

Die häufigsten Operationsmethoden sind ein sogenannter Schlauchmagen oder ein Magenbypass. Beim Schlauchmagen werden 80 Prozent des Magens entfernt, es bleibt ein Schlauch, in dem deutlich weniger Platz ist als vorher. Beim Magenbypass wird ein Teil des Dünndarms umgangen. Die Eingriffe werden minimalinvasiv mit der Schlüssellochtechnologie unter Vollnarkose vorgenommen. Welche OP-Methode El Chafchak wählt, entscheidet er in Absprache mit dem Patienten. „Es ist die letzte, aber auch die effektivste Methode gegen Adipositas, die langfristig wirkt“, sagt der Arzt.

Keine Lifestyle-Chirurgie

Spätfolgen können Mangelerscheinungen wegen schlechterer Nahrungsverwertung sein. Aus diesem Grund sei es nötig, nach der OP lebenslang Vitaminzusätze zu sich zu nehmen. Ein Punkt ist El Chafchak besonders wichtig: Die Operation, die in der Regel nach Vorliegen entsprechender Gutachten von den Krankenkassen bezahlt werde, sei „keine Lifestyle-Chirurgie, damit Patienten schlank und hübsch werden können“, sondern diene dazu, Krankheiten zu verhindern.

Magenband entfernt

Ein 36-jähriger Schweinfurter (Name der Redaktion bekannt) hat den Eingriff bereits hinter sich. Er hatte sich 2013 ein Magenband einsetzen lassen, um Gewicht zu verlieren, nahm ab und dann wieder zu, litt unter Übelkeit, und suchte schließlich Hilfe im Bayreuther Adipositaszentrum. Dort wurde das Band Ende Dezember entfernt und eine Schlauchmagen-OP vorgenommen. Ein bis zwei Tage nach dem Eingriff habe er Schmerzen gehabt, am vierten Tag sei er entlassen worden und nach einer Woche habe er wieder arbeiten können. Die erste Zeit habe er nur Brei gegessen, „heute geht’s mir gut“, sagt er. Von seinen früheren 140 Kilo habe er bereits 14,5 Kilo abgenommen. „Im Restaurant esse ich jetzt nur noch ein Drittel einer Pizza.“

 

Info: Terminvereinbarung zur Adipositassprechstunde unter Telefon 0921/400 753 721 oder E-Mail mvz.chirurgie@klinikum-bayreuth.de.

Oberarzt El Chafchak stellt die Adipositasbehandlung in einem Vortrag am Mittwoch, 28. Februar, ab 18 Uhr im Konferenzraum 4 im Klinikum vor.

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