Seit Kurzem unterstützt die Stadt sein Projekt Bayreuth: So leistet Uni-Prof Georg Klute Hilfe in Afrika

Von Frank Schmälzle
"Wir arbeiten mit Menschen zusammen, die wir seit Langem kennen": Georg Klute mit befreundeten Tuareg. Foto: Georg Klute Foto: red

Man muss auf das Schiksal hören, sagt Georg Klute. Sein Schicksal war ein Anruf, irgendwann im Jahr 2001. Am anderen Ende der Leitung: der Volkswagen-Konzern in Wolfsburg. Die Autobauer hatten ein Problem - und Klute sollte helfen. Im Gegenzug half VW, mit viel Geld - und Klute konnte in seiner zweiten Heimat Afrika endlich Entwicklungshilfe leisten, wie er sie für sinnvoll hält. Jetzt wagt er sich, unterstütz von der Stadt Bayreuth, an ein neues, großes Projekt.

 
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"Es gibt Wendepunkte in der Geschichte", sagt Klute, der an der Universität Bayreuth Professor für die Ethnologie Afrikas ist. Nach dem 9. September 2001 war die Welt urplötzlich eine andere. Nach dem Tag, als Terroristen Flugzeuge in die New Yorker Twin Towers und das Pentagon krachen ließen.

Kurz danach klingelte bei Klute das Telefon. VW wollten ein neues Auto auf den Markt bringen. Einen SUV, ein großes, geländgängiges Auto, gedacht vor allem für den nordamerikanischen Markt. "Touareg" sollte der Wagen heißen, doch die Importeure in den USA wollten diesen Namen nicht. Weil er nach Taliban klingt, irgendwie islamistisch und damit unverkäuflich. Der Bayreuther Professor, der in den 1970er Jahren auch im Gebiet der Touareg als Entwicklungshelfer arbeitet, schrieb dem Konzern eine Expertise. 14 Seiten lang. Und stellte sie in der Konzernzentrale vor.

Entwicklungshilfe mit freundlicher Unterstützung von VW

Dort sagte man ihm: Rechtlich ist alles okay. Der Name ist nicht geschützt. Aber ist es auch moralisch in Ordnung, einer Bevölkerungsgruppe den Namen zu klauen und ein Auto danach zu benennen? "Ich hatte Glück", sagt Klute. Einer der Manager am Tisch, verstand, was der Afrika-Experte sagen wollte. Er wandte sich an den Unternehmensvorstand und der erkannte die Verantwortung. 200.000 Euro soziales Sponsoring kam bei Klute an. Für den Bayreuther Professor ein Wink des Schicksals. Jetzt war die Chance da, Entwicklungshilfe zu leisten, wie er sie sich vorstellt.

Tamat heißt der Verein, den Klute gegründet hat. "Nicht nur weil man sich das gut merken und von vorne und hinten lesen kann." Tamat ist auch der Name einer Akazie, die in Afrika auch dort noch wächst, wo sonst nichts mehr wächst. Ein Symbol, sagt Klute. Vor allem für die drei Prinzipien, nach denen der Verein arbeitet.

"Wir gehen dahin, wo andere nicht hingehen"

"Wir gehen dahin, wo andere nicht hingehen." Entwicklungshilfeorganisationen arbeiten nach der Logik der Effizenz, sagt Klute. Sie bauen oder betreiben eine Schule oder eine Krankenstation, verlegen eine Wasserleitung dort, wo sie den meisten Menschen damit hilft. In Nomaden-Gebieten geht die Effizenzrechnung nicht auf, dorthin ging Tamat. Auch weil der Verein klein ist, lokale Projekte auf Gemeindeebene umsetzen wollte. Effizienz steht da zurück.

"Wir machen Dinge mit Pfiff." Zum Beispiel die Getreidebank in einer Landgemeinde in Mali. "Wir haben Geld zur Verfügung gestellt", sagt Klute. Und der Bürgermeister der Gemeinde setzte es um. Die Bank kaufte immer zur Erntezeit Getreide auf. Dann also, wenn das Angebot groß und die Preise günstig waren. Und verkaufte Getreide, wenn im Laufe des Jahres das Angebot knapper und die Preise höher wurden. Nicht zum Einkaufspreis, aber unter Marktpreis. Damit drückte die Bank den Getreidepreis insgesamt, stellte die Versorgung der Menschen sicher und schaffte sich selbst eine wirtschaftliche Basis. Das ging so, bis 2012 der Krieg in Mali auch die kleine Landgemeinde erreichte. Die Bank verteilte ihre Vorräte an die vielen Menschen, die vor dem Krieg in den Niger flohen. Und Tamat ging mit ihnen.

"Afrika ist meine zweite Heimat"

"Wir arbeiten mit Menschen zusammen, die wir seit langem kennen." Afrika, sagt Klute, sei seine zweite Heimat. Er kennt viele Menschen dort, in seiner Zeit als Entwicklungshelfer hat er in ihren Häusern geschlafen, mit ihnen gegessen. Deshalb funktionierten die Tamat-Projekte auch in Malis Nachbarstaat Niger. Fünf junge Kriegsflüchtlinge hat der Verein in medizinischen Berufen ausgebildet, vier junge Frauen als Lehrerinnen. Sie arbeiten heute wieder in Mali. 25 junge Männer sind bei Handwerksmeistern im Niger in die Lehre gegangen. Denn Klute sagt: "Ich glaube nicht, dass sich wenig entwickelte Länder zu stark auf die universitäre Bildung konzentrieren sollten. Es braucht auch Handwerker." Menschen, die Pumpen reparieren können, damit die Brunnen laufen. Und die damit gleichzeitig Mopeds wieder in Gang kriegen. Menschen, wie den Sohn eines Silberschmieds, der sich nichts sehnlicher wünscht, als einen großen Radlader in einer der Rohstoffminen zu fahren. Für den Führerschein zahlt Tamat. 500 Euro wird der alles in allem kosten. Und ein Mensch hat eine Existenz. Landwirtschaft und Viehzucht, Handel, Service und der Rohstoffabbau - davon leben die Menschen im Niger vor allem. "Und deshalb ist die handwerkliche Ausbildung dort so wichtig", sagt Klute.

Deshalb will er jetzt in der Gemeinde Tahighozerine einen Gewerbepark einrichten. Gleich neben einem schon bestehenden Berufsbildungszentrum. Der Bürgermeister dort hat einen Spitznamen, man nennt ihn "George", so wie der deutsche Name Georg. Klutes Vornamen. Tatsächlich heißt er Isuf.

George und Georg wollen zehn Häuser aus Lehm errichten, mit Strom und fließendem Wasser. Dort sollen Handwerksmeister ihre Werkstätten einrichten und die Absolventen des Berufsbildungszentrums anstellen. Die Häuser bekommen sie kostenlos und die Beschäftigung der jungen Handwerker soll für einen begrenzten Zeitraum unterstützt werden. Strom und Wasser müssen sie selbst bezahlen. Damit, sagt Klute, soll die Qualität der Arbeit steigen. Mehr noch: Der Bayreuther hat einen Betriebswirt eingestellt, der den Handwerksmeister bei der Buchführung und bei der Betriebsführung helfen wird. So entsteht Nachhaltigkeit.

"Man muss sich hochdienen"

Über eine Million Euro hat der Verein Tamat in den vergangenen zehn Jahren in Entwicklungshilfeprojekte investiert. Was jetzt kommt, ist das größte Vorhaben. "Wir haben bis jetzt nie Geld der öffentlichen Hand beansprucht." Die Automobilindustrie und andere Spender haben geholfen, das reichte. Doch der Gewerbepark sprengt den finanziellen Rahmen des Vereins. Tamat hofft auf Geld vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

"Man muss sich hochdienen", sagt Klute. Große Organisationen haben es leichter an das Geld des Ministeriums zu kommen. Für seine Idee braucht Klute also Partnern. Die hat er gefunden. Die beiden oberfränkischen Wirtschaftskammern unterstützen ihn und seit kurzem auch die Stadt Bayreuth. Der Stadtrat hat beschlossen, dass die Verwaltung die Abwicklung der Finanzen übernimmt, sollte das Ministerium Unterstützung zusagen. Eigenes Geld muss die Stadt nicht investieren. Klute hatschon mal vorgefühlt und will noch in diesem Jahr den endgültigen Förderantrag an das Berliner Ministerium schicken. Wenn es gut läuft, stehen dem Verein Tamat dann im nächsten Jahr 150000 Euro für den Gewerbepark zur Verfügung. Eine halbe Million Euro soll das ganze Projekt kosten. "Wir werden also schrittweise vorgehen."

Georg Klute ist 63 Jahre alt. "Ja", sagt er, "ich könnte es mir auch gemütlicher machen." Warum er trotzdem in Afrika Entwicklungshilfe macht? "Ich bin begeistert von der Möglichkeit, auf meine Weise das zu tun, wovon ich überzeugt bin", sagt er. "Das entspricht meiner Lebensphilosophie." Man freut sich mehr über das, was man hart erarbeiten muss. Man ist viel glücklicher, wenn man anderen helfen kann. Und: Man muss auf das Schicksal hören, sagt Georg Klute.

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