Polizeischutz für Abgeordnete

Der Bundesvorsitzende der Partei Bündnis 90/Die Grünen, Cem Özdemir. Foto: Britta Pedersen/dpa Foto: red

Türkischstämmige Bundestagsabgeordnete stehen nach Morddrohungen wegen ihrer Zustimmung zur Armenier-Resolution Medienberichten zufolge unter Polizeischutz. Dazu zählen zum Beispiel vermehrte Polizeistreifen im beruflichen und privaten Umfeld sowie im Einzelfall auch Personenschutz durch ein Spezialkommando der Bundeskriminalamts, wie die «Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung» («FAS») berichtete. Nach Angaben des ZDF gilt der Polizeischutz seit Samstag.

 
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Das Bundeskriminalamt wollte sich auf Anfrage nicht näher dazu äußern. Eine Sprecherin erklärte lediglich, dass die Sicherheit der Abgeordneten der Lage angepasst gewährleistet werde. Aus dem Kreis der elf betroffenen Parlamentarier hieß es, es sei offen, ob jetzt für jeden Abgeordneten besondere Sicherheitsvorkehrungen gelten und dieser entsprechend eingestuft sei. Es habe ein allgemeines Treffen gegeben, bei dem das Bundeskriminalamt Hinweise gegeben habe.

Bereits zuvor war die Polizeipräsenz an der Wohnung von Cem Özdemir erhöht worden, der einer der Initiatoren der Resolution war und für den als Grünen-Parteichef besondere Sicherheitsmaßnahmen gelten.

Der Bundestag hatte die Massaker an den Armeniern im Osmanischen Reich 1915 als Völkermord eingestuft und damit scharfe Reaktionen der Türkei hervorgerufen. Präsident Recep Tayyip Erdogan verunglimpfte die elf türkischstämmigen Abgeordneten als verlängerten Arm der verbotenen PKK.

Die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz, nahm die türkischen Verbände in die Pflicht. «Ich erwarte von den türkischen Verbänden in Deutschland, dass sie die Drohungen gegen uns Abgeordnete deutlich verurteilen und zu einer Versachlichung der Debatte beitragen», sagte die SPD-Politikerin der «Bild am Sonntag».

Das Auswärtige Amt (AA) riet laut «Spiegel» den Parlamentariern von Reisen in die Türkei ab. Ein Abgeordneter sagte allerdings, es habe bisher keine direkten Informationen vom Auswärtigen Amt gegeben. Man habe aus den Medien davon erfahren.

Begründet wurde der Schritt dem «Spiegel» zufolge damit, dass die Sicherheit der Abgeordneten in der Türkei nicht garantiert werden könne. Türkischstämmige Abgeordnete haben demnach auch Dienstreisen nach Ankara oder ihren Sommerurlaub am Bosporus abgesagt. Ein Abgeordneter soll dafür gesorgt haben, dass seine Eltern das Ferienhaus der Familie in der Türkei verließen und in einem Hotel einer anderen Stadt Zuflucht suchten.

Bundestagspräsident Norbert Lammert, der Erdogans Angriffe deutlich zurückgewiesen hatte, sagte am Sonntag im ZDF, die in einer «beispiellosen Weise aufgeheizte Öffentlichkeit» in der Türkei sei ein «hinreichender Grund, nicht unbedingt notwendige Besuche besser auch dann zu einem späterem Zeitpunkt stattfinden zu lassen».

Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) rief Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, Erdogan die Stirn zu bieten: «Das laute Schweigen muss aufhören, von der Kanzlerin müssen deutliche Worte kommen», sagte sie der Zeitung «Die Welt». Merkel müsse sich aus der Abhängigkeit von Erdogan lösen und das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei aufkündigen.

Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kritisierte den innenpolitischen Kurs der Türkei. «Es gibt Entwicklungen in der Türkei, die uns zutiefst beunruhigen, wie etwa Einschränkungen bei der Pressefreiheit oder Missachtung von Menschen- und Minderheitsrechten oder der Umgang mit Parlamentariern», sagte die CDU-Politikerin der «Welt am Sonntag». Eine Partnerschaft müsse gegenseitige Kritik aushalten.

Das belastete Verhältnis beider Staaten schadet nach Darstellung der Wirtschaftverbände den deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen. Die Geschäftsaussichten deutscher Unternehmen in der Türkei für 2017 seien «nur noch gedämpft positiv», sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, dem Blatt. Der Präsident des Industrieverbandes BDI, Ulrich Grillo, sagte: «Wir betrachten die aktuellen Entwicklungen in der Türkei mit Sorge.»

dpa

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