Relevanz von Lehrinhalten wieder in der Diskussion - CDU von Fach "Alltagswissen" fasziniert

Erneute Diskussion: Lehrt die Schule zu wenig fürs Leben? Archivfoto: Axel Heimken/dpa Foto: red

Themen des täglichen Lebens von Ernährung bis Altersvorsorge - so stellen sich viele Bürger, aber zunehmend auch Politiker ein Schulfach "Alltagswissen" vor. Einige Bundesländer haben in ihren Lehrplänen dafür bereits Ansätze, Rheinland-Pfalz' CDU-Chefin und stellvertretende Bundes-Vize Julia Klöckner sagte in einem Interview, wegen steigender Komplexitität im Leben könne sie sich für solch ein Fach erwärmen. Nur: Neu sind Diskussion und Forderung nicht.

 
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Ein Unterrichtsfach, in dem Schüler für komplizierte Fragen des Alltags fitgemacht werden - nach Bundesbildungsministerin Johanna Wanka kann sich nun auch die stellvertretende CDU-Vorsitzende Julia Klöckner dafür erwärmen. "Unser Leben ist heute so komplex, dass es einer Reihe von Alltagskompetenzen bedarf, um sich gerade auch als Heranwachsender zurechtzufinden", sagte sie der "Welt". "Wir sind überzeugt, dass in den Schulen mehr von diesen Alltagskompetenzen vermittelt werden muss."

Klöckner stellt sich damit auf Seite von Wanka

Klöckners Parteifreundin Wanka hatte vor einigen Wochen gesagt: "Das Fach "Alltagswissen" fände ich gut. Dort könnten die Schüler Dinge lernen, die für ihr praktisches Leben wichtig sind." Sie denke "an die Fallen in Handyverträgen, handwerkliche Fähigkeiten, aber auch an Grundkenntnisse in richtiger Ernährung und Kochen. Viele Jugendliche schauen mit Begeisterung Kochsendungen, können aber ohne Mikrowelle keine Lebensmittel mehr zubereiten."

Auch Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD), vor seiner politischen Karriere Lehrer in Niedersachsen, würde gern das Fach "Ökonomische Bildung" im Lehrplan von Schulen sehen, wie er vor einigen Wochen in Berlin sagte.

In einer Mitte Mai veröffentlichten Umfrage des Instituts YouGov unter 1330 Bürgern zu bereits existierenden, aber eher seltenen und zu möglichen neuen Fächern hatten 68 Prozent die Ansicht vertreten, dass Kinder in der Schule "zu viel unnützes Zeug" lernen. Demnach hätten die Bürger als neue Pflichtfächer am liebsten «Benehmen» (51 Prozent) vor «Wirtschaft» (48 Prozent), «Gesundheitskunde» (42), «Suchtprävention» (39) oder «Computerprogrammierung» (35). Manche der Inhalte könnten auch in einem Fach «Alltagswissen» enthalten sein.

Ansätze gibt es schon

Recht weit ist bereits das Land Schleswig-Holstein mit dem Fach «Verbraucherbildung». Von A wie «Ästhetisch-kulinarische Bildung» über E wie «Essverhalten», J wie «Jugendschutz» und P wie «Produktkennzeichnung» bis zu V wie «Verbraucherschutz» reicht das Themenspektrum. Die Kultusministerkonferenz (KMK) der 16 Bundesländer empfiehlt schon länger «fächerübergreifende Inhalte» für den Unterricht - «vor allem Fragen der politischen und wirtschaftlichen Bildung im weitesten Sinne». So soll «Verbraucherbildung» laut KMK stärker in den Lehrplänen der Schulen verankert werden.

KMK-Präsidentin Brunhild Kurth (CDU) warnte indes im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur vor zu hohen Erwartungen. «Die aktuelle gesellschaftliche Entwicklung zeigt Tendenzen, Schule überzogen zu überfordern. Wenn Eltern Kinder haben, sind sie auch in der Verantwortung», so Sachsens Bildungsministerin. Schule sei «nicht der Reparaturbetrieb der Gesellschaft» - und der Lehrer «nicht für die Rundumerziehung des Kindes verantwortlich». Und Spielraum bei der Zahl der Unterrichtsstunden etwa für neue Fächer sehe sie kaum noch.

Neu ist die Diskussion übrigens überhaupt nicht - und der Ursprung liegt bei einer Schülerin im Internet. Bereits Anfang des Jahres kochte die Frage, ob Schüler eigentlich durch die Lehrinhalte genug auf das Leben vorbereitet sind, durch den Tweet der 17-jährigen Kölnerin Naina hoch: ""Ich bin fast 18 und habe keine Ahnung von Steuern, Miete oder Versicherungen. Aber ich kann 'ne Gedichtanalyse schreiben. In 4 Sprachen." schrieb sie am 10. Januar.

Viele andere Jugendliche stimmten zu, auch hier in der Region. Bundesbildungsministerin Wanka äußerte sich im Januar wie folgt: „Ich bin dafür, in der Schule stärker Alltagsfähigkeiten zu vermitteln. Es bleibt aber wichtig, Gedichte zu lernen und zu interpretieren.“ Von offizieller Seite erntete Naina in Bayern eher wenig Verständnis. Leider erfuhr sie einen ziemlichen Shitstorm im Internet, legte so erst einmal eine Twitter-Pause ein, inzwischen ist ihr Account aber gelöscht, unter dem Namen twittert jetzt jemand anders.

dpa/kfe

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