Robbenbabys an der Nordsee Tierliebe mit fatalen Folgen

Knut Krohn

Aufdringliche Touristen werden an der Nordsee zur Plage für viele Robbenkolonien – die sind dadurch stark gefährdet. Aus diesem Grund regt sich Widerstand.

 
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Eine kleine Kegelrobbe mit seiner Mutter. Foto: dpa/Joe Giddens

Kleine Kegelrobben sind überaus possierliche Geschöpfe. Doch ihr niedliches Aussehen wird den Jungtieren bisweilen zum Verhängnis. An den Stränden der Nordsee nähern sich immer wieder Touristen den Robbenkolonien, um sie zu fotografieren – mit fatalen Folgen.

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„Die Leute sind neugierig“, erklärt Didier Feray, Präsident des Chene-Zentrums, einem Studienzentrum für Umwelt und Naturschutz in der französischen Region Seine-Maritime. „Sie kommen den Robben zu nahe und erschrecken die Mütter. Die flüchten ins Wasser und lassen ihre Babys am Strand zurück. Bei zu langen Trennungen finden die Robbenbabys ihre Eltern nicht mehr und sind dem sicheren Tod geweiht.“ Bisweilen würden die Kleinen auf der Flucht von den bis zu 200 Kilogramm schweren Alttieren auch schlicht zerquetscht.

Sie wollen allzu aufdringliche Touristen fernhalten

Immer wieder bringen Helfer fast verhungerte oder verletzte Robbenbabys in das Zentrum, wo die Tiere wieder aufgepäppelt werden müssen. Aus diesem Grund patrouillieren Freiwillige an den französischen und belgischen Stränden, um allzu aufdringliche Touristen von den Robben fernzuhalten.

Die entsprechenden Strandabschnitte ganz zu sperren ist allerdings auch nicht möglich. In der Bucht der Somme sind die rund 400 Seehunde und 100 Kegelrobben eine große Attraktion. Zwei Millionen Menschen wandern jedes Jahr durch die Naturschutzgebiete der Region, die einen wichtigen Wirtschaftsfaktor darstellen. Längst gehören „Robben-Safaris“ zum Standardprogramm für die Touristen. Mit dem Boot, auf Pferden oder zu Fuß kann man die Tiere beim Sonnen am Strand beobachten. Näher als 300 Meter darf man sich den Kolonien allerdings nicht nähern, doch nicht alle Besucher halten sich an diese Vorgabe.

„Wenn ich an die Küste der Picardie gehe, sehe ich immer wieder Touristen, die sich Robben nähern und sogar ihre Telefone zücken, um Selfies mit ihnen zu machen“, sagt Thierry Jauniaux, Spezialist für Meeressäugetiere und Professor an der Universität von Liège (Lüttich). Und er erinnert daran, dass es sich bei den Robben um wilde und bisweilen gefährliche Tiere handelt, obwohl ihre Gesichtszüge sie freundlich aussehen lassen. Am Strand der belgischen Küstenstadt Ostende wurde im vergangenen Jahr ein Hund von einer Robbe getötet, die sich durch den ungebetenen Besucher bedroht fühlte.

„Manche Leute denken auch, dass die Tiere in Schwierigkeiten sind, wenn sie bei Ebbe am Strand liegen“, sagt Jan Haelters, Biologe am belgischen königlichen Institut für Naturwissenschaften. „Wenn sie auf dem Sand sind, ruhen sich die Robben aus, um den Fisch zu verdauen, den sie gefressen haben. Es ist natürlich. Es ist nicht notwendig, sich ihnen zu nähern, um ihnen zu helfen.“

Die kleine Robbe wurde völlig entkräftet am Strand entdeckt

In Ostende haben sich die Verantwortlichen inzwischen dazu entschieden, einen kleinen Strandabschnitt mit Barrieren abzusperren, damit die dort lebenden Kegelrobben ihre Ruhe haben. Der Aufwand zum Schutz der Tiere ist allerdings hoch. „Wir arbeiten den ganzen Tag über in verschiedenen Schichten, um sicherzustellen, dass die Leute den Tieren nicht zu nahe kommen“, erzählt Inge De Bruycker, Mitbegründerin der Organisation North Seal Team. Ein spezielles Problem seien die Hundebesitzer, die immer wieder darauf hingewiesen werden müssten, ihre Hunde an der Leine zu führen.

Den Mitarbeitern von North Seal Team verdankt auch Lilly ihr Leben. Die kleine Robbe wurde von ihnen völlig entkräftet am Strand in der Nähe von Ostende entdeckt. Nun schwimmt das Tier bereits wieder fidel in einem Becken des Sea-Life-Parks in Blankenberge umher und soll bald in der Nordsee ausgesetzt werden.