Begründet wurde der Schritt dem «Spiegel» zufolge damit, dass die Sicherheit der Abgeordneten in der Türkei nicht garantiert werden könne. Türkischstämmige Abgeordnete haben demnach auch Dienstreisen nach Ankara oder ihren Sommerurlaub am Bosporus abgesagt. Ein Abgeordneter soll dafür gesorgt haben, dass seine Eltern das Ferienhaus der Familie in der Türkei verließen und in einem Hotel einer anderen Stadt Zuflucht suchten.
Bundestagspräsident Norbert Lammert, der Erdogans Angriffe deutlich zurückgewiesen hatte, sagte am Sonntag im ZDF, die in einer «beispiellosen Weise aufgeheizte Öffentlichkeit» in der Türkei sei ein «hinreichender Grund, nicht unbedingt notwendige Besuche besser auch dann zu einem späterem Zeitpunkt stattfinden zu lassen».
Bundestagsvizepräsidentin Claudia Roth (Grüne) rief Kanzlerin Angela Merkel (CDU) auf, Erdogan die Stirn zu bieten: «Das laute Schweigen muss aufhören, von der Kanzlerin müssen deutliche Worte kommen», sagte sie der Zeitung «Die Welt». Merkel müsse sich aus der Abhängigkeit von Erdogan lösen und das Flüchtlingsabkommen zwischen der EU und der Türkei aufkündigen.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kritisierte den innenpolitischen Kurs der Türkei. «Es gibt Entwicklungen in der Türkei, die uns zutiefst beunruhigen, wie etwa Einschränkungen bei der Pressefreiheit oder Missachtung von Menschen- und Minderheitsrechten oder der Umgang mit Parlamentariern», sagte die CDU-Politikerin der «Welt am Sonntag». Eine Partnerschaft müsse gegenseitige Kritik aushalten.
Das belastete Verhältnis beider Staaten schadet nach Darstellung der Wirtschaftverbände den deutsch-türkischen Wirtschaftsbeziehungen. Die Geschäftsaussichten deutscher Unternehmen in der Türkei für 2017 seien «nur noch gedämpft positiv», sagte der Außenwirtschaftschef des Deutschen Industrie- und Handelskammertages (DIHK), Volker Treier, dem Blatt. Der Präsident des Industrieverbandes BDI, Ulrich Grillo, sagte: «Wir betrachten die aktuellen Entwicklungen in der Türkei mit Sorge.»
dpa