Vorzeigedemokratie mit zunehmenden Schwierigkeiten
Der Senegal ist eine der stabilsten Demokratien Afrikas und hat seit seiner Unabhängigkeit von Frankreich 1960 anders als andere Staaten der Region keinen Umsturz oder Militärputsch erlebt. Der scheidende Präsident Sall wird für Erfolge in der wirtschaftlichen Entwicklung in dem Land gelobt, in dem in diesem Jahr die Förderung von Öl und Gas beginnen soll. Kritiker halten dagegen, dass das Land lediglich investorenfreundlicher geworden sei, ohne dass sich dies für den Großteil der Menschen bemerkbar mache. Menschenrechtler kritisierten die wachsende Einschränkung politischer Freiheiten.
Die Oppositionsbewegung um den früheren Steuerinspektor Ousmane Sonko nimmt seit etwa einem Jahrzehnt Fahrt auf. Seit einer Anklage gegen ihn 2021 kam es jahrelang immer wieder zu Protesten, die verboten wurden und in Gewalt zwischen Demonstranten und Sicherheitskräften ausarteten. Mindestens 40 Menschen wurden seit 2021 getötet. Sonkos Partei Pastef - Afrikanische Patrioten Senegals für Arbeit, Ethik und Brüderlichkeit - wurde aufgelöst. Sonko selbst wurde verurteilt, weil er einen Minister der Korruption beschuldigte, sowie zu zwei Jahren Haft wegen "Korrumpierung der Jugend", nachdem er von einem Vergewaltigungsvorwurf freigesprochen wurde.
Enorme Erwartungen an den neuen Präsideten
Senegals künftiger Präsident Faye saß von vergangenem April bis zum 15. März ohne Verurteilung im Gefängnis, weil er die Justiz wegen Sonkos Prozessen scharf kritisiert hatte. "Aus dem Gefängnis in den Palast", titelte eine Zeitung. Der 44-Jährige hat ebenso wie Sonko eine Karriere als Steuerinspektor hinter sich und ist damit Teil der Verwaltungselite des Landes, gilt aber als politisch unbeschriebenes Blatt.
Fayes Befürworter sehen in ihm einen Kämpfer für soziale Gerechtigkeit und die Befreiung der jungen Bevölkerung von den bis heute vorherrschenden postkolonialen Abhängigkeiten. Kritiker fragen sich, ob das ambitionierte 84-seitige Wahlprogramm in der Praxis umzusetzen sein wird. Pläne wie ein Ausstieg aus der von Ex-Kolonialmacht Frankreich dominierten Regionalwährung FCFA und der Neuverhandlung der Verträge zur Förderung von Öl und Gas ließen Investoren zusammenzucken.
"Die Erwartungshaltung an die neue Regierung ist immens hoch - nun wird sich zeigen müssen, ob die geweckten Erwartungshaltungen auch wirklich realistisch sind, Vision trifft auf politische Realität", meint Senegalexpertin Hauptmann. Vor allem muss der kommende Staatschef neue Arbeitsplätze für die Hunderttausenden jungen Leute finden, die jedes Jahr auf den Arbeitsmarkt strömen. Die Hälfte der rund 18 Millionen Senegalesinnen und Senegalesen ist jünger als 18 Jahre alt - und eine Rekordzahl machte sich angesichts einer als aussichtslos empfundenen Lage im vergangenen Jahr auf den lebensgefährlichen Seeweg über den Atlantik nach Europa.