Schulpartnerschaft Bergsteigen und Kuh-Euter

Frank Heidler
Ein halbes Jahrhundert Schulpartnerschaft zwischen Gymnasium Pegnitz und College La Salle: Hier ein Bild von einer Begrüßung der französihen Austauschgruppe vor dem Pegnitzer Rathaus. Mit Bürgermeister Thümmler und Schulleiter Dembowski. Foto: Archiv/Irene Lenk

PEGNITZ.  Aus den politischen Erzfeinden Deutschland und Frankreich wurden Freunde. Auf diesem Boden gedieh auch die Schulpartnerschaft des Gymnasiums Pegnitz mit dem von einem Schulorden geleitete konfessionellen College „La Salle“ in Pringy, einem Vorort der Stadt Annecy in Savoyen. Heuer im Februar wurde dort bei einem Festakt 50-jähriges Jubiläum der Schulpartnerschaft gefeiert.

 
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„Die Schulleitung war mit Annett Becker deshalb zu einem Kurzbesuch in Pringy“, weiß der frühere Französisch-Lehrer und Vizeschulleiter des Gymnasiums, Rudi Mense. Und fügt bedauernd hinzu: „Zu einem Gegenbesuch der Franzosen bei uns kam es leider nicht mehr, wegen des Lockdowns.“

Mense hat selbst den Austausch ab etwa Mitte der 80er und später der 90er Jahre mitorganisiert. „Ich war bestimmt 20 mal drüben“, schätzt der frühere Lehrer für Französisch und Latein. Schüleraustausche wie diese dienten der „Horizonterweiterung“. Dabei gehe es nicht nur um die unmittelbar vom Austausch betroffenen 25 oder 30 Schüler und ihre beiden Betreuer, sondern auch um deren Familien – „und die komplette Schulfamilie“.

An die Anfänge des Schüleraustausches mit Pringy erinnert sich auch die Vor-Vor-Gängerin von Mense, die ehemalige Französisch-Lehrerin Madeleine Schmidt.

Sie war nach eigenem Bekunden beim allerersten offiziellen Schüleraustausch mit Pringy selbst dabei. „Der dauerte damals noch drei Wochen. Zur gleichen Zeit weilte eine Gruppe Franzosen ebenfalls drei Wochen in Pegnitz. Diese Gleichzeitigkeit und die Dreiwochen-Aufenthaltsdauer wurden später geändert.

Üblicherweise kommen die Franzosen jetzt immer – mit Ausnahme in diesem unseligen Corona-Jahr – zur Adventszeit nach Pegnitz. Zum Ausflugsprogramm gehörte regelmäßig der Nürnberger Christkindlmarkt. Auch bei den weihnachtlichen Schulkonzerten in der Bartholomäuskirche waren die nicht immer Klassik-begeisterten Franzosen häufig Gäste.

Für die Pegnitzer Schüler in Frankreich reichlich ungewohnt waren die längeren Schulstunden: 55 Minuten. Sagt Lehrer-Pensionistin Schmidt. Statt der Dreiviertelstunde hierzulande. Nichts geändert hat sich am häufigen Nachmittagsunterricht. Mit Ausnahme vom Mittwochnachmittag dauert der Unterrichtsbetrieb in Frankreich jeweils bis 16.30 Uhr, erklärt der aktuelle Betreuer der Schulpartnerschaft, Michael Keckl.

Andere Länder, andere Sitten: Für einiges Aufsehen hatte bei der allerersten Begegnung in Frankreich gesorgt, dass einer Schülerin – vielleicht als französische Delikatesse – Kuh-Euter vorgesetzt worden war.

Das löste bei der Pegnitzer Austauschbetreuerin Madeleine Schmidt zufolge nur wenig Begeisterung aus. Und rief selbst im damaligen Zeitalter ohne Internet kurze Zeit später einige empörte Pegnitzer Schüler-Eltern auf den Plan. Lehrerin Schmidt weiß noch: „Wir mussten bei jedem Pegnitzer Austauschschüler persönlich die Unterkunftsverhältnisse kontrollieren und haben das auch getan.“ Solcherlei Anlaufprobleme änderten an den späteren, oft Jahrzehnte langen Beziehungen und Freundschaften von Pegnitz ins Land der Gallier rein gar nichts. So logiert die französische Partnerschaftsbetreuerin Silvie Lapauze selbst im Ruhestandsalter nach wie vor bei gelegentlichen Pegnitz-Visiten im Haus des vormaligen Pegnitzer Partnerschafts-Betreuers Rudi Mense.

Die Unterschiede zwischen Franken und Franzosen brachte Mense folgendermaßen auf den Punkt: „In Frankreich gibt es weniger Bürokratie, weniger sichtbare Ordnung, dafür aber gutes Essen.“ Und die Bereitschaft, dafür auch einiges auszugeben. In Pringy aßen einige Pegnitzer Schüler erstmals Raclette, weiß Madeleine Schmidt. Mense lobt rückblickend die „herzliche Aufnahme“ der Pegnitzer Gäste bei Frankreich-Aufenthalten.

Das Gymnasium Pegnitz unterhält ja Partnerschaften nach Pringy und nach Guyancourt. Mense: „In Pringy, das sind die Bergler.“ Bergsteigen und Wandern stünden dort hoch im Kurs. Bis zum Montblanc-Massiv seien es nur 80 Kilometer Distanz.

Ganz im Gegensatz dazu Guyancourt. Dieses verströmt wegen seiner unmittelbaren Nähe zu Paris großstädtisches Flair.

Französische Schüler in Deutschland sind laut Mense oft angetan von der hohen technischen Kompetenz der Deutschen. Nur zu gerne unternehmen sie Fahrten in Großstädte mit Automobilwerken wie Audi oder BMW. Beim München-Tripp wurden sie gerne an den tollen Fußballclub Bayern München oder die Olympischen Spiele – siehe Olympia-Stadion – erinnert. Zweimal in Menses Betreuerphase reichte die Zeit auch für Fahrten nach Berlin.

Kein Gerücht ist, dass in mindestens ein oder zwei Fällen beim Schüleraustausch mit Pringy zwischen Schülern und Schülerinnen diesseits und jenseits der Grenze zarte Bande geknüpft wurden, die später in eine lebenslange Verbindung mündeten – Hochzeitsglocken inklusive.

Die Sprachbarriere war dabei offenbar kein Problem. Nach Menses Einschätzung lernen allerdings „weniger Franzosen Deutsch als Deutsche französisch.“ Denn nach wie vor gelte die Sprache im Land der Dichter und Denker „als elitär und schwer“.

Das merkte auch Madeleine Schmidt, wenn sie die französischen Gastschüler bei deren Pegnitz-Visiten in Deutsch unterrichtete. „Die Franzosen haben sich sehr hart getan damit.“ Statt zu reden bevorzugten diese lieber den schriftlichen Ausdruck im Deutschen.

Und so boten – und bieten – solche Schüleraustausche nach wie vor für Schüler (und vielleicht auch Lehrer) jede Menge Lernpotenzial.

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