Schmalspur-Ausbildung ist nicht erwünscht

Von Peter Rauscher
EIne Schülerin aus dem afrikanischen Guinea lernt das Schweißen. Der Aktionsrat Bild plädiert für zweijährige Ausbildungsgänge, damit junge Flüchtlinge leichter in Arbeit kommen. Foto Ingo Wagner/dpa Foto: red

Der Aktionsrat Bildung empfiehlt niedrigere Standards in der Berufsausbildung für junge Flüchtlinge. Wirtschaftskammern und Gewerkschaft DGB  in Oberfranken haben für den Vorschlag wenig übrig. Dabei gibt es solche Ausbildungsgänge schon.

 
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Die Bildungsforscher um den Hamburger Unipräsidenten Dieter Lenzen, finanziert von der Vereinigung der bayerischen Wirtschaft, sprechen sich für  „theorieentlastete zweijährige Ausbildungsberufe“ und Teilqualifizierungen aus, um jungen Flüchtlingen den Einstieg in den deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern. Außerdem fordern sie eine Berufsschulpflicht vom 16. bis zum 21. Lebensjahr. Dies sei nötig, weil mehr als die Hälfte der 2015 nach Deutschland gekommenen Flüchtlinge unter 25 Jahre alt ist, ein Viertel sogar unter 16.

Langfristig keine Chance

Mathias Eckardt, DGB-Regionsgeschäftsführer für Oberfranken, lehnte den Vorschlag des Aktionsrats ab. „Damit bekämen wir eine Zwei-Klassen-Ausbildung, langfristig hätten Menschen mit Schmalspur-Ausbildung keine Chance auf dem deutschen Arbeitsmarkt“, sagte Eckardt dem Kurier. Vor dem Hintergrund von Digitalisierung und steigenden Anforderungen an Arbeitnehmer sei im Gegenteil mehr Ausbildung notwendig.

Handwerk braucht Fachkräfte

„Äußerst kritisch“ steht auch die Handwerkskammer für Oberfranken nach Aussage von Hauptgeschäftsführer Thomas Koller dem Vorschlag gegenüber. „Die Ausbildung im Handwerk ist eine ganzheitliche Ausbildung, in der Theorie und Praxis umfassend miteinander verwoben sind. Teilqualifizierungen können dies nicht leisten“, sagte Koller. Das Handwerk brauche keine geringqualifizierten Billigkräfte, sondern Fachkräfte. Die Vermittlung von Deutschkenntnissen sei entscheidend, damit junge Flüchtlinge eine dreijährige Ausbildung durchlaufen könnten. Aktuell befänden sich rund 30 Flüchtlinge im oberfränkischen Handwerk in Ausbildung.

30 zweijährige Ausbildungsberufe

39 Flüchtlinge würden in Mitgliedsbetrieben der Industrie- und Handelskammer Oberfranken (IHK) ausgebildet, weitere 60 seien in der Berufsintegrationsphase mit Berufsschule oder Einstiegspraktika. IHK-Präsident Heribert Trunk teilte mit, der Vorschlag des Aktionsrates Bildung laufe ins Leere. Parallele Ausbildungsstrukturen seien abzulehnen, zudem gebe es schon mehr als 30 zweijährige theorieentlastete Ausbildungsberufe, mit der Möglichkeit, sich darauf aufbauend weiter qualifizieren zu können. Dazu zählten etwa die Fachkraft für Kurier-, Express- und Postdienstleistungen genauso wie der Fachlagerist oder der Verkäufer.

Unabhängig von der Flüchtlingskrise stellt der Aktionsrat Bildung unter Verweis auf die zahlreichen statistischen Untersuchungen zu diesem Thema fest, dass Kinder aus Einwandererfamilien generell schlechter in der Schule sind als deutsche Kinder. Schüler nichtdeutscher Herkunft hätten „in allen Teilbereichen erhebliche Rückstände gegenüber Jugendlichen ohne Migrationshintergrund“, heißt es in dem Gutachten.

Einwanderer häufig ehrgeiziger

Der Anteil der Migranten ohne berufsqualifizierenden Bildungsabschluss liegt laut Aktionsrat bei 38 Prozent, bei Deutschen sind es vergleichsweise niedrige 14 Prozent. Andererseits sind Jugendliche aus Einwandererfamilien häufig ehrgeiziger als ihre einheimischen Altersgenossen: „Junge Migranten haben in aller Regel höhere Bildungs- und Ausbildungsaspirationen als deutsche Jugendliche mit vergleichbarem sozialen Hintergrund“, schreiben die Bildungsforscher - „ein sehr günstiges Bild für die motivationalen Tendenzen“.

Bund und Ländern empfiehlt das Gutachten einen deutschlandweiten „Masterplan Bildungsmigration“. Angesichts der hohen Zahl von Einwanderern dulde das „keinen Aufschub“, erklärte der Aktionsrats-Vorsitzende Lenzen. Im Jahr 2014 kam laut Gutachten deutschlandweit bereits mehr als ein Drittel (35,3 Prozent) aller Kinder im Grundschulalter aus Familien mit Migrationshintergrund.

Mehr ausländischeStudienanfänger

Ein solcher Masterplan sollte laut Gutachten zum Ziel haben, dass Einwanderer in Sachen Bildung zur einheimischen Bevölkerung aufschließen und insbesondere die hohe Zahl der Jugendlichen ohne Schulabschluss gesenkt wird. Der Aktionsrat empfiehlt der Politik auch, sich verstärkt um die Hochschulen zu kümmern. Im Jahr 2025 würden bereits 40 Prozent aller Studienanfänger einen ausländischen Pass haben, wird in dem Gutachten prophezeit.

vbw-Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt erklärte: „Die Integration von Migranten und Flüchtlingen gelingt nur, wenn diese gezielt den Weg in Ausbildung oder Erwerbstätigkeit finden.“

(Mit Material von dpa)

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