Rezepte zum Glücklichsein

Von Renate Allwicher
Jürgen Wolff, Leiter des evangelischen Bildungswerkes, ist immer wieder glücklich beim Wandern in Kärnten, wo er auch nach vielen Jahren immer wieder auf Überraschungen trifft - so wie auf diesen Glücksbrunnen mit frischem Wasser in der Nähe der Gajacher Alm am Weissensee. Er hatt seine Kamera dabei - ein neues Hobby, das auch glücklich macht. Foto: Jürgen Wolff Foto: red

„Glück ist etwas Besonderes“, sagt Jürgen Wolff, der Leiter des evangelischen Bildungswerks in Bayreuth: „Denn Glück ist einer der Begriffe, die uneingeschränkt positiv sind.“ Anders als beispielsweise Erfolg, Geld oder Reichtum. Die seien alle ambivalent. Aber wie findet man Glück? Wolffs Tipp: Den Alltag unterbrechen. Innehalten und vielleicht auch mal etwas eigentlich völlig Sinnloses tun.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Jede Menge Menschen suchen nach Glück. Wolff weiß dies genau. Nicht nur, weil er immer wieder staunend in Buchhandlungen feststellt, dass die Literatur zu diesem Thema ganze Regalmeter einnimmt. Auch, weil er selbst mit seinem Team Veranstaltungen für Glück-Suchende anbietet. „Lebensfreude“ hieß zum Beispiel eine der Veranstaltungsreihen, die das evangelische Bildungswerk in den vergangenen Jahren ausrichtete, „Schritte zum Glück“ einer der Workshops. Und nicht zuletzt, weil er selbst lebt und versucht, dies so glücklich wie möglich zu tun.

"Was will ich eigentlich?" ist eine wichtige Frage

Wolff (57) leitet seit elf Jahren zum zweiten Mal das Evangelische Bildungswerk Bayreuth. Das erste Mal übernahm er diesen Posten als 31-Jähriger. „Aber 35 Jahre lang die gleiche Arbeit, das geht  nicht“, erkannte er, erlaubte sich eine Unterbrechung, ließ sich beurlauben und ging als Wissenschaftlicher Mitarbeiter zurück an die Universität Bamberg, wo er einst, nach Zivildienst und Banklehre, Pädagogik mit hohem Theologie-Anteil studiert hatte. Er promovierte 2005 im Bereich Religionspädagogik und kehrte anschließend zum Bildungswerk zurück.

„Unterbrechungen.“ Innehalten im stetigen Schaffen, sich umschauen, die Frage, „was will ich eigentlich“, beantworten und sich danach neu ausrichten, das ist der erste Teil von Wolffs Rezept fürs Glück. Im Rückblick aufs eigene Leben sieht er unter anderem seinen Zivildienst als solch eine gelungene Unterbrechung. „Als Zivi war ich im Krankenhaus in einer Abteilung, in der alte Menschen gepflegt wurden. Manche sind dort auch gestorben. Ich kam direkt aus der Schule und war darauf überhaupt nicht vorbereitet. Da hätte ich auch denken können: ,Nun muss ich hier jeden Tag den Alten den Hintern putzen.‘ Aber das war nicht so. Ich habe die Arbeit als unheimlich schön empfunden, vor allem weil wir als Team gearbeitet haben mit Schwestern, Ärzten und Patienten.“ Natürlich war nicht alles schön, was Wolff tun musste, was er erlebt hat. „Aber rückblickend war das eine glückliche Zeit.“

Nach existentieller Arbeit am Menschen scheinen Kredite nicht ganz so wichtig

Ganz anders sieht er die darauffolgende Banklehre. „Da war ich nicht so glücklich“, erzählt Wolff.  „Kredite sind ja vielleicht ganz nett, aber nach den Monaten existentieller Arbeit mit den Menschen, erschienen sie mir nicht mehr als so tief wichtig.“ Er schloss die Banklehre dennoch ab. Schaute sich danach um und begann zu studieren. „Das habe ich richtig genossen“, sagt er. „Damals konnte man ja noch sehr frei studieren. Ich habe aus reinem Interesse viele Seminare belegt, ohne zu ahnen, wofür ich sie brauchen würde – und oft waren es gerade die, die ich gebraucht habe.“ Wozu letztlich übrigens auch die Banklehre gehörte. Denn das evangelische Bildungswerk suchte damals einen Pädagogen mit theologischen und kaufmännischen Kenntnissen, also kam Wolff zum Zuge.

Die eigenen Wünsche leben, statt sie zu aufzuschieben

Der zweite Teil seines Glücksrezeptes lautet: Ab und zu etwas eigentlich Sinnloses tun. Etwas, das Spaß und Freude bringt, den Alltag voller Arbeit unterbricht. Das kann eine handwerkliche Arbeit für Schreibtischsitzer sein, Malen für Fabrikarbeiter, Langstreckenlauf für Mütter. „Ich habe es lange Zeit mit Fußball versucht“, erzählt Wolff. Bis er sich eines Tages gefragt hat, ob er wirklich glücklich ist, anschließend immer einen Dreivierteltag lang erschöpft zu sein. Also hat er etwas gesucht, das besser zu ihm passt. Belegte einen Fotokurs. „Seither kann ich nicht mehr nur fünf Prozent, sondern vielleicht 15 Prozent vom Potential meiner Kamera nutzen“, scherzt er. Aber genau darum geht es: Nicht um Perfektion, sondern darum, in einer Tätigkeit aufgehen zu können. Offen zu sein für die eigenen Wünsche und diese zu leben und nicht auf später zu verschieben. Wolffs Erfahrung mit einem Burn-Out-Projekt des Bildungswerks lautet: „Tun sie sich vorher etwas Gutes. Leider aber brauchen Menschen oft eine Leidensgeschichte, um zu handeln.“

Innehalten, etwas eigentlich Sinnloses tun, darin aufgehen und gestärkt zurückkommen:  Noch besser gelingt dies ihm selbst beim Singen. „Es gibt in Bayreuth Chöre mit den unterschiedlichsten Ansprüchen – da kann sich jeder einen suchen, in dem er nicht überfordert ist, sondern einfach Freude hat“, sagt Wolff. Von wegen sinnlos. Das macht glücklich.

 

Mehr zur Adventsserie "Glück":

Der Millionärs-Macher

Was Weihnachtspost mit Glück zu tun hat

"Zu Hause hatten wir ein Problem": Glück aus Sicht der Flüchtlinge Amir und Ali

Frank Sommerer findet sein Glück in der Musik

Das Glück der Erde liegt auf dem Rücken der Pferde

Bilder