Zeugen bestätigen Ruhigstellen mit Medikamenten
Zeugen bestätigten das Ruhigstellen der Bewohner durch Tabletten – aus offenbar wirtschaftlichen Erwägungen. „Die wurden ,abgeschossen’, damit sie weniger essen und trinken.“ Und zugleich habe man so die höchstmögliche Pflegestufe erreichen können. Die Tabletten seien unbemerkt ins Essen gemischt worden.
Apropos Essen: Ehemalige Schwestern berichten, dass die Bewohner oft über Hunger geklagt hätten. „Ich habe dann von daheim zur Nachtschicht denen Essen mitgebracht“, erzählt eine Schwester. Kaffee und Tee seien den ganzen Tag über gestreckt worden. Und: „Sogar das Duschgel wurde mit Wasser verdünnt.“
Auch Lob von anderen Angehörigen
Es gibt andererseits Angehörige von Bewohnern, die sich melden und mit der Unterbringung ihrer Verwandten in Gleusdorf sehr zufrieden sind. Der Onkel habe seit der Verlegung in die Seniorenresidenz sogar wieder zugenommen, lobt ein Mann. Die ehemalige Pflegedienstleiterin kennt solche Argumente von Angehörigen. Denn was diese nicht wüssten: „Die Demenzkranken werden mit Puddingsuppe vollgestopft, nur damit sie dick werden.“
Die Heimleitung der Seniorenresidenz spricht in einer schriftlich verbreiteten Stellungnahme von einem nicht nachvollziehbaren Rachefeldzug aus dem Umfeld einer Mitarbeiterin, die man im Frühjahr 2016 entlassen musste. Die Unterstellungen seien unwahr und verleumderisch. „Zum Schutz unseres Unternehmens und im Sinne unserer Mitarbeiter/innen werden wir gegen diese Angriffe auch mit strafrechtlichen Mitteln vorgehen.“
Wie konnte es so weit kommen?
Doch wie konnten die angeblich schlimmen Zustände unentdeckt bleiben? Der Landkreis Haßberge führe regelmäßig unangemeldete Kontrollen in den Pflege- und Behindertenheimen durch, sagt Monika Göhr, Pressesprecherin des Landratsamts in Haßfurt. Auch die Seniorenresidenz Gleusdorf wurde regelmäßig einmal pro Jahr von der Heimaufsicht kontrolliert – zuletzt routinemäßig im August 2015 und am 1. September 2016.
Nur wenige Wochen nach dem September-Termin wurde am Buß- und Bettag (16. November) das Heim erneut überprüft. „Dabei, wie auch bei den Kontrollen zuvor, wurden keine erheblichen Mängel im Sinne des Pflege- und Wohnqualitätsgesetzes festgestellt. Es wurden deshalb bislang keine Anordnungen erlassen oder Auflagen verhängt“, so Göhr.
Anonyme Anzeigen
Nach anonymen Anzeigen waren Vertreter des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen (MDK) im Januar, Februar, August und zuletzt am Buß- und Bettag im Schloss. Im „Pflegeheimnavigator“ im Internet hat der MDK bei der August-Prüfung der Seniorenresidenz die Note 1,7 gegeben. Der Durchschnittswert in Bayern liegt bei 1,3. Von den 70 Bewohnern seien zehn geprüft worden, heißt es. Auffallend dabei: Die Befragten selbst gaben dem Heim nur die schwache Note von 2,3.
dpa