Polizeigewerkschaften befürworten Taser für Streifenpolizisten Polizisten wollen Angreifer schocken

Von Katharina Wojczenko
Polizist spielt Angreifer: Jürgen Köhnlein hat die Elektroschockpistole am eigenen Leib getestet. In seinem Rücken steckt ein Widerhaken mit Draht, der zweite in der Wade. Foto: red Foto: red

Ein kurzer Knall, dann surrt es wie eine Nähmaschine - und Polizist Jürgen Köhnlein kippt um, er schreit auf. Getroffen von zwei Pfeilen aus der Elektroschockpistole, genannt Taser. Wenn es nach Köhnlein geht, sollen auch Bayreuther Streifenpolizisten dieses Gerät künftig verwenden dürfen, um Angreifer außer Gefecht zu setzen.

 
Schließen

Diesen Artikel teilen

Bayreuther Polizisten haben den Taser bei einer Veranstaltung der Deutschen Polizeigewerkschaft (DPolG) Oberfranken im polizeilichen Einsatzzentrum getestet. Von Köhnleins Selbstversuch ist noch etwas Schorf geblieben, wo sich die Widerhaken durchs T-Shirt in die Haut gebohrt haben. "Das hat sakrisch weh getan", sagt der oberfränkische Gewerkschaftsvorsitzende, "wie ein Wadenkrampf, aber am ganzen Körper".

Köhnlein ist trotzdem überzeugt: "Polizisten brauchen den Taser im Streifendienst. Denn zwischen Pfefferspray, Einsatzstock und Schusswaffe klafft eine große Lücke." Er und seine Gewerkschaft fordern deshalb, dass das bayerische Innenministerium die Geräte von Streifenpolizisten testen lässt und dann jeden Streifenwagen mit einem Taser ausgestattet.

Viel Alkohol und Drogen: Da versagt das Pfefferspray

Denn oft müssten Polizisten schießen, weil andere Mittel versagen. Oder sie dürfen nicht schießen, wenn sie müssten, um andere nicht zu gefährden. "Wenn Menschen stark alkoholisiert sind oder unter Drogen stehen, wirken Schlagstöcke oder Pfefferspray nicht", sagt Köhnlein. "Dann empfinden sie keinen Schmerz mehr."

Bei Gegenwehr oder Gewalt gegen Polizisten wäre der Taser eine Lösung, meint Köhnlein."Wir haben es auch mit psychisch Kranken zu tun, die zu Messern oder Eisenstangen greifen. Die brauchen keine Kugel im Bauch, sondern einen Doktor."

In Menschenmengen dürfen Polizisten nicht scharf schießen

Eine weitere heikle Situation sind Einsätze in Menschenmengen. "Wenn im Faschingszug jemand ein Messer zückt, dürfen wir nicht auf ihn schießen, weil wir Unschuldige gefährden könnten", sagt Köhnlein. Weil der Täter verfehlt wird oder die Kugel ihn durchschlägt. Aber mit Pfefferspray oder Schlagstock kann man aus der Ferne auch nichts ausrichten. Der Elektroschocker wirkt am besten aus drei bis fünf Metern Entfernung, reicht aber bis 7,5 Meter, wie eine Fernbedienung. "So ist die Verletzungsgefahr für die Kollegen im Einsatz geringer."

Die Bayreuther Polizistin Andrea Lutz, stellvertretende Kreis- und Bezirksvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP) sieht das ähnlich. Ihre Gewerkschaft war dem Taser gegenüber früher kritisch eingestellt, auch weil es nach Einsätzen in den USA zu Toten gekommen war. Mittlerweile seien die Geräte verbessert worden und mehrere Gutachten hätten belegt, dass die Menschen Herzprobleme hatten und "an akutem Stress" gestorben seien - und nicht am Taser. "Taser haben eine große Signalwirkung", sagt Lutz, "weil der Täter an der Lichtmarkierung an seinem Körper sieht, dass auf ihn gezielt wird. Im besten Fall gibt er dann schon auf."

Nur das SEK darf derzeit tasern - da ist der Sanitäter nicht weit

Derzeit dürfen nur Beamte des Spezialeinsatzkommandos (SEK) die Elektroschockpistole in Bayern verwenden. Bei einem gemeinsamen Einsatz hat sie so auch Lutz kennengelernt.  Als ein Mann sich in der Öffentlichkeit mit einem Gewehr erschießen wollte. "Ich habe auf ihn eingeredet, damit er sich nicht umbringt, die Kollegen vom SEK haben ihn getasert und festgenommen." Übertrieben fände Lutz es allerdings, wenn jeder Polizist einen Taser mit sich führte. "Einer pro Streifenwagen reicht, wir tragen schon genug Geräte am Körper."

Laut bayerischem Innenministerium kommt der Taser bislang vor allem wegen des hohen Schulungsaufwands nur beim SEK zum Einsatz, die Getaserten werden anschließend sofort untersucht. Eine Arbeitsgruppe mit Polizeiexperten prüft aber seit Ende 2015 weitere Einsatzmöglichkeiten. "Die Ergebnisse liegen uns voraussichtlich Ende 2016 vor", sagt ein Sprecher dem Kurier.

Info: Das ist ein Taser

Taser ist das englische Wort für die Elektroschockpistole oder Distanz-Elektroimpulswaffe. Er funktioniert wie eine Harpune: Per Knopfdruck schießt man ein Projektil mit zwei oder vier Widerhaken auf den Gegner. Ein Draht verbindet sie mit der Pistole. Über diesen bekommt der Getroffene Stromstöße, die ihn etwa zwei Minuten lang am ganzen Körper lähmen.

Ein Gerät kostet etwa 1800 Euro, jeder Schuss 40 Euro. Die Geräte verfügen über einen Chip, der seinen Gebrauch aufzeichnet. Bei der Schweizer Polizei ist er seit 2003 zugelassen und gehört heute zur Standardausrüstung.

Das Wort Taser ist die Abkürzung für "Thomas A. Swift’s Electric Rifle" aus dem gleichnamigen Jugendbuch von 1911. Der Erfinder des Elektroschockers, Jack Cover, hatte es als Kind gelesen.

Mehr zum Thema:

Taser in den USA: Polizist tötet Schwarzen

Amnesty International kritisiert Taser-Einsatz

Schweiz: Der Taser, besser als sein Ruf

Bilder