Regiesseur Sagy Cohen will zeigen, dass auch Flüchtlingskinder Kinder sind Flüchtlingskinder drehen einen Film

Von Sarah Bernhard
Sagy Cohen (Mitte hinten) hat Zabir, Aminah, Abeer und Timirchan (von links) und anderen Flüchtlingskindern eine Kamera vor die Nase gestellt. Heraus kam ein rührender Film darüber, was es heißt, ein Kind auf der Flucht zu sein. Foto: Andreas Harbach Foto: red

Mehr als eine Million Flüchtlinge sollen dieses Jahr nach Deutschland kommen. Eine gewaltige Zahl. So gewaltig, dass die Schicksale hinter dieser Zahl oft vergessen werden. Der Weidenberger Sagy Cohen will das ändern. Er hat mit den Flüchtlingskindern der Grund- und Mittelschule Weidenberg den Film „Wurzeln, Wünsche, Wege“ gedreht. Und zeigt, dass sie vor allem eines sind: ganz normale Kinder.

 
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„Wenn ich hierher kam, hab‘ ich gedacht, alle lachen, weil ich Sprache nicht kann“, sagt Zabir ernst. Der 13-Jährige aus Aserbaidschan steht vor einem Baum in der Sonne und schaut direkt in die Kamera. Dann grinst er. „Aber war egal, dass ich Sprache nicht kann. Alle gesagt: Willkommen in Deutschland. War schön.“

Zabir ist einer der Hauptdarsteller des Films „Wurzeln, Wünsche, Wege“ von Sagy Cohen, der seit dem vergangenen Schuljahr die Ganztags-Übergangsklasse der Grund- und Mittelschule betreut. „Ich hatte erst ein bisschen Sorge“, sagt Cohen. Weil es für Flüchtlingskinder schwer sei, sich zu öffnen. Und noch schwerer, wenn eine Kamera vor ihrer Nase stehe. „Aber als Zabir am ersten Drehtag bei mir im Garten stand und 25 Minuten lang frei gesprochen hat, kam die Hoffnung zurück, dass es gut wird.“

So gut, dass Landrat Hermann Hübner sich nach Ende der Premiere in der Weidenberger Grund- und Mittelschule erstmal sammeln muss, bevor er sagt: „Die Bilder haben mich betroffen gemacht.“ Denn der Film zeigt auch Aminah (12) und ihre Schwester Abeer (11) aus Syrien, die fröhlich über den Spielplatz toben. Und dann erzählen, wie ein Grenzsoldat auf sie geschossen hat. Und wie schrecklich kalt es auf dem Gummiboot war, mit dem sie bei Nacht übers Meer geflüchtet sind.

Oder Endrit (16) aus Kosovo, der zwischen seinen Freunden sitzt und sagt: „Im Kosovo ist alles verloren. Und in der Schule müsste ich wieder ganz von vorne anfangen. Ich will hierbleiben, aber wir haben so viel Negatives gekriegt, ich glaube, wir schaffen‘s ned.“ Und der mittlerweile mit seiner Familie in seine Heimat zurückkehren musste.

Auch Flüchtlingskinder lachen gerne

Doch der Film will nicht traurig machen. Er will auch zeigen, dass Flüchtlingskinder genauso fröhlich, naiv und verspielt sein können wie deutsche Kinder. Dass auch sie gerne lachen, schaukeln, kicken, Fahrrad fahren oder im Fichtelsee baden. Dass auch sie eine schöne Kindheit haben wollen. „Es gibt Vorurteile gegen Flüchtlinge, das verstehe ich“, sagt Cohen. „Aber das sind Kinder, wenn man da nicht sensibel ist, dann läuft wirklich was falsch.“

5000 Euro Förderung hat Cohen über das Bundesprogramm „Demokratie leben“ bekommen. Ein Großteil des Geldes ist noch da. Denn der Film war nur der erste Schritt. „Jetzt wollen wir den Film in Schulen und anderen Bildungsstätten zeigen und im Anschluss eine Gesprächsrunde mit den Kindern machen“, sagt Cohen. „Denn es ist etwas ganz anderes, wenn man etwas liest oder wenn man eine direkte Begegnung hat.“

Abeer redet wie ein Wasserfall

Die fällt für manchen anders aus als erwartet. Besonders für die, die in die Nähe von Abeer, dem Mädchen aus Syrien, kommen. War die Elfjährige auf dem Podium noch recht zurückhaltend, redet sie danach wie ein Wasserfall. Mit Anna Westermann von „Bunt statt Braun“ über den Kuchen aus der Mensa. Mit Cohen übers Heiraten. Und mit ihrer Schwester darüber, dass der Typ da hinten cool aussieht. „Vertrauen ist das Schlüsselwort“, sagt Cohen. „Das aufzubauen hat aber lange gedauert.“

Jetzt ist so viel davon da, dass ihm manche Kinder – vor der Kamera – ihre größten Wünsche anvertraut haben: Aminah will Fahrradfahren lernen. Timmi möchte immer mit Endrit befreundet bleiben. Endrit möchte arbeiten. Und Zamir will, wenn er groß ist, Bürgermeister werden. „Weil der helft armen Menschen und baut neue Häuser und Schulen.“

Hier kann man den Film bekommen

Durch die Förderung entstehen für Bildungseinrichtungen, die den Film zeigen und mit den Flüchtlingskindern darüber diskutieren wollen, keine Kosten. Interessierte können sich bei Sagy Cohen unter Telefon 0176/97899307 oder cohensagy@googlemail.com melden.

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