In Thüringen sprach das Bildungsministerium in Erfurt von 561 Körperverletzungen im vergangenen Jahr (2022: 321). In Niedersachsen stieg die Zahl der Rohheitsdelikte und Straftaten gegen die persönliche Freiheit von 2022 um rund 520 Fälle auf 2680 im Jahr 2023. In die Kategorie fallen Taten wie Raub, Bedrohung und Körperverletzungen.
Nur wenige Fälle von Mord und Totschlag
Trotz vieler Polizei-Einsätze kommen Fälle wie der tödliche Messerangriff auf eine Schülerin nahe Heidelberg in den Statistiken selten vor. Dort wird ein 18-Jähriger beschuldigt, im Januar an einem Gymnasium in St. Leon-Rot auf die Gleichaltrige eingestochen zu haben.
Zahlen zu den Verletzten schwanken je nach Größe der Bundesländer. In Niedersachsen kletterte die Gesamtzahl der Opfer im Schulkontext von rund 2630 im Jahr 2022 auf etwa 3270 im Jahr 2023. In Schleswig-Holstein sind vor zwei Jahren 255 Schüler und Schülerinnen als Opfer von Vorfällen gemeldet worden - mehr als 2019. In den Jahren 2020 und 2021 waren Schulen wegen der Corona-Pandemie über längere Zeit geschlossen.
Kaum Auskunft geben die Landesstatistiken, ob Polizisten zum Beispiel Waffen sichergestellt haben. In Sachsen sind es 2022 insgesamt 15 Waffen gewesen, 42 Messer, 43 Steine und 19 Mal Pyrotechnik. In vielen Fällen seien auch Feuerzeuge eingesetzt worden. In Thüringen wurde laut Bildungsministerium im vergangenen Jahr fünfmal eine Waffe eingesetzt - ebenso oft wurden Softair-Waffen oder waffenähnliche Gegenstände gebraucht - mehr als 2022.
Ministerium sieht verschiedene Gründe für Gewalt
Die Gründe, dass Schüler Gewalt ausübten oder androhten, sind nach Einschätzung des Brandenburger Bildungsministeriums vielschichtig. Dazu zählten Faktoren wie "Defizite in der Selbststeuerung und geringes Selbstwertgefühl, aber auch familiäre und soziale Ursachen wie Gewalterfahrungen in der Familie oder Akzeptanz sowie soziale Normen und Werte und die jeweilige Akzeptanz in der Gruppe der Gleichaltrigen". Auch Gewaltinhalte in Medien und auf Online-Plattformen könnten aggressives Verhalten begünstigen.
Nach Einschätzung des Allgemeinen Schulleitungsverbandes Deutschlands haben viele Lehrkräfte das Gefühl, dass die Bereitschaft zur Gewalt zugenommen hat. "Wir haben bemerkt, dass mehr Waffen zur Schule mitgenommen werden als früher", sagte der Verbandsvorsitzende Sven Winkler. Dabei handele es sich vor allem um Messer und sogenannte Anscheinswaffen. Das sind Waffen, die echten Schusswaffen täuschend ähnlich sehen. Ob Kinder und Jugendliche Waffen dabeihaben, weil sie gewaltbereit sind, oder weil sie Angst haben und diese zur Selbstverteidigung nutzen wollten, sei unklar.
Der Entwicklungspsychologe Herbert Scheithauer warnte zuletzt vor einer falschen Interpretation der Zahlen. Dem Nachrichtenmagazin "Spiegel" sagte er, es gebe weniger Gewaltvorfälle auf Schulhöfen als vor 15 oder 20 Jahren. Die Taten werden nach seiner Ansicht lediglich intensiver wahrgenommen, weil auch Medien mehr darüber berichteten.
Gewerkschaft fordert Ausbau von Schulsozialarbeit
Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) fordert als Konsequenz einen Ausbau der Schulsozialarbeit. Aktuell könnten die Schulen das nötige Maß an Vorbeugung gegen Gewalt nicht leisten, sagte GEW-Vorständin Anja Bensinger-Stolze dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Der dramatische Lehrkräftemangel und die viel zu geringe Zahl an Schulsozialarbeiterstellen führen dazu, dass die präventive Arbeit vor Ort oft nur stark eingeschränkt zu leisten ist."
Manche Schulen setzen bereits Sicherheitsdienste ein, wie eine Einrichtung in Bremerhaven. Die Jugendlichen schlugen Fenster ein, bedrohten und beleidigten Schüler und Lehrkräfte. Dort kamen fast täglich schulfremde Personen auf das Schulgelände. Sie beschädigten Türen, entriegelten Feuerlöscher und verstopften Toiletten. "Die Lage im vergangenen Herbst war sehr unruhig", berichtete eine Schulsprecherin. "Ich habe mich unsicher gefühlt." Mit den Wachleuten beruhigte sich die Lage wieder.