Heard wirft Depp sexuelle Gewalt vor
Zum Auftakt seiner Aussage im April hatte Depp eingeräumt, dass es in ihrer Beziehung oft zu Streit gekommen sei. „Aber niemals bin ich an den Punkt gekommen, Miss Heard auf irgendeine Weise zu schlagen, noch habe ich jemals in meinem Leben eine Frau geschlagen“, sagte er unter Eid. Vielmehr habe die Schauspielerin ein „Bedürfnis nach Gewalt“ gehabt und ihn angegriffen.
Auch Heard ging im Laufe des Prozesses mit Depp hart ins Gericht. Teils unter Tränen beschrieb sie angebliche Vorfälle, in denen sie Opfer seiner Wutausbrüche und Angriffe geworden sei. Ihrer Aussage nach wurde Depp, vor allem im Rausch, häufig handgreiflich. Der Mann, den sie liebte, sei durch seine Sucht zum „Monster“ geworden. Die Schauspielerin beschrieb verbale Attacken, in denen Depp angeblich damit gedroht habe, er könne sie umbringen. Er habe sie als „Hure“ beschimpft und ihr grundlos vorgehalten, sie würde ihn betrügen. Es sei auch zu sexueller Gewalt gekommen. Heards Anwälte zeigten Fotos von der Schauspielerin, etwa mit einem blauen Fleck am Oberarm.
Dutzende Zeugen kommen zu Wort
Den Zuschauern im Gericht blieb nichts erspart. Die Anwälte beider Seiten fuhren schweres Geschütz auf: schockierende Handy-Videos mit übelsten Beschimpfungen, Schilderungen von Alkohol- und Drogenexzessen, es geht um eine abgetrennte Fingerkuppe, sexuellen Missbrauch mit einer Flasche und um Fäkalien im Bett.
Dutzende Zeugen kamen in dem Prozess zu Wort, Assistenten der Schauspieler, Psychologen, Polizisten, Finanzberater und Filmexperten. Auch Promis sagten aus. Nur wenige Minuten dauerte am Mittwoch der Auftritt des Supermodels Kate Moss, einer Ex-Freundin von Depp. Die 48-jährige Britin, per Video aus England ins Gericht zugeschaltet, nahm Depp in Schutz. „Er hat mich nie gestoßen, getreten oder eine Treppe runtergeworfen“, sagte Moss. Damit trat sie einer Aussage von Heard entgegen, die einen angeblichen Angriff von Depp auf Moss angesprochen hatte.
Elon Musk sagt nicht aus
Schauspielerin Ellen Barkin, die 1994 mit Depp befreundet war, hatte für Heard Partei ergriffen. In einer aufgezeichneten Videoaussage beschrieb sie Wutausbrüche, kontrollierendes Verhalten und häufigen Drogenkonsum des Schauspielers. Auf der langen Zeugenliste der Verteidiger standen auch Tesla-Chef Elon Musk, ein Ex-Freund von Heard, und der Schauspiel-Kollege James Franco - doch keiner der beiden sagte am Ende aus.
Depp und Heard hatten sich 2009 bei den Dreharbeiten zu dem gemeinsamen Film „The Rum Diary“ kennengelernt. Ihre Romanze begann 2011 auf einer Werbetour für den Film, nach Depps Trennung von seiner langjährigen Partnerin, der französischen Schauspielerin Vanessa Paradis, mit der er zwei Kinder hat. 2015 heirateten Depp und Heard, doch nach nur 15 Monaten Ehe reichte die Schauspielerin die Scheidung ein, nach Vorwürfen von häuslicher Gewalt.
Depp vermeidet Blickkontakt
Im Gerichtssaal saßen die Ex-Eheleute nur wenigen Meter voneinander entfernt. Depp vermied den Blickkontakt, hielt seinen Kopf häufig gesenkt. In seiner Zivilklage hält Depp der Schauspielerin vor, in einem 2018 von der „Washington Post“ veröffentlichten Kommentar zum Thema häusliche Gewalt falsche Aussagen gemacht zu haben. Dies habe seinem Ruf und seiner Karriere geschadet. Wegen Verleumdung klagt er auf rund 50 Millionen Dollar (gut 46 Millionen Euro) Schadenersatz. Heard pocht in einer Gegenklage auf 100 Millionen Dollar. Sie macht geltend, dass Depps Ex-Anwalt Adam Waldman mit einer Schmutzkampagne ihrem Ansehen geschadet habe.
Geschworene haben das letzte Wort
Vor zwei Jahren hatte Depp in London mit einer Klage gegen die Boulevardzeitung „Sun“ eine Niederlage einstecken müssen. Es ging um einen Artikel, in dem behauptet wurde, Depp habe als Frauenschläger („wife beater“) Heard körperlich misshandelt. Nach einem Prozess mit heftigen Vorwürfen wies der High Court die Klage am Ende ab. Die Mehrheit der in der Zeitung erwähnten Vorwürfe habe sich als wahr erwiesen, stellten die Richter in ihrem Urteil fest.
Er sei davon „besessen“, die Wahrheit ans Licht zu bringen und seinen Namen reinzuwaschen, sagte Depp zum Auftakt des laufenden US-Verfahrens. Dieser Prozess sei niemandem leicht gefallen, sinnierte der Schauspieler am Mittwoch im Zeugenstand. „Aber ganz gleich, was passiert, ich bin hierhergekommen und ich habe die Wahrheit gesagt“. Nun haben sieben Geschworene das letzte Wort.