"Wir machen lokalen Folk"

Von Michael Weiser
Hinterkünftiges im Zentrum: Kofelgschroa gastieren in Bayreuth. Foto: Jonas Kraus/red Foto: red

Anarchie und Tradition, hinterkünftige Texte zur ganz neuen Sorte von Volksmusik machten Kofelgschroa in den vergangenen Jahren zu einem der spannendsten Ereignisse der deutschen Popmusik seit langem. Am Freitag sind die Vier im Zentrum zu erleben. Und wir sprachen mit Maximilian Pongratz über lokalen Folk, über das Bayerntum als Inszenierung und Karl Valentin als Vorbild.

 
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Geben Sie uns doch bitte mal die Auflösung: Was heißt denn Kofelgschroa?

Maxi Pongratz: Das kann man nicht, das übersetzen, na, das ist unmöglich. Zum einen haben wir uns benannt nach einem Hotel Kofel an der Tiroler Gasse. Zum andern nach dem Berg, dem Kofel.

Und das Gschroa? Es wird erzählt, als „Geschrei“ hätten die Oberammergauer euren Gesang bezeichnet?

Pongratz: Eigentlich haben wir das schon auch selber so gesagt. Wir hießen davor anders…

…Kofelmusi

Pongratz: Ja, aber wir haben uns damit nicht identifiziert. Wir haben halt bei Altennachmittagen gespielt (lacht), lauter Sachen, die wir eigentlich gar nicht machen wollten. Wir wollten eine Musik machen, die für die junge Leute ist und nicht nur für die Alten. Keine Ahnung.

"Wenn wir in den Staaten wären, würden wir Folk machen"

Weil’s euch zu fad war?

Pongratz: Genau, es war zu bieder.

Eine junge Volksmusik, die nicht dem Klischee der Volksmusik entspricht: Das ist doch auch schon ein Klischee.

Pongratz: Stimmt schon, ja, ich weiß ja auch nicht. Man müsste vielleicht mal darüber reden, was eigentlich das Bild der „normalen Volksmusik“ ist, überhaupt, was normal ist. Wir wollen mit Volksmusik aber gar nicht so viel zu tun zu haben. Wir versuchen, vernünftigen oder vielmehr lokalen Folk zu machen.

Was ja übersetzt ohnehin irgendwie Volksmusik bedeutet.

Pongratz: Wenn wir in den vereinigten Staaten wären, würden wir ganz selbstverständlich Folk Musik machen. Hier dagegen muss man sich immer outen, zu irgendwas bekennen, zu irgendeiner Tradition oder einem zeitgenössischen Trend. Das ist sehr anstrengend, dass man schauen muss, nicht in Schubladen gesteckt zu werden. Also, es gibt zwar traditionelle Volksmusik, aber keine lokale Pop-Musik. Da hat man sich immer gespreizt. Eigentlich will man ja nur ernstgenommen werden. Hm (sinniert) Was heißt das jetzt schon wieder? Was wir eigentlich wollen, ist, dass wir Spaß haben, dass wir unser Ding machen.

"Zeit, um zu machen, was man wirklich will"

Der Spaß kann irgendwann mit der Routine verloren gehen. Wie lauten eure Pläne?

Pongratz: Wir versuchen, das so weiterzuführen. Nach dem Erfolg kommt ja meistens eine Flaute. Uns macht es bislang Spaß, wir haben das immer gern gemacht.

In Oberammergau macht die Hälfte der rund 5000 Einwohner in irgendeiner Form bei den Passionsspielen mit. Was wart denn Ihr?

Pongratz: Ich war der Halbbruder Jesu, der Michi war Apostel. Martin jüdische Tempelwache. Der Mathias hat nicht mitmachen dürfen, der stammt aus dem Ostallgäu, aus Trauchgau. Der darf nicht mitmachen.

Und weil so viele mitmachen, hat das Theater dort schon eine starke Tradition. Wie hilft einem das vor Publikum?

Pongratz: Das täuscht nicht, das ist tatsächlich so. Man wächst in Oberammergau mit dem Gefühl auf, ganz selbstverständlich auf der Bühne zu stehen. Und zwar steht man auch als Nichtkünstler, als Laie auf einer großen Bühne, das gibt‘s es ja nicht so oft.

Frei. Sein. Wollen. So heiß ein Film über euch. Wann ist man frei?

Pongratz: Den Film finden wir gut. Am Anfang war das nicht so geil, man braucht Zeit, bis man dazu ja sagt, und mir ist das nicht leicht gefallen. Hm, ab wann ist man frei? (fragt seinen Nachbar) Martin, ab wann ist man frei? (Jemand antwortet). Also, der Martin sagt: Ist der Ruf mal ruiniert, lebt sich’s gänzlich ungeniert.

Ihr habt einen Ruf zu verlieren….

Pongratz: Mal im Ernst: Ist man frei, wenn man keine Zwänge hat? Aber wie will man Zwängen entgehen? Frei sein ist für jeden was anderes. Für uns heißt das einfach, sich die Zeit zu nehmen, und zwar radikal zu nehmen. Dafür, dass man dem Zeit geben kann, was man gerne macht. Dafür muss man eben auf andere Sachen verzichten, auf den großen Konsum. Wir haben einen Band-Bus, aber keine Autos.

"Der Paradebayer ist eine Inszenierung"

Und Klamotten?

Pongratz: Einer von uns fährt schon darauf ab. Ich mach‘s manchmal schon auch gerne, einkaufen, Second Hand vor allem. Man muss ja sein Gwand nicht beim Karl Lagerfeld machen lassen. Second Hand find ich super.

Wie ist die Resonanz auf euch, auf eure Texte im tiefen Ammertaler Dialekt?

Pongratz: Ich glaub schon, dass man uns versteht. Was uns wichtig ist, vermitteln wir immer halbwegs in Hochdeutsch. Wir hören doch sonst auch viel Musik, wo wir nicht alles verstehen. Also, es auch nicht so ganz wichtig. Eigentlich ist das die komischte aller Fragen. Natürlich versteht man bei uns uns nicht alles, aber doch vieles.

Mit eurer anarchischen Mischung seid ihr zu einer der ganz angesagten Bands geworden. Wie geht ihr mit dem Erfolg um, was hat sich bei euch geändert?

Pongratz: Wir versuchen weiterhin, das zu machen, worauf wir Lust haben. Erfolg haben oder nicht, daran kann man so viel gar nicht beeinflussen. So lang man‘s gerne macht, mit einem gutem Gefühl, so lange gefällt‘s den Leuten. Man muss sich weiter entwickeln, egal, in welche Richtung. Man bekommt ein Problem, wenn man immer dasselbe Thema hat.

Den markanten Kofel im Namen, dazu eure abgründig aberwitzigen Texte: Seid ihr Paradebayern, die auf den Spuren von Karl Valentin wandeln?

Pongratz: Um Gottes Willen, wir wollen gar keine richtigen Bayern sein. Wer ist das schon? Wir sind Fans von Karl Valentin, das stimmt, aber das heißt, nicht dass wir an ihn rankommen wollen. Und den Paradebayern gibt‘s ohnehin nicht, der ist erfunden, Ergebnis einer Inszenierung. Das ist eher der Blick von außen.

Wie wichtig ist für euch das Paradedorf Oberammergau?

Pongratz: Oberammergau ist für uns wichtig. Es gefällt uns dort, wir sehen’s aber auch kritisch. Weil es eine Vorführung ist, eine Inszenierung. Wir wollen aber nicht vorführen, wir wollen sein.

Und was seid ihr, eurer Innensicht nach?

Pongratz: Wir sind vier Schulfreunde, vier Spezln, die sich lange kennen, musizieren, die einen eigenen Style gefunden haben. Die gerne reisen, unterwegs sind, gern zusammen dieses Projekt machen. Die sich freuen, wenn Leute gute Stimmung haben und gerne zuhören.

Ich muss noch mal aufs Hotel Kofel zurückkommen. Das gibt’s doch gar nicht, das ist doch eine Erfindung von euch, oder?

Pongratz: Stimmt, das gibt’s nicht offiziell. Das ist unser Name für das Ruederer-Haus (das Oberammergauer Domizil des Schriftstellers Josef Ruederer, das Kofelgschroa wieder hergerichtet hat, Anm. der Red.) Wir machen da drinnen was, wir heißen Menschen willkommen, Die die Kommen wollen, die mit uns was machen wollen, die Lust haben zum ratschen, schlafen lesen, schreiben, musikmachen, - eigentlich alles.