Putin: Ukrainische Angriffe werden Präsidentenwahl nicht stoppen
Kremlchef Wladimir Putin hat die neuen Angriffe von ukrainischer Seite auf das russische Grenzgebiet Belgorod am ersten Tag der Präsidentenwahl als sinnlosen Störversuch bezeichnet. "Ich bin überzeugt, dass unsere Menschen, das Volk Russlands, darauf mit einem noch größeren Zusammenhalt reagieren", sagte Putin bei einer Videoschalte mit den Vertretern nationalen Sicherheitsrates. Die Menschen in dem Vielvölkerstaat ließen sich nicht einschüchtern, so der Präsident.
Bei den seit einigen Tagen andauernden Attacken gegen das russische Grenzgebiet Belgorod und auch gegen die Region Kursk gab es zahlreiche Verletzte in der Zivilbevölkerung. Putin kündigte Hilfe für die Opfer der Angriffe an. Für die terroristischen Sabotageakte habe die Ukraine mehr als 2500 Kämpfer eingesetzt, bei denen sich die Verluste um die 60 Prozent bewegten, sagte Putin. Zudem seien 35 Panzer und etwa 40 gepanzerte Militärfahrzeuge eingesetzt worden. Die Ukraine versuche mit diesen Angriffen erneut, von den Niederlagen im eigenen Land abzulenken.
Tinte in Wahlurnen – Wahlleitung fordert stärkere Bewachung
In den verschiedenen Regionen Russlands leisteten einige Wähler trotz massiver staatlicher Repressionen Widerstand gegen die als unfair und unfrei kritisierte Abstimmung. An mehreren Orten des Riesenlandes gossen Männer und Frauen offiziellen Angaben zufolge Farbe in die Wahlurnen, um die darin liegenden Stimmzettel ungültig zu machen. In St. Petersburg und in Moskau gab es jeweils einen Brandanschlag. Es gab mehrere Festnahmen.
Der Vizechef der Wahlkommission in Moskau, Nikolai Bulajew, stellte die Proteste als von außen gesteuerte Aktionen dar und forderte eine stärkere Überwachung der Wahllokale. Die größte Protestaktion ist allerdings erst für Sonntag geplant: Da rufen Kremlgegner die Russen dazu auf, um exakt 12.00 Uhr vor den Wahllokalen aufzutauchen und durch die langen Schlangen ihre Unzufriedenheit zum Ausdruck zu bringen. Sie sollen dann etwa die Stimmzettel durch mehrere Häkchen ungültig machen.
Keine Opposition
Mehr als zwei Jahre nach dem Beginn des Moskauer Angriffskrieges und der damit auch verbundenen Verschärfung der Repressionen in Russland hat die Wahl in Russland unabhängigen Experten zufolge mit Demokratie kaum noch etwas zu tun. Putins drei Mitbewerber - der Kommunist Nikolai Charitonow, der Liberale Wladislaw Dawankow und Leonid Sluzki von der nationalistischen Partei LDPR - sind nicht nur völlig chancenlos, sie sind in wesentlichen Punkten auch voll auf Kremllinie.
Bewerber, die sich gegen Putins Angriffskrieg aussprachen, wurden gar nicht erst als Kandidaten zugelassen. Die meisten echten Oppositionellen sind ohnehin ins Ausland geflohen, sitzen im Gefängnis - oder sind tot. Kritiker sprechen deshalb von einer "Wahlfarce", die nichts mit einer Abstimmung nach demokratischen Regeln gemein habe. Unter anderen die Witwe des kürzlich im Straflager gestorbenen Kremlgegners Alexej Nawalny, Julia Nawalnaja, rief die internationale Gemeinschaft dazu auf, das Wahlergebnis nicht anzuerkennen.
Keine OSZE-Wahlbeobachter
Die unabhängige Wahlbeobachtungsorganisation "Golos", die seit Jahren politisch verfolgt wird, wies auf "massenhaften" Wahlbetrug hin: Vielerorts werden Staatsbedienstete und Angestellte großer, teils staatlicher Konzerne demnach zur Stimmabgabe gedrängt. "Der erste Wahltag hat begonnen und alles läuft genauso ab, wie wir gewarnt haben: Von morgens an gab es Druck auf eine riesige Zahl von Wählern", schrieb der Co-Vorsitzende von "Golos", Stanislaw Andrejtschuk, auf Telegram. Für Kritik sorgte zudem, dass Russland die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die für eine unabhängige und transparente Kontrolle stehen, diesmal nicht eingeladen hat.
Russlands Wahlleiterin Ella Pamfilowa erklärte, dass alles "normal" ablaufe. Zugleich aber musste sie einräumen, dass es direkt zu Beginn Unregelmäßigkeiten bei der Online-Stimmabgabe gegeben habe. Offiziell begründete sie die Probleme mit einer Vielzahl von Wählern, die im Internet ihre Stimme abgeben wollten. Allein in der Hauptstadt Moskau hätten am Morgen 500.000 Menschen online ihre Stimme abgegeben, hieß es. Kremlkritiker hingegen warnen die Russen vor der elektronischen Stimmabgabe, die als besonders anfällig für Manipulationen gilt.
Teils wurde die Abstimmung wie ein Volksfest mit Folkloredarbietungen und Auftritten von Sängern organisiert. Viele prominente Politiker, darunter Außenminister Sergej Lawrow und Verteidigungsminister Sergej Schoigu, gaben früh ihre Stimme ab. Zwar gilt als sicher, dass Putin gewinnt - immerhin hatte er für die erneute Kandidatur vor knapp vier Jahren extra die russische Verfassung ändern lassen. Trotzdem will Moskaus Machtapparat eine möglichst hohe Wahlbeteiligung erzielen, um die Abstimmung als legitim zu bezeichnen.
Mit der Bekanntgabe der Prognosen, die auf Grundlage von Befragungen der Wähler nach der Stimmabgabe entstehen, und erster Ergebnisse wird direkt am Sonntagabend gerechnet, nachdem um 19.00 Uhr MEZ in der Ostsee-Exklave Kaliningrad die letzten Wahllokale geschlossen haben. Verlässlichere Zahlen dürfte es dann in der Nacht zum Montag geben. Das vorläufige Endergebnis soll laut Wahlkommission in der ersten Tageshälfte am Montag verkündet werden.
EU-Ratspräsident Michel gratuliert Putin schon zu Wahlsieg
Weil der Sieger dieser viel kritisierten Abstimmung im Grunde feststeht, schickte EU-Ratspräsident Charles Michel bereits vorsorglich ironische Glückwünsche in Richtung Moskau. "Ich möchte Wladimir Putin zu seinem Erdrutschsieg bei den heute beginnenden Wahlen gratulieren", spottete Michel auf der Plattform X (vormals Twitter). "Keine Opposition. Keine Freiheit. Keine Wahl", fügte er hinzu. Und auch Russlands Machtapparat selbst gibt sich keine allzu große Mühe, die Illusion einer spannenden Wahl aufrechtzuerhalten: Auf dem Roten Platz laufen bereits seit Tagen Vorbereitungen für die große Putin-Siegesfeier an diesem Montag.