"Die Deutschen sind halt der große Bruder"

Von Michael Weiser
Will Klischees zertrümmern: Alain Frei. Foto: Jonas Sorgalla Foto: red

Er ist Schweizer und dennoch einer der jungen Wilden in der Comedy: Alain Frei, der am Dienstag, 7. November, in Bayreuth (Das Zentrum, Beginn: 20 Uhr) auftritt. Mit dem Eidgenossen sprachen wir über den Irrwitz der Welt, deutsch-schweizerische Missverständnisse und den Schweizer Hang zur Neutralität.

 
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Warum fragen die Schweizer nach jeder Feststellung immer: Oder?

Alain Frei: Wegen unserer Neutralität wahrscheinlich, weil's uns wohl darum geht, dass der Gesprächspartner das noch absegnet. Vielleicht wollen wir einfach höflich sein. Keine Ahnung, aber wir machen das wirklich oft.

Sie arbeiten viel mit Klischees über die Schweiz, sind ja ein richtiger Klischeezertrümmerer. Gibt es ein Klischee über die Eidgenossenschaft, das Sie richtig unangenehm finden?

Frei: Das mit dem "Klischeezertrümmerer" hört sich doch sehr gut an. Ich finde, wir haben zum Glück kaum unangenehme Klischees zu ertragen. Das übliche halt. Dass wir Geld haben, dass wir langsam sind. Das mit der Langsamkeit, das ist übrigens gar nicht so. Wenn wir versuchen, Hochdeutsch zu reden, dann hört sich das langsam an, gut. Aber Schwyzerdütsch geht schon eher schneller ab.

In Deutschland werde man als Temposünder geblitzt, in der Schweiz - gemalt.

Frei: Da haben Sie sich einen schönen Gag rausgepickt. Stimmt, habe ich gesagt, das ist aber wirklich nur ein Gag. Ich arbeite ja selber mit Klischees.

Jüngst in Zürich bin ich zweimal hintereinander geblitzt worden, und die Strafzettel waren sehr schnell da. So teuer, dass man sich dafür wirklich hätte malen lassen können.

Frei (lacht): Ich glaube, deswegen sind wir Schweizer so reich. Genau. Wir Schweizer wissen's aber auch, dass das mächtig teuer ist.

Woher kommt denn eigentlich die Missstimmung gegen die "Dütschen" in den vergangenen Jahren?

Frei: Ich weiß nicht, ob das nur in den letzten Jahren so ist (lacht). Aber im Ernst: Das ist doch oft so zwischen Nachbarn, das findet man ja manchmal schon zwischen Dörfern. Die da drüben sind so, und wir sind wir. Wir Schweizer und Deutschen sind uns unglaublich ähnlich, wir gucken diese selben sachen, haben die selbe Mentalität. Sobald da eine Grenze dazwischen ist, verschärft sich das halt ein bisschen. Die Deutschen gelten vielleicht manchmal als arrogant, das liegt an der Sprache, die ist, es, die zu dieser Wahrnehmung führt. Hochdeutsch ist für uns ungewohnt. Weil Hochdeutsch eine sehr exakte Sprache ist.

Die Deutschen hingegen nehmen Schwyzerdütsch als drollig wahr. Hat schon was, wenn einen die Zeitansage im Radio so begrüßt: "Liebe Lüt, 's isch kurz nach Füffi."

Frei: Das kann gut sein. Vielleicht rührt auch von daher die Verstimmung. Ja, die Schweiz ist ein putziges kleines Land, ist richtig süß. Ich vergleiche das mit einer Hassliebe, wie sie unter Brüdern herrschen kann. Die Deutschen sind halt die großen Brüder. Man schaut sich an, was die Deutschen machen und sagt dann: Ach, die Deutschen wieder. Man schaut auch zu, wenn die Fußball spielen, freut sich aber auch manchmal, wenn sie nicht so erfolgreich sind.

Ich plädiere für ewige Fußballfreundschaft: Ohne die Schweizer und ihre Fürsprache hätten die Deutschen nie 1954 an der Weltmeisterschaft teilnehmen dürfen. Ohne sie kein Wunder von Bern! Und die Schweizer waren überhaupt die Ersten, die Deutschland nach dem Weltkrieg wieder ein Länderspiel angeboten haben.

Frei: Ehrlich? Wusste ich gar nicht. Ist aber gut. Das kann ich vielleicht in meine Show einbauen.

Woher nehmen Sie Ihre Anregungen? Zur Zeit herrschen doch traumhafte Zeiten für Comedians und Kabarettisten.

Frei: Ich finde, im Moment ist es für Comedians fast schwierig. Zur Zeit die Realität so absurd, mit Erdogan, Trump und den anderen Gestalten, dass man darüber fast keine Witze mehr machen kann. Das ist absurder als manche Comedy. Gar nicht so einfach.

Woraus dann? Sie haben sich ja mal über den Rapper Haftbefehl lustig gemacht und festgestellt, der einzige Schweizer Gangsta-Rapper sei DJ Bobo...

Frei: Das mit Haftbefehl und der Bitch, die Chicken Wings machen soll - das fand ich lustig. Ich hab's dann verbunden mit einer Geschichte über gleichgeschichtliche Ehen. Es geht bei mir um Dinge, die aktuell sind, um die Flüchtlingsdebatte zum Beispiel; oder um absurde Dinge, aber auch um die Familie. Ich möchte schon auch eine Botschaft mitteilen. Die wirklich wichtige Botschaft für mich ist: Es gibt nur eine Rasse. und die heißt Mensch. Das neue Programm ist eine Mischung aus vielem, vor allem aus dem, was mir so begegnet.

Weil Sie gerade von Rassismus sprechen - auch da unterschätzt man die Schweizer gern. Es gibt aber kaum ein europäisches Land mit so vielen Ausländern wie die Schweiz.

Frei: Tatsächlich, wir haben viele Ausländer. Ich muss sagen, dass die Stimmung nicht immer gut ist, da zeigen sich auch viele nicht von ihrer guten Seite, Aber wir tun schon einiges. Aber auch Deutschland hat einiges getan. Dass immer mehr geht, ist auch klar, wir vergessen, wie gut es uns geht. Wir haben Glück. Wir leben auf der guten Seite.

Man kann aber schon auch den Eindruck gewinnen, dass die Länder gegenüber Fremden am feindseligsten sind, die Fremde kaum kennen. Polen, Tschechien, die Slowakei, Ungarn...

Frei: Das natürlich auch. Das sind aber auch Länder, die viele andere Probleme haben. Ich würde mich weit aus dem Fenster lehnen, wenn ich da Schuld zuweisen wollte. Es kommt auch darauf an, wer gerade an der Spitze eines Staats steht. Auch in Deutschland erleben wir einen Rechtsruck. Es kommt immer auch darauf an, wer wo die Angst schürt. Tschechien, Ungarn - die sind eben auch nicht so reich. Die haben noch mehr Sorgen als andere Länder in Europa.

Sie treten am 7. November in Bayreuth auf. Zum ersten Mal. Was kennen Sie von der Stadt?

Frei: Ich habe nur von Karl Theodor zu Guttenburg gehört.

Na gut, der kommt immerhin aus der Gegend. Richard Wagner?

Frei: Der auch?

Und in der Schweiz hat er auch lange gelebt.

Frei: So klein ist die Welt (lacht). Ich hoffe, dass ich Bayreuth noch ein bisschen besser kennenlerne. Das hoffe ich.

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