Serie: Sagenhafte Plätzchen aus dem Fichtelgebirge Beate Wolf kämpft eisern um ihr „Steinhaus“

Vanillehörnchen á la Oma Rosi sind zu Weihnachten ein Muss für Beate Wolf und ihre Familie. Das Rezept stamme aus der Waldsassener Internatszeit ihrer Mutter, erzählt die „Steinhaus“-Wirtin. Foto: /pr

Die Pandemie setzt dem Ein-Frau-Betrieb stark zu. Doch die Ausflugsgaststätte bei Thiersheim feiert in zwei Jahren 100. Jubiläum. Also gilt es durchzuhalten, schon den Gründern zuliebe, Beate Wolfs Großeltern.

 
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Thiersheim - Erbe verpflichtet – vor allem, wenn das Herz daran hängt. Davon kann Beate Wolf ein Lied singen. Der 52 Jahre alte Thiersheimerin gehört die beliebte Ausflugsgaststätte „Steinhaus“. Ihre Großeltern Trine und Heinrich Reihl haben sie vor 98 Jahren eröffnet, ihre Mutter Rosi Lippold hat sie weitergeführt. Nun betreibt Beate Wolf sie samt der Landwirtschaft weiter. Braten, die im Wirtshaus auf den Tisch kommen, stammen seit jeher von eigenen Rindern und Schweinen oder aus dem dazugehörigen Damwild-Gehege.

Wurst-Reinheitsgebot

Was ihre Großeltern begannen, führt Beate Wolf im 21. Jahrhundert als Genussbotschafterin Oberfrankens so weiter, dass ihr Betrieb sogar das Zertifikat „Immaterielles Kulturgut“ erhielt. Außerdem schloss sich die Direktvermarkterin vor fünf Jahren mit anderen Betrieben zusammen, in deren Küchen ebenfalls keine Geschmacksverstärker zu finden sind: Alle garantieren, das Wurst-Reinheitsgebot einzuhalten.

Musik und Speisen handgemacht

Es versteht sich fast von selbst, dass sich die Thiersheimerin zudem im Förderverein Lebens- und Wirtschaftsraum Fichtelgebirge aktiv für eine gute Zukunft ihrer Heimat einsetzt. Deshalb kämpfte sie zum Beispiel gegen Windkraftanlagen im Naturschutzgebiet oder nutzte die Corona-Verschnaufpause im Sommer, um das „Steinhaus“-Areal in eine Open-Air-Arena zu verwanden. Passend zu ihren handgemachten Speisen ohne Geschmacksverstärker servierte sie handgemachte Musik einer einheimischen Band ohne elektronische Verstärker.

„Hoffnungslos überfordert“

Doch was nützen die malerische Lage, der ökologische Anbau, der gute Ruf, die innovativen Ideen und die vielen Prädikate, wenn die Pandemie kaum mehr Luft lässt für all das, was diesen fast 100 Jahre alten Betrieb so interessant macht?

Mann hilft in Landwirtschaft

„Corona setzen mir und der Gaststätte schwer zu“, sagt Beate Wolf. Seit November hat sie geschlossen. „Als Ein-Frau-Betrieb bin ich hoffnungslos überfordert. Ich müsste zeitgleich Gäste kontrollieren, bedienen, Essen zubereiten, nebenbei spülen, aufräumen und, und, und.“ Wie sieht es mit familiärer Unterstützung aus? Leider sei ihre Mutter vor sechs Jahren gestorben, mit der sie die Gaststätte lange Zeit führte. Beate Wolfs Tochter und Sohn sind selbst berufstätig , ebenso wie ihr Mann. Der Tierarzt betreibt zumindest die Landwirtschaft mit seine Frau. „Thomas ist für das lebende Tier und ich für das tote zuständig, sprich: Mein Mann kümmert sich um die Tierhaltung und ich um die Verarbeitung nach der Schlachtung“, erklärt Beate Wolf.

Angst vor 5000 Euro Strafe

Weil es unwirtschaftlich sei, die Gastwirtschaft im Normalbetrieb nach den 2G-Regeln zu öffnen, bewirtet die „Steinhaus“-Chefin aktuell nur Gruppen mit Anmeldung. Denn Beate Wolf hat Angst davor, dass ihr ein Fehler bei der Kontrolle unterläuft und sie dann mit 5000 Euro Strafe rechnen muss. „Das kann ich mir nicht leisten.“

2G-Regel im Freien „nicht nachvollziehbar“

Werde die 2G-Regel für den Außenbereich bis zum Frühjahr nicht aufgehoben, weiß sie nicht, wie es weitergehen soll. Die Abstände zwischen ihren Tischen innen und außen seien reichlich. Deshalb kann die Waldgaststätten-Wirtin die aktuelle 2G-Regelung, vor allem im Freien, nicht nachvollziehen.

Braten nur noch im Kochbeutel

Als Einkommensalternative verkauft sie samstags neben ihrem beliebten Bio-Roggenbrot selbstgemachte Braten mit Fleisch ihrer eigenen Weiderinder und ihres Damwilds portioniert und tiefgefroren im Kochbeutel. Kann das den Gaststättenbetrieb ersetzen? Natürlich nicht, bedauert die 52-Jährige. „Es tröpfelt so.“ Doch den Kopf in den Sand zu stecken, verbietet sich angesichts der Liebe zu ihrem Elternhaus. Also kämpft die Thiersheimerin weiter, das 100. Jubiläum fest im Blick.

Alle lieben Mutters Internats-Rezept

Nun soll erst einmal Weihnachtsfrieden im „Steinhaus“-Gelände einkehren. Dank der Rezepte ihrer Großmutter ist die Wurst nach dem Reinheitsgebot längst fertig – phosphatfrei, versteht sich, wie schon bei Wolfs Mutter und ihrem Onkel. In der Gaststätten-Küche ist Platz zum Plätzchen-Backen. Natürlich ebenfalls nach einem Familien-Rezept: Die Vanillehörnchen á la Oma Rosi sind ein Muss, wenn Beate und Thomas Wolf mit ihrer 23-jährigen Tochter Elisabeth und ihrem 24-jährigen Sohn Johannes unter dem Christbaum sitzen. Das Rezept stamme aus der Waldsassener Internatszeit ihrer Mutter, die jedes Jahr mit viel Liebe gebacken hat, erzählt Beate Wolf.

Form-Perfektionismus? Abgelegt.

„Die Vanillehörnchen sind mit Abstand die beliebtesten Plätzchen in der Familie und für mich eine persönliche Herausforderung in puncto gleichmäßiges Aussehen. Diesen Perfektionismus habe ich inzwischen abgelegt. Jetzt forme ich nach der Devise: Nicht das Aussehen, sondern der Genuss ist die Hauptsache.“

Vanillehörnchen
Zutaten:

200 Gramm Dinkelmehl alternativ zu Weizenmehl
70 Gramm gemahlene Mandeln mit Schale
140 Gramm Butter
70 Gramm Zucker
Zum Bestäuben:

Vanille- mit Puderzucker gemischt
Zubereitung:

Zutaten miteinander vermengen.
Teig kaltstellen.
Hörnchen formen und nochmals kaltstellen.
Bei rund 180 bis 200 Grad backen. Nach dem Backen sofort mit der Puderzucker- und Vanillemischung bestäuben.

Adventskalender mal anders: In der neuen Frankenpost-Serie erklärt täglich ein Backprofi aus dem Kreis Wunsiedel, warum er eine Plätzchensorte sagenhaft gut findet und wie sich diese Leckerei am einfachsten zubereiten lässt.

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