Das Gewerbe galt lange als sittenwidrig und ist seit dem Prostitutionsgesetz von 2002 in Deutschland legal. Das Gesetz, das gegen die Stimmen von CDU/CSU verabschiedet wurde, sollte eigentlich die soziale Lage der Prostitution verbessern. Stattdessen werfen ihm Kritiker vor, zu einem gewaltigen Anstieg der Zwangsprostitution und des Menschenhandels geführt zu haben. Im Koalitionsvertrag von 2013 einigten sich Union und SPD auf eine umfassende Überarbeitung des Gesetzes. Im folgenden die Schlaglichter der Diskussion vom Samstag:

Minderheiten-Schutz

Hartmut Koschyk ist Beauftragter der Bundesregierung für nationale Minderheiten: „Nach den neuen Plänen sollen Freier in die Verantwortung genommen werden, wenn sie Dienste von Zwangsprostituierten in Anspruch nehmen. Wir können nicht so tun, als wäre der Balkan weit weg.“ Besonders Roma-Kinder seien in Gefahr, von Menschenhändlern entführt und an Bordellbetreiber verkauft zu werden. Die Mehrzahl der Zwangsprostituierten sei weiblich, doch der Menschenhandel bedrohe beide Geschlechter.

Die Lage in Europa

Monika Hohlmeier ist Oberfrankens CSU-Abgeordnete im Europa-Parlament: „Der Menschenhandel profitiert von den Kriegen und der Armut in vielen Ländern um uns herum. Bei der Bekämpfung dieser Art von Kriminalität muss einfach mal der Nationalstolz zurückstehen. Das Netzwerk der organisierten Kriminalität und der Polizeibehörden ist in vielen Ländern sehr eng. In Rumänien zum Beispiel hat der ehemalige Geheimdienst Securitate inzwischen Aufgaben der Verbrechensbekämpfung übernommen – damit verbunden ist der Einblick in die internationalen Polizeidatenbanken. Sowas geht gar nicht.“

Arbeit mit den Opfern

Soni Unterreithmeier ist Mitarbeiterin des Vereins Solwodi in Augsburg: „80 Prozent der Frauen sind Ausländerinnen aus den Armenhäusern Europas. Sie haben keinerlei Sprachkenntnisse, sind bei keiner Behörde, bei keinem Amt registriert. Von Freiwilligkeit und selbstbestimmter Arbeit auf Augenhöhe, wie es die Hurenverbände immer wieder betonen, kann hier keine Rede sein.“

Der Verein Solwodi arbeitet seit den 80er Jahren für die Rechte von Migrantinnen, die in Deutschland in Not geraten sind, seien es Opfer von Menschenhandel, Ausbeutung, Gewalt oder Zwangsheirat.

Das sagt die Kriminalpolizei

Helmut Sporer ist Leiter des Kommissariats 1 der Augsburger Kripo und mit der Bekämpfung von Menschenhandel und der Überwachung der Prostitution betraut: „Die Hauptzulieferer von Zwangsprostituierten sind Rumänien, Ungarn und Bulgarien. Wir kennen aus der Telefonüberwachung einen Großhändler, der Hunderte von Frauen an Bordelle in Deutschland weiterleitet. Die Betreiber können sich Frauen nach Haarfarbe und Konfektionsgröße aussuchen und haben sogar eine Umtauschgarantie. Der Trend geht zu immer jüngeren Frauen von erst 18 oder 19 Jahren. Laut Statistik ist mehr als die Hälfte der Menschenhandelsopfer jünger als 21 Jahre. Wie hoch die Dunkelziffer ist, wissen wir nicht.“

Die Kripo-Statistik bestätigt das Elend der Ausländerinnen: 2012 hat die Augsburger Polizei 72 Prostituierte aufgegriffen, davon drei Deutsche. Ein Jahr später waren es 155 Frauen, darunter fünf Deutsche. Die Zahlen für Nürnberg und München sind laut Sporer ähnlich hoch.

Das Gewaltproblem

Carmen Benker ist Beauftragte für Frauen und Kinder am Polizeipräsidium Bayreuth; sie betreut auch Gewaltopfer außerhalb der Prostitution: „Gewalt ist uns näher, als uns lieb ist – wir müssen nur hinschauen! Jede nicht angezeigte Straftat schützt den Täter, nicht das Opfer. Wir dürfen unsere Augen nicht davor verschließen.“

Was helfen könnte

Silke Launert ist Bundestagsabgeordnete und Bezirksvorsitzende der Frauen-Union Oberfranken: „Das Prostitutionsgesetz von 2001 muss dringend überarbeitet werden, weil es die Situation von Prostituierten nicht verbessert hat, sondern im Ergebnis denen in die Hände spielt, die im kriminellen Begleitmilieu verdienen.“ Änderungen seien außerdem im Strafrecht, in der Gewerbeordnung und beim Aufenthaltsrecht nötig.